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CDU-Chef Merz in der Ukraine - und Streit in Deutschland

2. Mai 2022

Friedrich Merz ist in die Ukraine gereist und besucht Kiew. Aber die Empörung bei manchem Politiker in der Ampel-Koalition in Berlin ist groß.

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Deutschland CDU-Chef Merz zu Besuch in Irpin, Ukraine
Bild: VALENTYN OGIRENKO/REUTERS

CDU-Chef Friedrich Merz ist in der Ukraine. Nach Angaben von Nachrichtenagenturen besuchte er zuerst den von massivem russischen Beschuss gezeichneten Kiewer Vorort Irpin (siehe das Titelbild). Danach reiste er ins Stadtzentrum weiter, wo politische Gespräche auf seinem Programm standen. Seit Tagen hatte es im politischen Berlin über die Frage der Reise Rätselraten und Spekulationen gegeben. Am Montag hatte Merz bei einem Parteitermin in Köln nur bestätigt, er wolle "in dieser Woche nach Kiew" reisen. 

Gemeinhin gehen Politiker mit Äußerungen zu Besuchen in der vom russischen Angriff erschütterten Ukraine unterschiedlich um. Als kürzlich die US-Minister für Verteidigung und Außenpolitik Kiew besuchten, wurde deren Trip offiziell erst bestätigt, als sie das Land wieder verlassen hatten. Dagegen werden die meisten Solidaritätsbesuche europäischer Politiker meist einen Tag vorher bekannt.

Debatte um Besuche

Ukraine-Krieg - von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 8. April in KiewBild: Michael Fischer/dpa/picture alliance

Ähnlich verhielten sich die drei wichtigen Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen, die noch vor Ostern die Westukraine und Lwiw besucht hatten. Die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges, Michael Roth (SPD), Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) waren in der Ukraine eingetroffen, als die Nachricht darüber in Deutschland bekannt wurde.

Der Besuch der drei deutschen Politiker hatte die Debatte über das Zeichen eines Kiew-Besuchs durch deutsche Spitzenpolitiker verschärft. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wollte - gleichfalls noch vor Ostern - reisen, war aber in Kiew nicht willkommen. Das verschärfte den Blick auf den Kurs der SPD gegenüber Russland und dessen Präsident Wladimir Putin seit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (1998-2005), dessen engster Mitstreiter Steinmeier war. Und Kanzler Scholz? Hielt sich bislang mit Reiseplänen zurück und verwies auf sein politisches Agieren zur Stärkung der Ukraine. 

Gegen eine Sitzbank gelehnt schaut der Bundeskanzler aus einem Flugzeugfenster
Kiew ist nicht in Sicht für Kanzler Olaf ScholzBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Merz selbst hatte mit seiner Rede am Donnerstag im Bundestag deutlich gemacht, dass er als Oppositionsführer bewusst auch gegen Kanzler Olaf Scholz agiert. Schließlich hatte ihm dies der SPD-Regierungschef mit einigen Äußerungen während der vergangenen Wochen durchaus leicht gemacht. Merz sprach von "Unsicherheit" und "Schwäche", von "Zögern", "Zaudern", "Ängstlichkeit". Und er warnte Scholz vor einer Appeasement-Politik gegenüber Russland.

Kritik vom Ampel-Chor

Da zeigte Friedrich Merz, der während seiner ersten Jahre als Abgeordneter des Bundestages zu den schärfsten und eben auch besten Rednern im deutschen Parlament gehörte, dass er nach wie vor zu dieser Riege gehört. Und manche Erwiderung von Seiten der Sozialdemokratie klang so spitz, als ob sich die SPD-Spitze dessen sehr bewusst sei. So hatte am Donnerstag gleich nach Merz der SPD-Chef Lars Klingbeil seinem Vorredner vorgeworfen, statt einer "staatspolitischen" eine "parteipolitische Rede" gehalten zu haben. Ein ganzer Chor an Ampel-Stimmen stimmte seitdem in diese Kritik ein.

Berlin | Bundestag | Debatte zu Waffenlieferungen an Ukraine | Friedrich Merz
Er ärgerte die Ampel: Friedrich MerzBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Dabei hatte Merz im Bundestag genüsslich auf Bewertungen der drei Ampel-Politiker Strack-Zimmermann, Roth und Hofreiter und auf Äußerungen aus der Ampel über die drei verwiesen. Äußerungen, die Scholz kritisiert hatten und viele in der SPD-Führung verärgerten. Und Merz nahm auch Scholz aufs Korn und dessen Auftritt in der Regierungsbefragung des Bundestages vor der Osterpause: "Der Bundeskanzler hat alle Fragen beantwortet, die ihm nicht gestellt worden sind, und keine einzige Frage von denen beantwortet, die wir ihm gestellt haben."

Es ist üblich, dass ein Parteichef und Oppositionsführer ins Ausland reist und dabei auch wichtige Gesprächspartner trifft. Die aktuelle Schärfe um eine Reise von Merz ist aber auch einem innerdeutschen Aspekt geschuldet. Am kommenden Sonntag wählt das Bundesland Schleswig-Holstein, eine Woche später Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern führt bislang die CDU die Landesregierung. Und eine Verteidigung dieser Führungspositionen würde die CDU und ihren neuen Frontmann Merz stärken oder zumindest stabilisieren. Und sie würde Scholz treffen. CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner bezeichnete "die Reise von Friedrich Merz" in die Ukraine auf Twitter bereits als "Brennglas für das Tun/Nichttun von Bundeskanzler Scholz".

Ungewöhnlich war die Meldung von Sonntagabend, dass das Bundeskriminalamt (BKA), das in Deutschland für den Personenschutz von Bundespolitikern zuständig ist, eine Begleitung einer Kiew-Reise von Merz abgelehnt hätte. Dieses Gerücht sorgte jedenfalls dafür, dass Merz selbst dazu Stellung nahm und ausdrücklich dem Medien-Bericht widersprach. Zwar habe sein Büro das BKA über eine "mögliche Reise" nach Kiew informiert. Aber "eine Begleitung durch das BKA habe ich nicht angefordert und ist vom BKA auch nicht angeboten worden". Der Tweet trug das Kürzel "(FM)", das gemeinhin dafür steht, dass Merz selbst twittert.

"Jede Reise zeigt Unterstützung"

Merz betont nun, er habe bereits einen Besuch in Kiew kurz vor der russischen Aggression im Februar geplant gehabt. Er folge nun einer Einladung des ukrainischen Parlaments und wolle sich "selbst ein Bild von der Lage dort" machen. Die Bundesregierung habe das weder zu beurteilen noch zu kommentieren, "ich frage auch nicht um Genehmigung".  Ausdrücklich verwies der CDU-Chef aber darauf, dass Kanzler Scholz, den er am Samstag über seine geplante Reise informiert habe, keine Absicht erkennen lasse, Kiew zu besuchen.  

Ukraine | Kiew - Parlaments Gebäude
Das Parlamentsgebäude in KiewBild: Olena Khudiakova/Ukrinform/imago images

Mag Deutschland auch um den Besuch diskutieren und streiten - aus Kiew gibt es eine Meinung zu solchen Reisen. Die Ukrainer erwarteten "natürlich jeden Politiker, fast jeden Politiker aus der freien Welt", sagte Wladimir Klitschko am Montag im TV-Sender "Phoenix". Es sei wichtig, Solidarität zu zeigen. Der jüngere Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, in Deutschland ähnlich prominent wie dieser, wurde ausdrücklich nach einem möglichen Besuch von Merz gefragt, antwortete aber allgemein. Und er betonte, jeder der nach Kiew reise, zeige seine Unterstützung für die Ukraine. Und jeder Politiker aus dem Westen setze sich bei einem Besuch in der Hauptstadt einem Risiko aus. Denn die Gefahr durch russische Raketen sei immer gegeben.