1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bratzel: "Richtige Richtung, aber viele offene Fragen"

2. Oktober 2018

Nach zähem Ringen gibt es eine Einigung der Regierung im Diesel-Streit: Betroffene sollen zwischen Umtauschprämie und Nachrüstung wählen können. Doch noch ist vieles vage, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel.

https://p.dw.com/p/35s1s
VW Dieselmotor
Bild: picture alliance/dpa/J.Stratenschulte

Deutsche Welle: Herr Bratzel, was bedeutet die Einigung auf den Diesel-Kompromiss jetzt für die deutschen Autobauer? Ist das der große Befreiungsschlag oder könnten weitere Verpflichtungen auf die Autobauer zu kommen? Bislang geht es ja nur um Fahrzeuge in besonders belasteten Regionen in Deutschland.

Stefan Bratzel: Das Konzept geht sicherlich in die richtige Richtung, dass man zumindest sowohl Umrüstungsmöglichkeiten anbietet als auch Umtauschprämien. Aber es kommt natürlich darauf an, wie die genaue Ausgestaltung ist. Eine gewisse Begrenzung ist sicherlich die Einschränkung der Maßnahmen auf bestimmte Regionen. Und es hängt natürlich im Detail davon ab, etwa bei Umtauschprämien, wie hoch sie denn tatsächlich sind. Und bei dem Thema Hardwarenachrüstung kommt es sehr stark darauf an, für wie viele Modelle solche Hardwarenachrüstungen grundsätzlich möglich sind und angeboten werden können.

Von der Politik heißt es außerdem, dass von ausländischen Herstellern vergleichbare Angebote erwartet werden. Was aber, wenn die jetzt nicht liefern? BMW und Opel haben ja bereits angekündigt, dass sie keine Nachrüstung anbieten werden. Hat die Regierung Möglichkeiten Druck auszuüben oder kommen am Ende doch noch Fahrverbote?

Professor Dr. rer. pol. Stefan Bratzel
Professor Stefan Bratzel hält den Diesel noch nicht für tot.Bild: auto-institut.de

Der Druck wird sicherlich auf die ausländischen Hersteller geringer sein. Auf die deutschen Hersteller kann man den Druck sehr viel stärker ausüben, weil die deutschen Hersteller die Bundesregierung auch künftig brauchen werden, zum Beispiel bei den Verhandlungen um das Thema CO2-Ausstoss in Europa. Aber es ist schon ein Problem, dass sich die Importeure zum Teil hier herausziehen. Es ist aber ein Anfang gemacht worden mit dem Konzept der Bundesregierung, aber jetzt muss weiter Druck gemacht werden, damit eine breite Umsetzung dieser Maßnahmen tatsächlich stattfindet.

Hat die deutsche Regierung denn irgendeine Möglichkeit, Druck auf ausländische Autobauer auszuüben?

Der Druck, den die Bundesregierung auf ausländische Autobauer ausüben kann, ist vergleichsweise gering. Das hat sich schon im Versuch des Verkehrsministers gezeigt, Fiat zur Rechenschaft zu ziehen. Hier gab es ein direktes Abwinken, dass Deutschland ja gar nichts zu sagen hätte.

Schmutzige Luft durch Diesel gibt es nicht nur in deutschen Städten. Drohen den Autobauern nach dem jetzigen Vorgehen Deutschlands in anderen Ländern vielleicht ähnliche Maßnahmen?

Ein Dominoeffekt ist zumindest in Europa denkbar. Hier in Deutschland werden jetzt recht umfangreiche Rabatte und auch Hardwarenachrüstungen initiiert und es könnte tatsächlich in Ländern wie Frankreich, Italien und anderen Ländern ähnliche Forderungen auf den Tisch kommen. Und dann wird es richtig teuer für die deutschen Autobauer.

Umtauschprämien motivieren, den alten, schmutzigen Diesel gegen einen neueren, saubereren auszutauschen. Aber was passiert mit den alten Dieseln? Die werden ja wahrscheinlich weiterhin irgendwo auf der Straße sein...

Ja, im Falle von den Euro-5-Dieseln ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, diese Fahrzeuge zu verschrotten. Das sind Fahrzeuge, die zwischen drei und neun Jahre alt sind. Die haben noch einen relativ hohen Wert. Diese Fahrzeuge werden wohl innerhalb von Europa weiterverkauft werden. Das heißt, diese Fahrzeuge verschwinden nicht und sie stoßen weiterhin relativ hohe Stickoxydwerte aus. Das ist eben Teil des Problems, das man vor vielen Jahren nicht richtig gelöst hat, indem man Autos zugelassen hat, die nur auf dem Prüfstand gemessen worden sind. Und damit muss man jetzt leben.

Angesichts dieser Dieselkrise und nach wie vor möglicher Fahrverbote: Welche Zukunft hat der Dieselantrieb Ihrer Meinung nach überhaupt noch?

Ich glaube, dass der Dieselantrieb, insbesondere im Lkw-Bereich, aber gegebenenfalls auch bei den größeren Fahrzeugen der Oberklasse - den sogenannten SUV - noch eine Zukunft hat. Fakt ist ja, es gibt den sauberen Diesel. Er kostet nur etwas mehr, weil die Abgasreinigung entsprechend technisch aufwändiger ist. Dass das möglich ist, das zeigen entsprechende, unabhängige Untersuchungen. Aber die Wettbewerbsfähigkeit des Diesel ist aufgrund dieser höheren Kosten gegenüber Benzinern eben schlechter geworden. Deswegen wird der Höhepunkt der Dieseltechnologie sicherlich überschritten schein.

Stefan Bratzel ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion