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Bis das Blut gefriert

Julia Macher1. Oktober 2008

Gruselige Gestalten, spritzendes Blut und andere Schockeffekte - zehn Tage lang frönen Regisseure und Zuschauer ihrer Vorliebe für Horror und Fantasy beim Filmfestival im spanischen Sitges. Es ist das größte in Europa.

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Offizielles Plakat zum Horror- und Fantasyfilmfestival im spanischen Stiges
Die Macher der spanischen Horrorfilme werden wie Stars gefeiert auf dem FilmfestivalBild: Festival Internacional de Cinema de Catalunya

"Horror made in Spain" boomt. Grusel- und Fantasyfilme sind in diesem Jahr Kassenschlager - trotz Kinokrise, trotz landesweit sinkender Besucherzahlen. Einer der erfolgreichen Horrormacher ist Gonzalo Lopez-Gallego, der für seinen Jagdthriller "El Rey de la Montaña", der "Bergkönig", beim Filmfestival in Amsterdam ausgezeichnet wurde.

Den Erfolg spanischer Filmemacher in diesem Genre erklärt er sich mit der Generation, in der er geboren wurde: "Wir haben solche Streifen sozusagen mit der Muttermilch eingesogen, wir haben viel ferngesehen und im Videoclub amerikanische Filme ausgeliehen."

Inspiration durch Videospiele

Nosferatu, Filmszene des legendären Stummfilms von F.W. Murnau (1922)
Nosferatu, ein Horrorfilm von 1922, ist einer der Klassiker des Genres

Zu "seiner Generation" zählt Lopez-Gallego noch ein halbes Dutzend anderer spanischer Filmemacher um die 30. Geboren kurz vor oder nach dem Tod des Diktator Francos, aufgewachsen in der jungen Demokratie, verfolgten sie den Kalten Krieg zwischen Atari und Commodore interessierter als den zwischen Ost und West. Comics, Computer und Videospiele gehören zu ihrer Lebenskultur, deren Ästhetik prägt die ihrer Filme. "Es gibt echte Kunstwerke in diesem Bereich. Ich war immer begeisterter Spieler und Bewunderer von Videogames. Beides in einem Film vereinen zu können machte viel Sinn und half mir auch, den Film zu strukturieren," sagt Lopez-Gallego.

Von der Trennung zwischen Hoch- und Popkultur halten die Macher des Horrorbooms nichts: Viele von ihnen haben fürs Fernsehen gearbeitet, als Drehbuchautoren von Soaps oder Reality-Shows. Ihre ersten Filme entstanden für Youtube - mit null Euro Budget.

"Interesse am Perversen"

Das hat sie zu Meistern der Improvisation gemacht: Fehlendes Equipment wird durch interessante Perspektiven ersetzt; fehlendes Personal durch gnadenlose Selbstausbeutung. In seinem Kurzfilm "7:35 Uhr morgens" war Nacho Vigalondo Drehbuchautor, Regisseur, Hauptdarsteller und Komponist. Der Film wurde für den Oscar nominiert, trotzdem begegnete man Vigalondo auch beim Science Fiction Thriller "Cronocrimenes" etwas misstrauisch. "Spaniens Kinoszene ist nicht sehr groß. Wenn man da etwas Ungewöhnliches unternimmt, ist es so wie im Aufzug zu pupsen. Wir hocken alle zu dicht aufeinander - und das ist manchmal schwer." Man müsse deshalb oft Umwege gehen, zum Beispiel erst im Ausland Fördergelder und Einladungen zu Festivals bekommen, bevor der Film in Spanien gezeigt werden könne.

Kinosaal (doris spiekermann-klaas)
Der spanische Horrorfilm lockt Besucher in die KinosBild: PA/dpa

Auch Isidro Ortiz kann sich noch gut an die skeptischen Blicke seiner Produzenten erinnern, als er sein Projekt "Eskalofrio", einen Horrorthriller über ein wildes Kind und einen Jungen mit seltsamer Hautkrankheit, vorstellte. Bei etablierten Verleihen und alteingesessenen Geldgebern haben solche Filme einen schweren Stand. "Wenn man sich die Literatur, das Theater oder Märchen anguckt, gibt es in Spanien ein geringeres Interesse am Perversen. Vielleicht hat das mit unserer religiösen Erziehung zu tun. Im Katholizismus ist die Erforschung des Bösen, des Magischen immer verboten gewesen."

Zwischen Albtraum und Wirklichkeit

Dass das spanische Kino jetzt ausgerechnet mit dem einst geschmähten Genre den internationalen Markt erobert, freut die Filmemacher natürlich. Woher ihre Vorliebe für Horror- und Fantasystreifen eigentlich kommt? Vielleicht liegt es an Jugenderinnerungen wie dem exzessiven Schmökern in Stephen King Romanen oder an den ersten Kinoküssen bei "Halloween". Vielleicht liege es auch einfach daran, dass zwischen Albtraum und Wirklichkeit mehr Platz für filmische Experimente sei, mutmaßt Isidro Ortiz und streift die Ärmel seines geringelten Freddy-Krueger-Pullis hoch.