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KonflikteJemen

Angriffe im Roten Meer: Wer sind die Huthis?

12. Januar 2024

Eine internationale Marinekoalition unter Führung der USA reagiert auf die wochenlangen Angriffe jemenitischer Rebellen auf die Schifffahrt im Roten Meer. Wofür stehen die Huthis und was wollen sie erreichen?

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Kämpfer der Houthis während einer pro-palästinensischen Solidaritätskundgebung in Sanaa, November 2023
Kämpfer der Huthis während einer pro-palästinensischen Solidaritätskundgebung in Sanaa, November 2023Bild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Seit Wochen greifen jemenitische Huthi-Milizen, eine vom Iran gestützte Rebellengruppe, Schiffe im Roten Meer an. Darauf reagierte die von den USA geführte Marinekoalition "Operation Prosperity Guardian", der auch Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Spanien, die Seychellen sowie Großbritannien angehören, am Freitag mit der Bombardierung von mehr als einem Dutzend von den Huthis kontrollierten Standorten, insbesondere in und nahe der jemenitischen Hauptstadt Sanaa.

Die Lage eskaliert damit deutlich. Mit ihren wochenlangen Angriffen demonstrieren die Rebellen ihre Unterstützung für die palästinensische Sache und die radikal-islamistische Hamas im Gazastreifen. Sie kündigten an, weiterhin jedes Schiff auf dem Weg nach Israel anzugreifen, bis die israelischen Verteidigungskräfte die Blockade des Gazastreifens aufheben und die Lieferung von Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern ermöglichen.

Kurz nach den Angriffen unter Führung der USA und Großbritanniens schworen die Huthis ihrerseits Vergeltung. "Die Schlacht wird sich weit über die Vorstellungskraft und Erwartungen der Amerikaner und Briten hinaus ausweiten", zitiert die Nachrichtenagentur AP Ali al-Kahum, einen hochrangigen Huthi-Funktionär.

Herkunft und Identität 

Die Huthis gehören zu einem Stammesverband aus einem bergigen, an Saudi-Arabien grenzenden Gebiet im Norden des Jemen. Konfessionell zählt dieser sich zu den Zaiditen, einer Rechtsschule innerhalb des schiitischen Islams. Anders als viele andere Schiiten glauben die Zaiditen nicht an die Rückkehr eines verborgenen Imams, des so genannten Mahdi. Die Zugehörigkeit der Huthis zum schiitischen Islam ist aber eine wichtige Grundlage für ihre guten Verbindungen zum Iran, der sich als Vormacht und Interessenvertreter der Schiiten in der Region versteht.

Huthi-Rebellen fahren während einer Versammlung auf einem Pickup mit darauf montierter Waffe
Machtdemonstration: Huthi-Rebellen auf einem PickupBild: Hani Mohammed/dpa/AP/picture alliance

Im Jemen stellen die Zaiditen ein gutes Drittel der gesamten Bevölkerung. Die Entstehungsgeschichte der Huthi-Bewegung als politische und dann auch militärische Gruppierung aus den Reihen der Zaiditen reicht bis in die 1990er Jahre zurück. Ihre Vorgängerorganisation wurde 1994 von Hussein Badreddin al-Huthi gegründet, einem ehemaligen jemenitischen Abgeordneten, der sich gegen die Politik des damaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh wandte. 

Die Huthis und der Bürgerkrieg

Immer lauter warfen die Huthis seit dem sogenannten Arabischen Frühling 2011 der jeminitischen Zentralregierung in Sanaa vor, die Zaiditen zu marginalisieren und deren Rechte zu unterdrücken. Zugleich unterstellten sie der Regierung eine übergroße Nähe zu Israel und den USA. Unter Berufung auf diese Vorwürfe erhoben sich die Huthis 2014 gegen die Regierung des damaligen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Dieser konnte sich nur dank einer von Saudi-Arabien angeführten internationalen Militärallianz im Amt halten. Die Allianz kämpft seit 2015 gegen die Huthis - letztlich ohne Erfolg.

Die von Saudi-Arabien gestützte Regierung kontrolliert den Süden des Landes, die Huthis dagegen den Norden. Sie werden dabei vom Iran unterstützt. Darum gilt der jemenitische Bürgerkrieg auch als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran. Die Huthis verfügen über Panzer, Fahrzeuge, Lenkflugkörper und Raketen, die sie laut eigenen Angaben vor allem aus Beständen der regulären jemenitischen Armee erobert haben.

Huthi-Kämpfer entführen das Frachtschiff "Galaxy Leader", November 2023
Angriff im Roten Meer: Huthi-Kämpfer entführen das Frachtschiff "Galaxy Leader", November 2023Bild: Houthi Media Center/AP/picture allaince

Der Krieg im Jemen hat den Vereinten Nationen zufolge zu einer der schlimmsten humanitären Krisen weltweit geführt. Im April 2022 handelten die Konfliktparteien einen sechsmonatigen Waffenstillstand aus. Obwohl dieser längst abgelaufen ist und sich die Kriegsparteien auf keine Verlängerung einigen konnten, schweigen seitdem überwiegend die Waffen.

Radikale anti-israelische Ideologie

Der ideologische Kurs der Huthis lässt sich bereits aus ihrem Wahlspruch ableiten: "Gott ist der Größte, Tod für Amerika, Tod für Israel, Fluch den Juden, Sieg für den Islam." In ihrem Herrschaftsgebiet im Norden des Jemen haben sie eine strenge islamistische Ordnung etabliert. Die religiöse Militanz verbinden sie mit einem straffen antiwestlichen und antiisraelischen Kurs. Auch der Name, den die Huthis  selbst für sich benutzen - "Ansar Allah" (Gottes Helfer, Gottes Unterstützer) - spiegelt diesen Geist.

Nicht erst seit der jemenitischen Wiedervereinigung im Jahr 1990 haben sich die jemenitischen Regierungen in der Regel klar pro-palästinensisch positioniert, wie die meisten arabischen Regierungen. Diese Grundhaltung haben die Huthis jedoch noch einmal deutlich radikalisiert. Damit treffen sie auch auf viele Sympathien in der Bevölkerung.

Enges Verhältnis zum Iran

Die Huthis gelten als enge Verbündete der iranischen Regierung. Sie selbst sehen sich als Teil einer sogenannten "Achse des Widerstands" gegen Israel und die USA, der auch die libanesische Hisbollah, verschiedene irakische Milizen und das syrische Regime zugerechnet werden, erläutert der Politologe Hamidreza Azizi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit der DW. Jedoch unterschieden sich die Huthis von anderen Partnern Irans. Zum einen seien sie weniger stark von Teheran abhängig als etwa die libanesische Hisbollah, zum anderen unterstünden sie nicht direkt dem iranischen Kommando- und Kontrollsystem, meint Azizi.

Einwandfrei belegen lässt sich dies allerdings nicht. Denn in welchem Maß Iran die Huthis unterstützt und diese umgekehrt Vorgaben aus Teheran befolgen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Dass Iran bei den jüngsten Angriffen der Huthis auf Schiffe im Roten Meer eine größere Rolle gespielt hat, sei allerdings zweifelhaft, meint Fabian Hinz, Spezialist für Verteidigungs- und Militäranalysen am Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS), im Interview mit der DW.

Innenpolitische Motive

Für den Krieg im Gazastreifen machen die Huthis allein Israel verantwortlich - ungeachtet des blutigen Angriffs der in Deutschland, der EU, den USA und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober mit rund 1200 Todesopfern. Die Angriffe auf Schiffe wie auch die von ihnen bisher in Richtung Israel abgefeuerten Raketen sehen die Huthis als "Vergeltung" für die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen.

Die Attacken der Huthis stellen nach Ansicht vieler Experten bisher keine ernsthafte militärische Gefahr für Israel dar - sie wurden bislang auch alle abgefangen. Vielmehr seien sie eine Art innenpolitischer Botschaft der Huthis, meint Farea Al-Muslimi, Forschungsstipendiat für den Nahen Osten und Nordafrika bei Chatham House, einer in London ansässigen Denkfabrik. Im Gespräch mit der DW betonte er: "Dieser Krieg ist eine einmalige Gelegenheit für die Huthi-Gruppe, ihrer lokalen Bevölkerung ihre pro-palästinensische, anti-israelische und anti-amerikanische Position zu demonstrieren." Israel werde dadurch aber "wahrscheinlich nicht mit einer substanziellen neuen Kriegsfront konfrontiert".

Blick auf das US-amerikanische Kriegsschiff "USS Carney"
Präsenz der US-Marine im Roten Meer: Blick auf den Zerstörer "USS Carney", eine Aufnahme von 2019Bild: .S. Navy photo/abaca/picture alliance

Für die internationale Schifffahrt sieht es jedoch anders aus. Die Verbindung zwischen dem Golf von Aden und dem Roten Meer ist eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten weltweit. Etwa zwölf Prozent des globalen Schiffverkehrs verläuft über diese Strecke. Um den Suezkanal zu erreichen, die kürzeste Route zwischen Europa und Asien, müssen die Schiffe die jemenitische Küste passieren. Wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen haben mehrere große internationale Reedereien angekündigt, ihre Schiffe nicht mehr durch die Meerenge Bab al-Mandab zu lenken. Stattdessen sollen die Schiffe um den afrikanischen Kontinent herum über das Kap der Guten Hoffnung geleitet werden. Für ein Schiff auf dem Weg von Singapur nach Europa bedeutet das gut 3.500 zusätzliche Seemeilen (6.482 Kilometer).

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 20. Dezember 2023 auf Deutsch veröffentlicht und am 12. Januar 2024 aktualisiert.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika