"Keine Deals mehr mit Terrorgruppen!"
22. Februar 2019Deutsche Welle: Herr Präsident, Sie sind seit dem 1. Februar Präsident der G5-Sahel-Initiative, eines regionalen Zusammenschlusses, der aus den Ländern Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger besteht und in Westafrika gegen den Terror kämpft. Auch Deutschland unterstützt diesen Kampf. War dies der konkrete Grund Ihres Besuchs in Berlin?
Roch Marc Christian Kaboré: Wir sind auf Einladung der Kanzlerin gekommen und wollten über die Kooperation der beiden Länder sprechen. Gerade weil Burkina Faso seit Februar die Präsidentschaft der G5-Initiative innehat. Wir arbeiten schon jetzt in mehreren Bereichen sehr gut mit Deutschland zusammen: Dezentralisierung, Zugang zu Trinkwasser, Energie, Landwirtschaft. Aber angesichts der Sicherheitslage in unserem Land möchten wir die Kooperation in Fragen, die uns extrem wichtig sind, ausweiten: Sie hat dazu geführt, dass es viele Flüchtlinge gibt. Diese müssen humanitär versorgt und irgendwann wieder in ihre Heimatdörfer zurückgebracht werden. Bei dieser Aufgabe wäre es gut, wenn Deutschland uns unterstützen würde.
DW: Welche Versprechungen hat die Kanzlerin konkret gemacht?
Die Kanzlerin hat sich sehr offen gezeigt, und ich habe auch den Bundespräsidenten getroffen. Wir freuen uns sehr über das Interesse, das Deutschland Afrika und vor allem der G5-Sahel-Initiative entgegenbringt. Deutschland nimmt ja auch an der UN-Mission in Mali (MINUSMA) teil, ebenso wie Burkina Faso mit 1700 Soldaten. Die Kanzlerin will die G5-Länder weiter unterstützen.
Für uns besonders wichtig ist eine bessere Koordination zwischen den G5-Ländern und der EU. Denn bislang gibt es nur Ankündigungen für eine Finanzierung der G5-Iniative, aber keine konkreten Zusagen. Wir bräuchten also ein Koordinierungstreffen zwischen G5 und EU, um festzulegen, wann welche Versprechen umgesetzt werden und was wir genau zusammen machen.
Mangelnde Ausrüstung ist ein Problem der G5-Soldaten. Ein anderes ist fehlende Ausbildung….
Das hängt alles zusammen, und wir müssen unsere Armeen in dieser Hinsicht stärken. Wir müssen gleichzeitig den Terrorismus bekämpfen und unsere Soldaten weiterbilden. Denn diese Art Krise hat es bislang in unserer Region nicht gegeben: Es ist ein asymmetrischer Krieg. Deutschland hat vorgeschlagen, unsere Kooperation so auszubauen, dass sie uns bei der Konsolidierung unserer Armee helfen können.
Es gibt Gerüchte, dass Ihr Vorgänger Blaise Compaoré Verbindungen zu Terrorgruppen gehabt habe und dass sein Sturz der Grund ist, warum Burkina Faso heute unter Terrorismus leidet.
Dass er diese Verbindungen hatte, sind keine Gerüchte, sondern ein Fakt. In Burkina Faso herrschte jahrelang Frieden, weil es einen Deal gab. Das scheint mir offensichtlich. Und es scheint damit zusammenzuhängen, dass Burkina Faso heute eine Zielscheibe des Terrors ist. Am 12. Januar 2016 wurde die neue Regierung vereidigt, und drei Tage später gab es das größte Attentat überhaupt in Burkina Faso. Absolut nichts hatte zuvor auf eine Terrorgefahr hingedeutet. Heute aber stecken wir in einem Kampf gegen den Terrorismus, dessen Ziel zu sein scheint, uns daran zu hindern, unsere Arbeit zu tun.
Stimmt es, dass führende Terroristen zu Ihnen gekommen sind, um Autos einzufordern, die sie bei Blaise Compaoré "bestellt" hätten?
Ja, ich wurde darauf angesprochen, als ich ins Amt kam. Ich habe gesagt, ich sei nicht über diese Bestellung informiert und sie müssten die Autos bei der zuständigen Person in der Elfenbeinküste [dort lebt Blaise Compaoré im Exil, Anm. d. Red.] einfordern, sie wird euch sagen, wo sie sind. Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit diesen Deals nichts zu tun habe.
Wie haben sie reagiert?
Unser Gespräch war damit beendet. Was danach passiert ist, weiß ich nicht. Klar ist aber, dass wir im Griff einer gewissen Zahl dieser [Terror-]Gruppen sind. Allerdings wissen wir auch, dass der Terrorismus keine Zukunft hat. Selbst wenn es noch einige Zeit dauern wird, kämpfen wir dafür, Frieden und Sicherheit in unserem Land wiederherzustellen.
Wenn Sie sagen, dass es mit Blaise Compaoré einen Deal gab, der das Land vor terroristischen Anschlägen schützte, warum bitten Sie ihn dann heute nicht um Rat, wenn Sie wollen, dass das Land wieder Frieden bekommt?
Wenn der Rat ist, einen Deal mit Terroristen zu machen, um ihre Schmuggelgeschäfte zu decken, dann ist das ein schlechter Rat für uns.
Aber er hat vielleicht Erfahrung; er hat in vielen Konflikten vermittelt.
Bei genau diesen Mediationen wurden die Deals ja geschlossen. Man kann doch nicht jemanden bitten zu erklären, wie man sich mit einem Dieb verbündet, um andere zu bestehlen, und selbst in Frieden leben kann. Das ist doch eine Frage der Ethik! Wir sind nicht gegen Ratschläge von außen. Wir haben Blaise Compaoré nicht aus Burkina Faso verjagt. Er ist selbst gegangen, nachdem es zu Aufständen gegen ihn gekommen ist. Wer wiederkommen möchte, kann wiederkommen. Und wenn es ein juristisches Problem gibt, dann wird das juristisch geregelt. Wir haben kein Problem damit. Aber seit Blaise Compaoré in Abidjan ist und es immer wieder zu Anschlägen kommt, habe ich ihn nicht ein einziges Mal zu seinem Volk sprechen hören, um es zu ermutigen, um zu sagen, dass diese Taten schlecht sind.
Hunderte Schulen in Burkina Faso sind in Folge des Terrors geschlossen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Das ist schlimm! Auch darüber haben wir mit der Bundeskanzlerin gesprochen. Mehr als 100.000 Kinder können nicht zum Unterricht gehen. Es ist eine große Herausforderung für uns, diese Schulen wieder zu öffnen, damit die Kinder wieder lernen können. Denn wenn die Kinder nicht zur Schule gehen, ist das auch ein Nährboden für Terrorismus. Wir haben daher den Streitkräften strikte Anweisungen gegeben, die dazu führen sollen, dass wir in einem Trimester die Schulen wieder öffnen können. Das wird ein offensichtliches Zeichen sein dafür, was wir vor Ort gegen den Terrorismus tun.
Wie hat die Kanzlerin reagiert?
Sie ist voll und ganz einverstanden mit unserem Ansinnen und findet auch, dass Schule wichtig ist. Das Problem ist schnell erklärt: Wenn Sie im Norden Burkina Fasos unterrichten und Terroristen kommen zu Ihnen und sagen: "Wenn du nicht auf Arabisch unterrichtest statt auf Französisch, dann kommen wir morgen wieder und bringen dich um", dann ist es doch klar, dass keiner mehr unterrichten möchte. Unsere große Herausforderung ist, dass die Schulen nach und nach wieder geöffnet werden. Aber dafür müssen wir natürlich – auch mit Hilfe der Armee – die Sicherheit von Lehrern und Schülern gewähren können.
Das Interview führten Dirke Köpp und Fréjus Quenum.