Beginn des Mauerbaus
13. August 2007Ein diesiger Augustmorgen in der Bernauer Straße. Eine Straßenbahn gleitet vorbei und Baulärm mischt sich mit dem Glockengeläut der Versöhnungskapelle. Zwei Touristen mit großen Rucksäcken laufen die Straße hinauf, in der Hand einen Reiseführer. Früher verlief die Mauer mitten durch die Bernauer Straße, heute steht noch ein Stück davon, groß und grau. Die Besucher brauchen nicht viel Phantasie, um sich in die Zeit der Teilung zurückzuversetzen: "Ich habe weiche Knie und kann gar nichts sagen. Ich bin geschockt."
Dicht gedrängt stehen die Touristen auf der Aussichtsplattform der Gedenkstätte und betrachten die Reste der ausgedehnten Grenzanlage von oben. Die Jüngeren sehen die Mauer zum ersten Mal, die Älteren verbinden ein Stück ihrer Biographie damit: "Ich kann mich noch genau an die Bilder erinnern mit dem Soldaten, der in der Zeit des Mauerbaus von Ost nach West über den Stacheldraht sprang. Und immer wieder die Meldungen, dass da jemand erschossen wird. Man konnte sich nicht vorstellen, dass das Landsleute sein sollen, die da aufeinander schießen."
Die 16-jährige Sabrina ist vom Aussichtsturm heruntergeklettert und schaut sich die Ausstellung an - Filme, Fotos und Tondokumente über die Zeit des Mauerbaus. Als die Mauer fiel, war Sabrina noch nicht auf der Welt. Jetzt versucht die Schülerin, sich Berlin als geteilte Stadt vorzustellen. Sie findet es beängstigend, "dass man erschossen wurde, wenn man versucht hat, da drüber zu kommen und dass die Leute nicht leben konnten, wie sie wollten und gezwungen waren dazubleiben".
Wo ist sie geblieben?
Die meisten Touristen wundern sich, dass von der Mauer so wenig übrig geblieben ist und suchen in der Stadt nach Spuren und Resten. Zum Glück, sagt die Historikerin Gabriele Camphausen vom "Verein Berliner Mauer": "Es waren nicht zuletzt die ausländischen Touristen, die mit ihren bohrenden Fragen: 'Wo kann ich denn noch Mauer sehen?' die Berliner und die Bundespolitiker zum Aufwachen gebracht haben." Denn in den 90er-Jahren sei das Interesse seitens der Politik äußerst gering gewesen, irgendetwas für die Auseinandersetzung mit der Mauergeschichte zu tun.
Als die Mauer 1989 geöffnet und wenig später niedergerissen wurde, folgte eine Zeit der Distanz zu diesem schmerzhaften Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nichts sollte die Freude über die wieder gewonnene Einheit trüben. Das ist ein Grund dafür, warum in Berlin nur noch an wenigen Stellen Mauerreste erhalten sind. Vielerorts erinnert nur noch eine Markierung am Boden an den Verlauf der Mauer.
18 Jahre später - neue Perspektiven
Aber nicht nur Beton und Stacheldraht zählen, sondern auch die Wahrnehmung der Mauergeschichte. "Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Fragen stellen sich. Allein schon deswegen, weil die nachwachsenden Generationen nicht mehr direkt persönlich betroffen sind. Die haben bestimmte Befindlichkeiten nicht mehr. Sie stellen Fragen, die unsereins gar nicht in den Sinn kämen oder die für uns vielleicht auch ein bisschen tabuisiert sind", sagt Gabriel Camphausen.
Vielleicht liegt es daran, dass der Berliner Senat gerade erst beschlossen hat, die kleine, aber äußerst beliebte Gedenkstätte an der Bernauer Straße großflächig auszubauen und neu zu gestalten - 46 Jahre nach dem Bau der Mauer - und 18 Jahre nach ihrem Fall.