1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deshalb legen die Bauern Deutschlands Verkehr lahm

8. Januar 2024

Traktor-Demonstrationen und blockierte Straßen: Die Proteste der deutschen Bauern richten sich vor allem gegen die geplanten Kürzungen der Regierung beim Steuernachlass für Diesel. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

https://p.dw.com/p/4aykC
Eine Reihe Traktoren stehen auf der Grünfläche neben einer Straße, zwei Menschen gehen davor her
Einmal auf der Autobahn spazieren: Landwirte blockieren am Montag die Zufahrt zur Autobahn A8 Bild: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

Am 8. Januar startete die Protestwoche der deutschen Landwirte - mit gravierenden Auswirkungen auf den Verkehr. Im ganzen Bundesgebiet haben die Bauern Autobahnzufahrten blockiert und mit langsamen Treckerkolonnen auch Innenstädte lahmgelegt.

An vielen Orten begann die Blockade bereits am frühen Morgen. In der Hauptstadt Berlin versammelten sich hunderte Landwirte mit ihren Traktoren für eine zentrale Kundgebung am Brandenburger Tor. In anderen Bundesländern wie Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen kam es laut Polizei stellenweise zu "massiven Verkehrsbehinderungen". Auffahrten wurden blockiert, Straßen konnten nur einspurig befahren werden. Die Proteste mündeten am 15. Januar in einer Großkundgebung in Berlin.

Diesel und Co: Worum geht es bei den Protesten?

Die Landwirte protestieren gegen die Sparpolitik der Bundesregierung. Diese wurden nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig. Ursprünglich sah der Plan vor, die existierenden Steuervorteile für Diesel und die Befreiung von der KFZ-Steuer für land- und fortwirtschaftliche Fahrzeuge auf einen Schlag zu streichen. Damit hätte die Bundesregierung knapp eine Milliarde Euro Mehreinnahmen verzeichnen können.

Bauern blockieren bundesweit Straßen

Dagegen protestierten die Landwirte bereits im Dezember und die Bundesregierungen nahm die Kürzungen der Vergünstigungen teilweise wieder zurück. Aktuell sehen die Pläne vor, dass der Steuernachlass beim Diesel schrittweise innerhalb von drei Jahren abgebaut werden soll. Ab 2027 gäbe es dann keine Dieselbeihilfe mehr. Laut Bundesagrarministerium müsste ein durchschnittlich großer Betrieb für das Jahr 2024 dann mit etwa 1000 Euro Mehrausgaben für Diesel rechnen. Die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer soll dauerhaft weiter gelten.

Bauernpräsident Joachim Rukwied gehen die Zugeständnisse trotzdem nicht weit genug. "Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten", sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. "Das ist inakzeptabel. Das muss zurückgenommen werden."

Wie geht es den Bauern wirklich?

Die kurze Antwort: eigentlich gut. Das Branchenblatt "agrarheute" spricht sogar von "Rekordgewinnen" im Wirtschaftsjahr 2022/23. Auch der Deutsche Bauernverband erklärt, die Betriebsergebnisse seien auf einem Allzeithoch: "Nach vielen schwachen Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation der Betriebe in den letzten beiden Jahren erheblich verbessert", heißt es im jährlichen Bericht des Lobbyverbandes. Haupterwerbsbetriebe - also solche, die für die Inhaber die wichtigste Verdienstquelle sind - erzielten demnach ein Unternehmensergebnis von 115.400 Euro je Betrieb. Das ist ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Bauern profitierten vor allem von den hohen Preissteigerungen für Nahrungsmittel.

Der Schädel eines toten Rindes ist bei einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung an einem Traktor angebracht. Auf dem Schild steht: "Gibt es keine Bauern mehr, bleiben Eure Teller leer".
Markige Sprüche gegen Subventionsabbau in der LandwirtschaftBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Der Präsident des Bauernverbands Rukwied blickt dennoch skeptisch in die Zukunft - und geht laut "Tagesspiegel" von künftig sinkenden Erlösen aus. So sei etwa der Milchpreis pro Liter von dem Höchstwert 60 Cent wieder auf 40 Cent gefallen. Auf der anderen Seite würden Lohnkosten weiter steigen. Auch eine andere Beobachtung spricht nicht dafür, dass die Landwirtschaft in Deutschland ein besonders attraktives Geschäft ist: Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ab.

Achtung Trittbrettfahrer: Wer geht auf die Straße ?

Nicht nur wegen des lahmgelegten Verkehrs blicken viele skeptisch auf die anstehende Woche. Denn unter die Proteste der Landwirte könnten sich auch Extremisten mischen, so die Sorge von Politikern und Bundeskriminalamt. Rechte Parteien und Gruppierungen aus der Querdenker-Szene haben bereits zur Teilnahme aufgefordert. Die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Bundesland Thüringen rief zu einem "Generalstreik" gegen die "Wohlstandsvernichter" in der Bundesregierung auf. Auch die rechtsextremistische Kleinpartei "Der III. Weg" und die rechte Initiative "Ein Prozent" sollen an Aufrufen beteiligt sein.

Thüringen: Eine Traktorenkolonne auf einer Landstraße begleitet von Polizeiautos
In Thüringen versucht die AfD, die Proteste für ihre Zwecke zu missbrauchen Bild: Bodo Schackow/dpa/picture alliance

Ein wütender Mob hatte vergangene Woche den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck und weitere Passagiere am Verlassen einer Nordsee-Fähre gehindert. Zuvor hatten Rechtsextreme Stimmung gegen den Grünen-Politiker gemacht.

Reaktionen auf Bauernprotest

Der Bauernverband distanzierte sich ausdrücklich davon: "Rechtsextreme Gruppierungen, Verschwörungstheoretiker und andere Radikale haben bei uns keinen Platz", hieß es in einem Statement, das unter anderem über Instagram verbreitet wurde. Im Gespräch mit der "Bild am Sonntag" sagte Bauernpräsident Rukwied: "Wir sind Demokraten und da findet ein politischer Wechsel - wenn, dann über die Stimmabgabe in der Wahlkabine - statt".

Der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent fordert im Gespräch mit dem Deutschlandfunk angesichts dieser Gefahr noch mehr Distanzierung. Die Bauern sollten sich seiner Meinung nach nicht nur verbal abgrenzen, sondern auch bei den Demonstrationen mit Plakaten oder Regenbogensymbolen ein Zeichen setzen.

(mit Agenturen)

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft