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Politik

Bestürzung nach Aus für Goethe-Institut in Belarus

Roman Goncharenko
1. Juli 2021

Schock für deutsche Kultureinrichtungen: Belarus fordert das Goethe-Institut und den Deutschen Akademischen Austauschdienst auf, ihre Arbeit einzustellen. Die Regierung in Minsk reagiert damit auf EU-Sanktionen.

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Alexander Lukaschenko
Bild: BelTA/dpa/picture-alliance

Damit hat wohl niemand gerechnet. In jeder Zeile der knappen Pressemitteilung, die das Goethe-Institut am Donnerstag verbreitete, spürt man Bestürzung und Ratlosigkeit, aber auch große Vorsicht. "Dies ist ein einmaliger Vorgang für das Goethe-Institut, das seine Arbeit an 157 Instituten in der ganzen Welt frei ausführen kann", sagte der Generalsekretär Johannes Ebert zu der Aufforderung der Regierung in Belarus, die Aktivitäten im Land einzustellen. Er bedauerte diesen "Wunsch" in Minsk und äußerte die Hoffnung, dass das Goethe-Institut seine Arbeit "bald fortsetzen" können werde.

Außerdem sprach Ebert den "Kolleginnen und Kollegen vor Ort" sowie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), den in Belarus das gleiche Schicksal ereilte, seine Solidarität aus. Der DAAD äußerte sich in einer Pressemitteilung ähnlich.

Bundestagsabgeordnete kritisieren Minsk

Die Nachricht über die Schließung von zwei deutschen Kultureinrichtungen in Belarus kam am Mittwochabend. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bedauerte die Entscheidung. "Dieser Schritt wird dazu beitragen, Belarus international weiter zu isolieren", hieß es aus Berlin. "Offensichtlich steht Lukaschenko mit seiner Politik mit dem Rücken an der Wand", sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt der DW. "Die Menschen begehren gegen dieses Regime auf und er versucht, das Land zu isolieren und damit jede Möglichkeit der Menschen zu unterbinden, sich von außen zu informieren." Der belarussische Machthaber wolle vielleicht nicht, dass Menschen in Belarus die deutsche Sprache lernen und deutsches Fernsehen schauen, so Hardt. Die Vorstellung, man könne damit ein Regime aufrechterhalten, sei "absurd".

Weißrussland Minsk Goethe-Institut
Das Goethe-Institut in MinskBild: Wiktoryja Charytonawa/Goethe-Institut

Der Bundestagsabgeordnete Erhard Grundl von den Grünen bedauerte die Entscheidung in Minsk: "Gerade in Zeiten wie diesen wäre die Softpower der auswärtigen Kulturpolitik von großer Bedeutung." Als "Stimme der Freiheit" erfülle das Goethe-Institut einen wichtigen Zweck.

Reaktion auf EU-Sanktionen

Mit dem Vorgehen gegen deutsche Kultureinrichtungen reagierte Belarus auf neue Sanktionen der Europäischen Union. Anlass für die jüngste Entscheidung Brüssels war die Ende Mai erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine und die Verhaftung eines oppositionellen Bloggers an Bord. Minsk reagierte mit einer Reihe von Gegenmaßnahmen, darunter dem Austritt aus dem EU-Programm "Östliche Partnerschaft" für ehemalige Sowjetrepubliken. 

Die Schließung trifft beide Institutionen und ihre Kunden unterschiedlich hart. Der DAAD unterhält seit 2003 ein Informationszentrum in Minsk und berät über Studien- und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland. Laut Pressemitteilung sind von der Schließung sechs Lektorinnen und Lektoren betroffen, die derzeit an belarussischen Hochschulen tätig sind und nun ausreisen müssen.

Literatur-Brücke zwischen Minsk und Hongkong

Das Goethe-Institut dagegen ist seit 1993 in Belarus aktiv, unterhält eine Bibliothek in Minsk, einen Lesesaal in Witebsk sowie einen "Medienbus", um Bürger landesweit mit deutschsprachigen Medien und Landesinformationen zu versorgen. Das Goethe-Institut hat in Belarus Dutzende Mitarbeiter, die meisten davon Einheimische. Besonders beliebt sind Deutschkurse, aber auch Kulturveranstaltungen - Vorträge, Lesungen und Filmvorführungen. Wegen der Coronaviruspandemie wurden diese Veranstaltungen online abgehalten.

In einer aktuellen Zoom-Reihe "Literatur in schwierigen Zeiten" zum Beispiel diskutieren Schriftsteller und Dichter aus Belarus und Hongkong über "ihren kreativen Prozess in Zeiten der Unsicherheit". In beiden Städten gibt es oppositionelle Proteste. Ein angekündigter Teilnehmer der Reihe ist der belarussische Schriftsteller Viktor Martinowitsch, der mit seinem Buch "Revolution" bei Oppositionellen sehr beliebt ist. 

Noch ist unklar, wie schnell die beiden Kultureinrichtungen schließen werden und wie es danach weitergeht. Denkbar ist, dass Vertretungen in den Nachbarländern Russland und der Ukraine die Betreuung von Belarus übernehmen können. Eine Sprecherin des Goethe-Instituts teilte auf DW-Anfrage mit, "digitale Sprachkursangebote stehen allen Interessierten weltweit offen, unabhängig von ihrem Standort".