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Merkel will Finanzstandort Frankfurt unterstützen

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
5. September 2018

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war mal wieder schneller: Unlängst hatte er Vertreter der internationalen Finanzwelt nach Paris eingeladen. Da wurde es Zeit für Angela Merkel, endlich in Frankfurt Flagge zu zeigen.

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Deutschland, Frankfurt am Main: Angela Merkel bei ihrer Rede zur Zukunft des Finanzplatzes Deutschland
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Nach Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der vergangenen Woche gab Angela Merkel sich am Dienstagabend in Frankfurt die Ehre. Offenbar hielt sie es für angemessen, angesichts des bevorstehenden Brexits Unterstützung aus Berlin zu signalisieren. "Wir werden alles tun, um Hessen zu unterstützen, attraktive Rahmenbedingungen am Finanzstandort Deutschland zu ermöglichen." Rund 300 geladene Vertreter der Banken- und Finanzbranche hörten der Rede Merkels im Börsengebäude in Frankfurt zu. Zweites Thema neben dem Brexit: Die alles umwälzende Digitalisierung. Auch hier versprach Merkel Schützenhilfe aus Berlin. "Holt die Fachleute her, intensiviert Eure Universitäten, schafft Cluster - und wir werden Euch unterstützen und damit hoffentlich zum Ruhme Frankfurts, Deutschlands und Europas beitragen."

Die aufmunternde, unterstützende Note ihrer Rede fällt in eine Zeit, in der die Finanzbranche sich mit eben diesen Themen auseinandersetzen muss: Digitalisierung und Brexit. Dabei weiß bei letzterem noch niemand, wie er genau aussehen wird und welche Regelungen danach für die Finanzindustrie gelten werden. Die Bundesregierung habe zwar das klare Ziel, eine Verständigung mit Großbritannien zu erreichen. "Aber es ist natürlich wichtig, dass dieses Ziel unter der Maßgabe erreicht wird: Dass ein Nicht-Mitglied der Europäischen Union nicht die gleichen Rechte und Pflichten haben kann wie ein Mitglied der Europäischen Union." 

Weniger Kündigungsschutz für Banker?

Im Herbst sollen nach Merkels Worten zumindest Grundzüge stehen. Bis dahin sollen mit Großbritannien also die Einzelheiten der Trennung von der Europäischen Union klar sein, aber auch Grundzüge, wie die Beziehungen danach aussehen könnten. Das sei wichtig für Investoren und Wirtschaft, um sich darauf einstellen zu können. Ansonsten sei die Investitionssicherheit auf beiden Seiten gefährdet.

In Berlin arbeite die Regierung unterdessen beispielsweise an der Frage des Kündigungsschutzes von gutverdienenden Bankern. "Ein sehr interessanter Sachverhalt ist die Frage des Kündigungsschutzes für eine bestimmte Gruppe von Menschen, die plötzlich keinen größeren, sondern einen kleineren Kündigungsschutz will. An dieser Regelung wird bereits gearbeitet", sagte Merkel.

Denn durch den britischen EU-Austritt müssen sich einzelne Banken oder einzelne ihrer Abteilungen in Richtung Europa umorientieren. Dabei konkurriert Deutschland mit seinem Finanzstandort Frankfurt beispielsweise mit Mailand, vor allem aber mit Paris. Der vergleichsweise strenge Kündigungsschutz hierzulande gilt dabei als Hürde.

Bankenviertel in Frankfurt Hochhäuser Türme
Kann Frankfurt am Main (hier das Bankenviertel) vom Brexit profitieren? Bild: picture-alliance/dpa

Macron schneller als Merkel

Zudem zeigte sich andernorts die politische Elite in den vergangenen Monaten umtriebiger. So hatte der frühere Investmentbanker und heutige französische Präsident Emmanuel Macron unlängst Vertreter der internationalen Finanzindustrie nach Paris geladen, um offen für seinen Finanzstandort zu werben. Auch hatte sich das Pendel nach Paris geneigt, als Frankreich den Zuschlag für die Europäische Bankenaufsicht EBA bekommen hat. In Frankfurt kritisieren Vertreter der Finanzbranche, dass das auch an mangelnder Unterstützung aus Wiesbaden und Berlin gelegen habe.

Jedenfalls scheint sich das politische Berlin dazu durchgerungen zu haben, das Thema der Zukunft der Finanzindustrie höher auf der politischen Agenda zu platzieren. In naher Zukunft wird sich schließlich noch eine entscheidende Frage stellen: Wo künftig das Euro-Clearing, also die Abwicklung in Euro notierter Wertpapiere stattfinden soll.

Euro-Clearing "muss nach Frankfurt"

Das sogenannte Euro-Clearing ist aus Sicht des Finanzsektors einer der Knackpunkte beim bevorstehenden Brexit. Die Abwicklung dieses großen Bereiches des Finanzmarktes findet bis dato fast vollständig in London statt - dem Noch-EU-Mitglied. Wenn Großbritannien allerdings aus dem Euroraum ausscheidet, dann hätten die hiesigen Aufsichtsbehörden keine Kontrolle und keinen Zugriff mehr auf diesen fundamentalen Bereich des Finanzmarktes. "Sagen wir mal: Wir denken konstruktiv mit. Politisch erklären kann ich das jedem: Dass das Euro-Clearing in der Eurozone stattfindet - und dann ist Frankfurt natürlich der herausragende Ort", so Merkel. 

Dass sich Merkel nur wenige Tage nach ihrem Finanzminister für den Standort Deutschland ausspricht, dafür gibt es aber noch mindestens einen weiteren Grund. Finanzminister Olaf Scholz äußerte sich in Frankfurt auf einer Bankentagung vor wenigen Tagen besorgt: Die Banken in Europa, vor allem aber auch in Deutschland, hätten stark an Größe verloren - seit der großen Banken- und Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008.

Die Banken seien aber elementar wichtig dafür, einer Exportwirtschaft wie der deutschen bei ihren Geschäften rund um den Globus zur Seite zu stehen. "Wir machen Industriepolitik, das haben wir uns angewöhnt", hatte Olaf Scholz gesagt. "Aber dass wir Industriepolitik im Zusammenhang mit der Finanzwirtschaft machen, das ist in den letzten Jahren etwas aus der Mode gekommen. Das war nicht zum Nutzen unseres Wirtschaftsstandortes. Deswegen glaube ich, muss das eine neue Bedeutung in der politischen Bewertung und Betrachtung erhalten."