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Bundespräsident Wulff umgarnt die Schweizer

8. September 2010

Sein erster Staatsbesuch führte Christian Wulff in das kleine Nachbarland, zu dem die Beziehungen zuletzt nicht ungetrübt waren. Das neue deutsche Staatsoberhaupt will das ändern.

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Bundespräsident Wulff und Amtskollegin Doris Leuthard (Foto: AP)
Bundespräsident Wulff und Amtskollegin Doris LeuthardBild: AP

Die Schweizer sind ein eigenwilliges Völkchen. Hier ist es Brauch, dass ein ausländisches Staatsoberhaupt auf offiziellem Besuch in der formalen Hauptstadt Zürich landet und gemeinsam mit dem Schweizer Bundespräsidenten im Zug nach Bern fährt, wo die Regierung ihren Sitz hat. So steigt nun Christian Wulff gemeinsam mit seiner Schweizer Amtskollegin Doris Leuthard im Untergrund des Terminals von Zürich-Kloten in einen Sonderzug, der fast nur aus Speisewagen besteht.

Wulff mit Schirme (Foto: AP)
Auf Regen folgt SonneBild: AP

Wulff ist gekommen, um gut Wetter zu machen, aber die Schweizer können das schneller. In Zürich schüttet es vom Himmel, aber ein schmackhaftes Drei-Gänge-Menü später strahlt in Bern die Sonne. Und die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard betont in ihrer Begrüßungsrede, dass beide Staaten eine lange Freundschaft verbinde, "die es auch möglich macht, anstehende schwierige Fragen in diesem gutnachbarschaftlichen Geist anzupacken".

Die schwierigen Fragen drehen sich vor allem um das Schweizer Bankgeheimnis, das viele Deutsche zur Steuerhinterziehung nutzen. Das war dem Finanzminister der letzten deutschen Regierung, Peer Steinbrück, vor eineinhalb Jahren derart ein Dorn im Auge, dass er die Schweizer mit Indianern verglich, denen man mit der Artillerie zu Leibe rücken müsse. Solche Töne aus dem großen Nachbarland waren in der Schweiz gar nicht gut angekommen.

Gemeinsamkeiten betont, Differenzen akzeptiert

Neue Spannungen gab es, als Deutschland CDs mit gestohlenen Bankdaten von deutschen Steuerhinterziehern aufkaufte. Die Regierung in Bern hält das für rechtswidrige Hehlerei. Bundespräsident Wulff bemühte sich, die Wogen zu glätten. Es sei "eigentlich normal, dass es auch gelegentlich mal unterschiedliche Sichtweisen gibt, schließlich sind wir zwei unterschiedliche souveräne Staaten, aber wir sollten uns bemühen, zu befriedigenden oder gar guten Lösungen zu kommen".

Wulff wie auch seine Schweizer Kollegin Leuthard betonten, das seien kleine Differenzen im Vergleich zu den großen Gemeinsamkeiten. Beide Staaten teilten Werte wie Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Soziale Marktwirtschaft. "Eine Wirtschaft ohne Ethik zerstört sich selbst", sagte sie und bezog das auch auf das gemeinsame Bemühen um eine bessere Regulierung der internationalen Finanzmärkte.

Unbeliebte deutsche Zuwanderer

Bei all dem Streben nach Harmonie wurde auch ein Thema nicht ausgelassen, das viele Schweizer umtreibt: Die Viertelmillion Deutsche, die in der Schweiz arbeiten. Sie nehmen nach verbreiteter Meinung den Einheimischen Arbeitsplätze und Wohnungen weg und benehmen sich auch noch rüpelhaft. Bundespräsidentin Leuthard hielt dem entgegen: "Es ist ein Faktum, dass unser Wachstum maßgeblich auch positiv ausfiel, weil die Zuwanderung von sehr gut ausgebildeten Fachkräften aus Deutschland uns geholfen hat." Dafür seien die Schweizer dankbar.

Der deutsche Bundespräsident hatte schon zur Begrüßung erklärt: "Wir Deutsche lieben die Schweiz." Viele Deutsche lebten und arbeiteten hier und, so glaube er, "Deutsche sind auch durchaus integrationswillig und integrationsfähig". Mit dieser augenzwinkernden Anspielung auf die deutsche Debatte über integrationsunwillige Zuwanderer sorgte Wulff bei den Gastgebern tatsächlich für gute Laune - zum ohnehin schon guten Wetter dazu.

Die Wulffs und die Leuthards (Foto: AP)
Auch für Bettina Wulff (links) war es der erste StaatsbesuchBild: AP

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz