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Rittner: "Adria-Tour arrogant und ignorant"

23. Juni 2020

Corona-Hotspot Adria Tour: Nach drei positiven Fällen wird auch bei Initiator Novak Djokovic das Virus festgestellt. Die deutsche Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner geht im DW-Interview hart mit Djokovic ins Gericht.

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Barbara Rittner, deutsche Tennisspielerin
Bild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto/Weber

DW: Novak Djokovic veranstaltet unter höchst umstrittenen Umständen die Adria-Tour mit nun bekanntem Ergebnis. Halten Sie die Tour an sich oder lediglich die Durchführung und den völlig sorglosen Umgang mit Regeln für das eigentliche Problem?

Barbara Rittner: Generell finde ich es immer positiv, wenn neue Touren entstehen. Wir haben die DTB-Turnierserie entstehen lassen, Patrick Mouratoglou hat eine Serie gemacht. Es gibt in Italien, Frankreich und vielerorts eigene, nationale Serien, bei denen gespielt wird. Aber eben überall unter Einhaltung von Hygienebedingungen. Es ist klar, dass immer und überall jemand angesteckt und positiv getestet werden kann, das liegt in der Natur der Sache. Aber man kann es eben auch geradezu arrogant und ignorant herausfordern, indem man Situationen schafft, für die ich kein Verständnis habe.

Was ist aus Ihrer Sicht der Hauptkritikpunkt an der Adria-Tour?

Auch wenn es gute Freunde und Bekannte sind, die man einfach gerne in den Arm nimmt, kann man sich nicht so begrüßen und körperliche Nähe herstellen. Dann werden noch Autogramme unter Hunderten von Zuschauern und Ballkindern gegeben und es wird in der Disco mit freiem Oberkörper Schulter an Schulter getanzt. Das sind alles Dinge, die eine Ansteckung provozieren. Für mich ist es da nur eine logische Konsequenz, dass nun auch Novak Djokovic positiv getestet wurde. Ich wünsche natürlich allen gute Besserung. Die Adria-Tour an sich ist ja ein super Idee, aber warum führt man diese nicht unter bestimmten Hygienebedingungen durch? Das hätte ich mir gewünscht und ich finde es einfach schade, dass man das so ignorant angegangen ist.

Erwarten Sie von Djokovic öffentliche Reue?

Es geht doch gar nicht um öffentliche Reue, dafür ist es zu spät. Es geht einfach um die Einsicht und darum einzugestehen: 'Das war falsch.' Dieser Trotz, zu sagen: 'Wieso? Wir halten uns an die Regeln, die an dem Ort eben so geschaffen sind' - das reicht nicht. Ich kann ja nicht meinen eigenen Verstand ausschalten und mich nicht an vorgegebene Regeln halten, sondern jeder Mensch hat eine Eigenverantwortung. Eigenverantwortung. Novak Djokovic hat als Nummer eins der Welt und Spielersprecher ja auch noch eine zusätzliche Vorbildfunktion, der er mitnichten nachgekommen ist. Ich finde es wie gesagt arrogant und ignorant, wenn sich große Teile vom Rest der Welt darum bemühen, durch Abstandsregeln das Virus so gut es eben geht unter Kontrolle zu halten.

Tennis Adria - Tour Dominic Thiem Novak Djokovic
Kein Mundschutz, kein Abstand: Novak Djokovic zeigte sich bei der Adria Tour nicht gerade als VorbildBild: Getty Images/A. Isakovic

Inwiefern könnte das Adria-Tour-Desaster den aktuellen Zeitplan der Tennis-Tour (inkl. US-Open) aus Ihrer Sicht gefährden?

Ich glaube, dass Novak Djokovic dem Tennis damit einen Bärendienst erwiesen hat, weil durch die nun schon positiv getesteten Spieler - vielleicht kommen noch mehr dazu - auch die in Zukunft geplanten Turniere in Gefahr kommen könnten. Denn die positiv getesteten Spielern müssen dann ja immer jeweils in Quarantäne und wieder getestet werden, bis das Ergebnis negativ ist. Das kostet alles Zeit. Ich dachte, wir wären bereits auf einem guten Weg. Aber grundsätzlich kann so etwas natürlich immer passieren. Man kann versuchen, das Risiko so weit es geht zu minimieren, oder man geht eben ins Risiko und sagt: Es wird schon nichts passieren. Das finde ich eben blauäugig und unfair und das kann am Ende natürlich auch Konsequenzen hinsichtlich der Planung von WTA und ATP haben. 

Wie beurteilen Sie die Situation in Bezug auf die Turniere, die im Juli in Berlin anstehen und an deren Umsetzung Sie als Turnierdirektorin der "Bett1Open", dieses Jahr "Bett1Aces", ja maßgeblich beteiligt sind?

Wenn wir Mitte Juli die "Bett1Aces" spielen, wird es ein striktes Hygienekonzept geben, das wir mit dem Berliner Senat abstimmen. Wir werden auf der Anlage von Rot-Weiß Berlin etwa 1.000 Zuschauer haben und im Tempelhof Hangar etwa 300. Es wird darauf ankommen, alle Vorschriften genau zu beachten und dass die Teilnehmer vorher getestet werden. Das ist eine der Auflagen für diese Events. Wir werden sehr respektvoll mit der Situation und den Vorschriften umgehen und so alles dafür tun, weitere Ansteckungen zu verhindern.

Inwiefern könnten die aktuellen Entwicklungen die beiden Tennis-Show-Events in Berlin beeinflussen oder gar gefährden?

Das kann ich in der aktuellen Situation nur schwer beurteilen. Aber fest steht: Wir haben mit Dominic Thiem und Alexander Zverev zwei Adria-Tour-Teilnehmer bei den Herren dabei, die aber zum Glück negativ getestet sind, sonst wären die Voraussetzungen jetzt natürlich andere. Aber natürlich kann auch uns völlig unabhängig von der Adria-Tour jederzeit eine Nachricht ereilen, dass ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin positiv getestet ist und nicht mitspielen kann. Wir können nur darauf achten, dass die strengen Vorgaben so korrekt wie möglich eingehalten werden und so dafür sorgen, dass die weitere Saisonplanung nicht gefährdet wird.

Barbara Rittner (47 Jahre) ist seit 2009 erste Bundestrainerin der Frauen im Deutschen Tennis Bund (DTB). Von 2005 - 2017 war die in Krefeld geborene ehemalige Profi-Spielerin Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams. Rittner ist bis heute auf der Tennis-Tour unterwegs und arbeitet neben ihrer Tätigkeit als Trainerin und Betreuerin auch als TV-Expertin und Kommentatorin für "Eurosport” bei den Australian-, French- und US-Open.

Das Interview führte David Vorholt.

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion