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Bildergeschichten: "Keinen Pfennig den Fürsten"

Tillmann Bendikowski25. November 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1926: Deutschland streitet über die Enteignung der Fürsten.

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Volksbegehren Fuerstenenteignung 1926 Weimarer Republik / Volksbegehren zur Enteignung der Fuersten, 17. Maerz 1926Copyright: picture-alliance/akg-images
Bild: picture-alliance/akg-images

Es gibt einen Ausspruch von Lenin über das Wesen der Deutschen: Sie wären zur Revolution unfähig – denn sie würden erst eine Bahnsteigkarte lösen, bevor sie einen Bahnhof besetzten. Das ist ein bisschen ungerecht, weil die angeblich "braven" Deutschen zuweilen doch Revolutionen zustande gebracht haben. Diese waren vielleicht nicht so eindrucksvoll wie die Französische oder Russische, aber 1918 wurde immerhin der Kaiser verjagt und die Weimarer Republik ausgerufen. Dabei vergaß man leider die Enteignung der Fürsten. 1926 solte das nachgeholt werden. Das Bild zeigt ein Lokal, wo man sich auf ausliegenden Listen für das Volksbegehren aussprechen konnte.

Die Not ist groß, die alten Herrschaften werden kecker: Die Massenarbeitslosigkeit erreicht in diesem Jahr ihren ersten Höhepunkt; über zwei Millionen Menschen sind betroffen. In diesem Moment ist es für viele eine Provokation, dass einige Fürsten die Rückgabe ihres Besitzes fordern, der zu Revolutionszeiten beschlagnahmt wurde. "Keinen Pfennig den Fürsten", heißt es bald auf den Straßen, und angesichts eigener Not: "Die Fürsten sollen stempeln gehen." Die Kommunisten bringen einen Volksentscheid auf den Weg – sie wollen den Sieg der Revolution nachholen und propagieren die entschädigungslose Enteignung aller Fürstenhäuser.

Die Forderung ist weit über das linke Lager hinaus populär, doch die Gegner sind stärker: Bürgerliche und rechte Parteien zählen dazu, zahlreiche ihrer Interessensverbände sowie beide Kirchen, die das ganze Ansinnen schlicht "sittenlos" finden. Die Entscheidung fällt am 20. Juni 1926: 14,5 Millionen Wähler votieren für die entschädigungslose Enteignung – doch es reicht nicht, weil es weniger als die Hälfte aller Wahlberechtigten im Reich sind. Aus seinem niederländischen Exil verhöhnt der abgesetzte Kaiser Wilhelm II. seine Gegner: "Also gibt es 14 Millionen Schweinhunde in Deutschland."

Immerhin haben die revolutionären Deutschen 1918 keinem gekrönten Haupt wirklich ein Haar gekrümmt: Die Könige von Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen, die fünf Großherzöge (die als Königliche Hoheiten unmittelbar hinter den Majestäten rangierten) und die vielen kleineren Fürsten – sie wurden zwar politisch entmachtet. Aber erschossen, gehängt oder guillotiniert wurden sie nicht, und das war (allem Leninschem Spott zum Trotz) auch gut so. Und Wilhelm II. und alle anderen Herrscher haben einfach Glück gehabt.