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Bundeskanzler Scholz kündigt massive Aufrüstung an

Rolf Breuch
27. Februar 2022

In seiner Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg hat es der deutsche Kanzler nicht an deutlichen Worten fehlen lassen. Seine Rüstungspläne sorgten für erhebliche Aufregung im Bundestag.

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Berlin | Sondersitzung des Bundstags zur Krise in der Ukraine - Olaf Scholz
Bild: FABRIZIO BENSCH/REUTERS

Angesichts Putins Aggression braucht Bundeswehr neue, starke Fähigkeiten

Um der "Bedrohung durch Putin etwas entgegenzusetzen", hat der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz die umfassende Modernisierung der Bundeswehr angekündigt. Noch in diesem Jahr werde er gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein "einmaliges Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Zum Vergleich: Bislang waren im Bundeshaushalt rund 50 Milliarden Euro im Jahr vorgesehen. Zudem sollen jährlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert werden. Es war der Augenblick in seiner Rede, in der hörbar nicht mehr alle Abgeordneten seiner Argumentation folgen wollten.

Der Kanzler hatte fünf Handlungsaufträge definiert, die sich aus dieser "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents", wie Scholz es nannte, zwingend ergäben: Die Ukraine unterstützen; Russlands Präsidenten Putin von seinem Kriegskurs abbringen; verhindern, dass "Putins Krieg" auf andere Länder übergreift; der Bedrohung durch Putin etwas entgegensetzen - sowie eine grundlegende Neuorientierung in der Außenpolitik.

Abkopplung von Öl und Gas aus Russland

Neben einer "leistungsfähigen, hochmodernen Bundeswehr" zählt für den deutschen Regierungschef vor allem auch ein Umsteuern in der Energiepolitik zu den geeigneten Maßnahmen, um Putin in die Schranken zu weisen. Scholz kündigte neben dem bereits beschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien auch eine staatliche Kohl- und Gasreserve an, sowie zwei neue LNG-Terminals, um kurzfristig mehr Flüssiggas nach Deutschland holen zu können, mittelfristig aber auch "grünen Wasserstoff" anlanden zu können.

Der Bundeskanzler wandte sich in seiner Regierungserklärung auch direkt an die Menschen in Russland, die Putins Machtapparat mutig die Stirn böten und seinen Krieg gegen die Ukraine ablehnten. Gegen den Kremlherrscher zu protestieren erfordere "großen Mut und wahre Tapferkeit." Diese Menschen hätten "Verhaftung und Bestrafung in Kauf genommen", sagte Scholz. "Wir wissen, Sie sind viele. Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf!" Freiheit, Toleranz und Menschenrechte würden sich auch in Russland durchsetzen.

Viele Bundestagsabgeordnete erhoben sich währenddessen von ihren Plätzen und spendeten Beifall.

CDU und CSU versprechen konstruktive Zusammenarbeit

Oppositionsführer Friedrich Merz hat der Bundesregierung die Unterstützung der Unionsfraktion für die Sanktionen gegen Russland zugesagt. CDU und CSU würden umfassende Maßnahmen unterstützen "und nicht im Kleinen herummäkeln", sagte der CDU-Vorsitzende in seiner Antwort auf die Regierungserklärung von Kanzler Scholz. Aber die 100 Milliarden für das Bundeswehr-Sondervermögen könne man "nicht allein mit einer Regierungserklärung am Sonntagmorgen machen. Darüber müssen wir dann in Ruhe und im Detail sprechen."

CDU-Chef Merz bezeichnet Putin als "Kriegsverbrecher"

Russlands Präsident Putin sei ein "Kriegsverbrecher" und Deutschland stehe "vor einem Scherbenhaufen der deutschen und europäischen Außen- und Sicherheitspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte", sagte Merz, dessen Partei in den vergangenen 16 Jahren die Kanzlerin stellte. Einige der vermeintlichen Gewissheiten gehörten der Vergangenheit an. So führe einseitige Abrüstung nicht zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit.

"Uns darf nicht die Puste ausgehen"

Der Westen habe "bis zur letzten Minute" versucht, den Konflikt mit diplomatischen Mitteln zu lösen, sagte Außenministerin Annalena Baerbock im Bundestag. Aber: "Putin wollte diesen Krieg." Der Kreml habe den Westen lediglich hingehalten und belogen. Die Grünen-Politikerin verteidigte auch die Kehrtwende der Bundesregierung, jetzt doch Waffen an die Ukraine zu liefern.

Außenministerin Baerbock: Moment für Waffenlieferungen gekommen

Die Sanktionen gegen Russland müssten langfristig angelegt sein, sagte Baerbock weiter. Es gehe darum "das System Putin im Kern" zu treffen - wirtschaftlich, finanziell und individuell. Mittel- und langfristig werde Russland durch den Krieg ruiniert. Der Westen müsse aber "sicherstellen, dass uns nach drei Monaten nicht die Puste ausgeht."

Dass sich der Bundestag an einem Sonntag versammelte, markiert die historische Bedeutung dieser Sondersitzung, die von der Gästetribüne aus auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, verfolgte. Die Abgeordneten begrüßten ihn mit minutenlangem Beifall.

rb/as (DW)