Afrofuturismus in Hollywood: Kostüme von Ruth E. Carter
9. April 2021Es ist das bisher kommerziell erfolgreichste amerikanische afrofuturistische Werk: der Marvel-Blockbuster "Black Panther" war 2019 in sieben Kategorien für einen Oscar nominiert, gewann letztlich drei Oscars, darunter Bester Film und Bestes Kostüm.
Verantwortlich für die modischen Entwürfe zeichnete Ruth E. Carter. Eigentlich hatte die am 10. April 1960 in Springfield, Massachusetts geborene Designerin eine ganz andere Karriere geplant: Sie wollte Schauspielerin werden. Aber als sie an der Hampton University in der Kostümabteilung der studentischen Theatergruppe aushalf, fand sie eine neue Berufung. Nach ihrem Universitätsabschluss absolvierte sie eine Ausbildung als Kostümdesignerin bei der Oper in Santa Fe in New Mexiko und zog im Anschluss in die Filmmetropole Los Angeles. Seit mehr als vierzig Jahren entwirft Ruth E. Carter inzwischen Kostüme für amerikanische Indepentendfilme und Hollywoodblockbuster. Die 61-Jährige hat mit Stephen Spielberg, Denzel Washington und Samuel L. Jackson zusammengearbeitet und einen Oscar gewonnen - und zwar für ihre bahnbrechenden Kostüme im Marvel-Blockbuster "Black Panther" (2018).
Mode vermittelt ein neues Afrikabild
Der Marvel-Welterfolg "Black Panther" lebt auch von der Ausstaffierung der Protagonisten, deren Gewänder bis September 2021 in einer Ausstellung im SCAD Museum Fashion + Film in Atlanta (USA) zu sehen sind. Entstanden nach monatelangen Recherchen über afrikanische Mode und mit neuer 3D-Technik erfand Carter einen eigenen Stil: bunt, majestätisch, technologisch fortschrittlich. Carter entwarf zielgerichtet afrofuturistische Kostüme. Für sie, so formuliert sie es im Ausstellungskatalog, bedeute Afrofuturismus: "Technologie mit Vorstellungskraft und Selbstausdruck zu vereinen, um eine Philosophie für schwarze Amerikaner, Afrikaner und indigene Menschen voranzubringen, die es ihnen erlaubt, zu glauben und zu kreieren ganz ohne die Schranken von Sklaverei und Kolonialismus."
Diese utopistische Strömung im Afrofuturismus sei noch relativ jung, erklärt Natalie Zacek, Dozentin für US-amerikanische Geschichte und Kultur an der University of Manchester, im DW-Interview. Es gebe viele verschiedene Definitionen vom Afrofuturismus, das Phänomen existiere schon schon seit 25 Jahren. Es vermittele ein neues Bild von afrikanischer Geschichte: "Gerade in letzter Zeit geht es im Afrofuturismus oft darum, sich eine Welt vorzustellen, in der es keinen transatlantischen Sklavenhandel, keine europäische Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents gegeben hat. Was wäre dann aus den afrikanischen Kulturen und Gesellschaften geworden, fragen sich die Künstler", so Zacek.
Afrofuturismus aus Afrika sieht anders aus
Dabei fallen die Zukunftsvisionen aus den Vereinigten Staaten anders aus als die vom afrikanischen Kontinent. Schon seit Jahrzehnten schreiben afrikanische Autorinnen und Autoren Science Fiction, die meist ganz klassisch im Weltraum oder in der futuristischen Großstadt angesiedelt ist. In den letzten Jahren kam auch das Thema der Klimakrise hinzu. Die "African Speculative Fiction Society" verleiht regelmäßig die Nommo Awards für den besten Roman, die beste Novelle, die beste Kurzgeschichte, das beste Graphic Novel in diesem Genre. "Für Künstlerinnen und Künstler in den USA und Großbritannien steht durch den Sklavenhandel die Erfahrung der Diaspora im Vordergrund", erklärt Natalie Zacek. Afrika sei als Ort der Vorfahren ein beinahe mythisch aufgeladener Ort in der Vergangenheit. Das sei anders für afrikanische Künstlerinnen und Künstler, die zum Beispiel in Ghana oder Nigeria lebten. "Dort stehen in der Science Fiction vor allen drei Dinge im Vordergrund: die Stadt, der Weltraum und die Zukunft."
Auch afrikanische Filmemacher wagen sich an die Science Fiction, so wie Dilman Dila oder Jean-Pierre Bekolo. Von den Budgets einer Hollywoodproduktion können sie oft nur träumen. "Die einzige Filmförderung, die ein afrikanischer Filmemacher bekommen kann, kommt aus Europa, und europäische Produzenten wählen in der Regel Stoffe aus, von denen sie glauben, dass sie bei Filmfestivals gut ankommen werden, die sich also mit vermeintlich afrikanischen Themen wie AIDS, Genozid, der Klimakrise und Hungersnöten beschäften", schrieb Autor und Filmemacher Dilman Dila 2017 im internationalen Science Fiction- und Fantasy-Magazin "Mithila Review", als sein Science Fiction-Film "Her Broken Shadow" erschien, der ästhetisch eher an "Blade Runner" erinnert als an "Black Panther". Kommerzielle, gar unterhaltende Stoffe hätten es schwer, an die Finanzierung aufwendiger Special Effects sei nicht zu denken, so Dila.
Carter will neuen Blick auf Afrika ermöglichen
Anders in Hollywood: Der US-amerikanische Film "Black Panther" präsentiert eine Utopie, die vor Unterhaltungswert, Special Effects und visuell beeindruckenden Kostümen nur so strotzt. Der Film spielt im fiktiven Wakanda, einer afrikanischen Nation, die technologisch wesentlich weiter fortgeschritten ist als jeder andere Staat auf der Welt, weil sie nie Sklaverei und Kolonialismus erfahren habe, und die dabei sehr gut aussehe. "Das ist es, was Black Panther so anziehend macht", sagt Zacek.
Das spiegelten auch Carters Kostüme, in denen Zacek vor allen Dingen Einflüsse aus Süd- und Westafrika wiedererkennt. Die Kostüme kombinierten afrikanische Modetraditionen mit hypermoderner Technologie, so Zacek. Man müsse nicht einmal den Film gesehen haben, schon allein aus der Kombination von Technologie und afrikanisch-anmutender Mode entstehe eine afrofuturistische Botschaft, erklärt sie.
Im Gegensatz zu den Filmen afrikanischer Regisseure wie Dilman Dila oder Jean-Pierre Bekolo entwickelte sich "Black Panther" mit Ruth E. Carters Kostümdesign zu einem Welterfolg - und bewies so immerhin Hollywood, dass ein Film, in dem kaum weiße Schauspieler auftreten, die Kinokassen klingeln lassen kann. Und bescherte Ruth E. Carter als erster Afroamerikanerin den Oscar.
Ein Austausch mit den frankophonen oder afrikanischsprachigen Kulturen Afrikas finde laut Zazek im englischsprachigen Afrofuturismus nicht statt. Auch Ruth E. Carter hat sich in ihrer Karriere als Kostümdesignerin vorwiegend mit der afroamerikanischen Erfahrung beschäftigt, wie die Ausstellung in Atlanta deutlich macht, in der 60 Entwürfe ihrer Kostüme zu sehen sind. Stephen Spielberg beauftragte sie, Kostüme für amerikanische Sklaven und Sklavenhalter im 19. Jahrhundert zu entwerfen. Spike Lee ließ sie einen afroamerikanischen Actionhelden einkleiden, in "Selma" sogar die Bürgerrechtsikone Martin Luther King. Für "Black Panther" hatte sie sich laut Ausstellungskatalog vorgenommen, dem amerikanischen Publikum einen radikalen Perspektivwechsel zu verordnen: "Ich glaube, die Leute werden afrikanische Kunst jetzt ganz anders kontextualisieren und schätzen können. Das ist das, was wir gemacht haben: Wir haben sie geschätzt, wir haben sie neu erdacht, wir haben sie weiterentwickelt und an einen anderen Ort gebracht."