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DW-Exklusiv-Recherche empört Bangladesch

25. Mai 2024

Die Regierung in Dhaka kritisiert die DW für eine Recherche über Soldaten, die in Folter verwickelt sind und trotzdem auf UN-Missionen gehen. Regierungsnahe Medien hatten DW-Mitarbeiter persönlich angegriffen.

https://p.dw.com/p/4gHRR
Blauhelm-Soldaten auf einem UN-Wachturm.
UN Mission im Visier: Soldaten in Bangladesch bereiten sich auf ihren Auslandseinsatz vorBild: DW

Fünf Tage nach Veröffentlichung hat die Militärführung in Bangladesch scharf auf eine Investigativ-Recherche von DW, "Netra News" und "Süddeutscher Zeitung" reagiert. In einer offiziellen Erwiderungnannte das Verteidungsministerium in Dhaka die DW-Dokumentation "falsch und irreführend". Die DW zeichne ein "irreführendes Bild des Personals der Armee von Bangladesch auf Friedenmissionen der UN", schrieb das Ministerium.

Am Dienstag hatten die DW, "Netra News" und die "Süddeutsche Zeitung" gemeinsam aufgezeigt, dass Soldaten einer Eliteeinheit des Innenministeriums auf UN-Friedensmissionen geschickt werden, die für Folter, Tötungen und Entführungen verantwortlich sind. Die drei Medien konnten mehr als 100 Soldaten des Rapid Action Batallion identifizieren, davon 40 in den vergangenen fünf Jahren.

Das Verteidigungsministerium verschickte seine Mitteilung an die DW sowie mehrere Medien in Bangladesch. Neben fehlerhafter Berichterstattung wirft das Ministerium der DW fälschlicherweise auch vor, die Behörden nicht mit den Vorwürfen konfrontiert zu haben. Vor Erscheinen des Artikels haben die drei Medien einen Fragenkatalog an das Innenministerium, dem das Rapid Action Batallion untersteht, sowie an das Büro der Premierministerin geschickt, die gleichzeitig auch Verteidigungsministerin ist. Eine Antwort bekamen die Journalisten nicht.

Persönliche Attacken auf Journalisten

Stattdessen begannen regierungsnahe Medien und Social Media Accounts kurz nach der Veröffentlichung mit teils persönlichen Attacken gegen die Autoren, insbesondere gegen den DW-Journalisten Arafatul Islam und Netra-News-Chefredakteur Tasneem Khalil, die beide aus Bangladesch stammen.

UN-Blauhelme laufen mit angelegter Waffe über ein Feld
Szene aus der Doku: UN-Soldaten aus Bangladesch auf MissionBild: DW

Posts auf X (ehemals Twitter) und Facebook publizierten Fotos der beiden zusammen mit dem Vorwurf einer "Verschwörung zur Verleumdung" der Soldaten und der Armee. Die Deutsche Welle versuche, "die Armee durch fabrizierte Geschichten in Verruf zu bringen". In einem anderen Post wurde ein Familienmitglied Islams angegriffen.

Andere Stimmen aus Bangladesch reagierten positiv auf die Veröffentlichung. Aus Angst vor Repressalien vermeiden Medien in Bangladesch häufig eine kritische Berichterstattung über die Armee. Auf der Rangliste der Pressefreiheitvon Reporter ohne Grenzen nimmt das Land derzeit Rang 165 von 180 ein. "Ich denke das ist eine wirkmächtige Dokumentation, die auf Fakten basiert und die Vorwürfe von Opfern außergerichtlicher Tötungen und Verschwindenlassen erhärtet", sagt ein bekannter Anwalt in Dhaka, der anonym bleiben möchte. "Ich hoffe, dass die Vereinten Nationen und Politiker und Regierungen die grausamen Fakten, die diese Doku zutage fördert, zur Kenntnis nehmen."

Blick auf ein UN-Gelände in Bangladesch
Hier trainieren Soldaten aus Bangladesch für den UN-EinsatzBild: DW

Zahed Ur Rahman, ein Kolumnist und politischer Kommentator, fordert gegenüber der DW, dass "die Regierung die Urheber (der Verleumdungskampagnen gegen die Journalisten) finden und juristisch gegen sie vorgehen" müsse. Und Ali Riaz, Professor und Bangladesch-Experte an der State University of Illinois sagt: "Ein Dementi der Regierung von Bangladesch genügt nicht, um dieses Problem anzugehen. Stattdessen sollten die Vereinten Nationen proaktiv reagieren."

Blauhelmmissionen sind wichtige Einnahmequelle

Friedensmissionen der UN sind für die Armee von Bangladesch eine heikle Frage, denn sowohl die Soldaten als auch der Staat bekommen für die Missionen finanzielle Zuwendungen. Laut Regierungsangaben hat Bangladesch in den vergangenen 23 Jahren mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar für Friedenseinsätze erhalten.

Am Mittwoch (22.05.2024) hatte ein Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf eine Frage zu der Dokumentation geantwortet, die UN hätten sich "verpflichtet, Personal auf Missionen zu entsenden, das die höchsten Standards in Bezug auf Effizienz und Integrität erfüllt, einschließlich der Achtung und des Engagements für die Menschenrechte."

Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums forderte die Vereinten Nationen auf, den Vorwürfen nachzugehen. Diese hätten in der Vergangenheit "immer sehr rasch reagiert, Untersuchungen eingeleitet, die Sachen aufgearbeitet", sagte er. "Das muss aufgeklärt werden und wir haben jetzt kein Anlass zur Annahme, dass es in diesem Fall anders laufen wird."

DW Autorenbild Mathias Bölinger / Leiter Investigation
Mathias Bölinger DW-Reporter und Leiter Investigation, zuvor Korrespondent in Kyjiw und Pekingmare_porter