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Politik

Blogger Protassewitsch "lobt" Lukaschenko

4. Juni 2021

90 Minuten lang sprach der inhaftierte Regierungskritiker im belarussischen Staatsfernsehen - teils mit zitternder Stimme. Für Protassewitschs Familie und Mitstreiter steht fest: Seine Sätze sind ein Ergebnis der Folter.

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Inhaftierter Blogger Roman Protassewitsch
Die freigegeben Fotos des Interviews zeigen Roman Protassewitsch vermeintlich gut gelauntBild: ONT channel/AP/picture alliance

Belarus: Entführung über den Wolken

Der 26 Jahre alte Blogger Roman Protassewitsch gab in dem am Donnerstagabend ausgestrahlten Gespräch des Staatssenders ONT zu, Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko organisiert zu haben. Zugleich sagte er, dass er Lukaschenko bewundere. ONT hatte einen Trailer des Studiointerviews mit Protassewitsch veröffentlicht und dieses als "emotionales" Spektakel beworben. Darin war Protassewitsch mit ernstem Gesicht zu sehen, im Hintergrund lief furchterregende Musik. 

Eltern sprechen von Folter

Seine in Polen lebende Mutter Natalia Protassewitsch bezeichnete das Interview als Ergebnis von Folter im Gefängnis. "Ich kann mir nicht einmal vorstellen, welchen Foltermethoden - sowohl psychischen als auch physischen - mein Sohn momentan ausgesetzt ist", sagte die 46-Jährige. "Eine größere Qual kann man als Mutter vermutlich nicht erleiden." Ähnlich äußerte sich der Vater des Regierungskritikers. "Ich kenne meinen Sohn sehr gut und ich glaube, dass er so etwas nie sagen würde", sagte Dmitri Protassewitsch. Das Video sei als Ergebnis von "Missbrauch, Folter und Drohungen" entstanden. "Sie haben ihn gebrochen und ihn gezwungen, das zu sagen, was nötig war", sagte Protassewitschs Vater weiter. Er sei sehr besorgt.

Verhafteter Journalist Roman Protassewitsch in Belarus - Proteste in Irland -
Weltweit - wie hier in Irland - kämpfen Demonstranten für die Freilassung von Roman ProtassewitschBild: Niall Carson/PA Wire/dpa/picture alliance

Mit teils zitternder Stimme hatte Protassewitsch in dem anderthalbstündigen Gespräch auch Anschuldigungen gegen andere Mitglieder der belarussischen Opposition erhoben. Seine Mitstreiter gehen ebenfalls davon aus, dass der Regierungskritiker unter Druck gesetzt wurde.

Bundesregierung verurteilt Vorführung von Protassewitsch

Die Bundesregierung hat das vor laufender Kamera offenkundig erwzungene Geständnis des inhaftierten Bloggers "auf das Schärfste" verurteilt. Da werde ein unliebsamer oppositioneller Jorunalist nach einer wohl unter falschen Vorwänden zustande gekommenen Zwangslandung zusammen mit seiner Lebensgefährtin aus einem Flugzeug verschleppt, "wird hinter Gitter gebracht und wird dort so weit psychisch und möglicherweise auch physisch bearbeitet, dass er dieses vollkommen unwürdige und unglaubwürdige Geständnis-Interview gibt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Das ist eine Schande für den Sender, der es ausstrahlt und für die belarussische Führung, die nochmal ihre ganze Demokratieverachtung und, eigentlich muss man auch sagen, Menschenverachtung zeigt", so Seibert weiter. 

Lukaschenko hatte vor knapp zwei Wochen ein Passagierflugzeug in Minsk zur Landung gezwungen und Protassewitsch sowie dessen Freundin verhaften lassen. Der Vorfall hat den Konflikt zwischen der ehemaligen Sowjetrepublik und dem Westen verschärft. Die EU und die USA verhängten neue Sanktionen gegen Belarus.

nob/se (dpa, afp)