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"Endlich hier bei uns"

Christoph Strack, Leipzig25. Mai 2016

Der Katholikentag begeht sein Jubiläum im Osten. Und Ost und West lauschen in Leipzig den deutschen Worten von Papst Franziskus. Christoph Strack war bei der Eröffnung des Laientreffens dabei.

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100. Deutscher Katholikentag: Videobotschaft von Papst Franziskus (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

"Es ist wirklich schön, dass die Menschen alle auch mal zu uns in den Osten kommen. Dass der Katholikentag mal hier ist, hier bei uns." Diana Fritzsche-Grimmisch steht im Gedränge der Leipziger Innenstadt. Die junge Frau ist Hörfunk-Journalistin - und nun einfach Sorbin und Katholikin. Die kleine sorbische Minderheit im Osten des deutschen Ostens hielt auch zu DDR-Zeiten zur Kirche.

"Bei uns sind alle katholisch oder evangelisch." So fühlt sich Diana in ihrer Tracht als Mitt-Gastgeberin, wo doch der Katholikentag an diesem Abend in ihr Bistum kommt. Während Diana wieder auf die kleine Bühne klettert zum Gesang, steht unten Priska aus Würzburg, mit einigen Freundinnen. "Für uns ist das eine Begegnung mit vielen Menschen, die guten Willens sind", sagt sie.

Diana Fritsche-Grimmisch (Foto: DW)
Gläubige Sorbin: Diana Fritsche-GrimmischBild: DW/C. Strack

Diana und Priska stehen in einer der Gassen unweit der Leipziger Nikolaikirche. Die eine singt, die andere lauscht mit ihren Freundinnen vom Main - und zwischendrin lehnt ein Radler mit Helm an seinem Bike. "Religion verachtet Leben", steht groß auf seinem olivgrünen T-Shirt. Und irgendwie wirkt er enttäuscht, dass sich niemand aufregt.

"Religionsfreier Osten"

Aber so ist Leipzig. Nach 22 Jahren, zum Jubiläum der 100. Veranstaltung, ist das Laientreffen der deutschen Katholiken wieder in Ostdeutschland zu Gast - im "religionsfreien Osten", wie die lokale "Leipziger Volkszeitung" schreibt. Da betonen die Verantwortlichen, dass es um ein lockeres Aufeinanderzugehen gehe, ein Kennenlernen wider mancher Angst. Auch 26 Jahre nach dem Fall der Mauer, die Deutschland teilte. Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, betont in seiner Eröffnungsrede bewusst die Verbundenheit mit Protestanten, Juden und Muslimen, aber auch jenen, die keine Religion hätten. Sie seien doch alle Geschwister. "Seht, da ist der Mensch", lautet das Leitwort des Katholikentages. Und hört man den gastgebenden Berliner Erzbischof Heiner Koch und Sternberg, dann meint das Motto auch den gesamtdeutschen Blick füreinander.

Mit besonderem Beifall begrüßen die Menschen Joachim Gauck. Der Bundespräsident war einer der prominenten Bürgerrechtler zu DDR-Zeiten - und als ehemaliger evangelischer Pastor mit der Stimmung solcher Großereignisse vertraut. Um seinen Hals trägt er einen leuchtend grünen Schal.

Gauck würdigt in seiner Ansprache den "selbstlosen Einsatz vieler katholischer und evangelischer Christen für das Gemeinwohl". Und er nennt - ohne die Schärfe mancher früheren Äußerung aufzunehmen - die Herausforderung der Flüchtlingskrise. Gauck als Mutmacher. Geschichte, meint er, könne sich auch in eine gute Richtung entwickeln, "in Richtung Verständnis, Toleranz, Versöhnung, inmitten der Welt schlechter oder bedrohlicher Nachrichten der jüngsten Zeit". Als Gauck später durch die Menge flaniert, umgibt ihn ein Kordon von Personenschützern.

Der prominenteste Redner zur Eröffnung ist aber ein anderer. Erstmals überhaupt schickt ein Papst ein Video-Grußwort in deutscher Sprache zum Katholikentag. Zugegeben, zu Beginn der sechsminütigen Rede meint man, wenn man denn nicht auf den Großbildschirm schaut, den bisherigen Bayern-Coach Pep Guardiola zu hören. Aber die Menge lauscht still, ja andächtig. Wo bei früheren Katholikentagen aus päpstlichen Grußworten gerne nur leicht versteckte Ermahnungen zu hören waren, spricht jetzt der Papst als Pfarrer für alle über die "ständige Hast" der modernen Zeit, wirbt für Innehalten, Barmherzigkeit, auch Vergebung - und nennt die Menschen am Rand der Gesellschaft: Alte, Arbeitslose, natürlich auch die Flüchtlinge. Seine Sprachkenntnisse - so viel wird klar - würden locker für einen Deutschlandbesuch reichen.

Joachim Gauck in Leipzig (Foto: dpa)
Protestant unter vielen Katholiken: Bundespräsident GauckBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Schäfchen statt Rechtspopulisten

Der Marktplatz von Leipzig ist gut gefüllt, vielleicht auch überfüllt an diesem Abend der Eröffnung. Die Initiative "Durchgezählt", die ansonsten Woche für Woche die fremdenfeindlichen Demonstrationen von Legida, dem Leipziger Pegida-Ableger beobachtet, zählt diesmal Schäfchen und spricht von 8000 bis 10.500 Teilnehmern auf dem Platz, einigen tausend in den nahen Gassen.

Für alle gibt's hinterher Thüringer Würstchen oder Spreewald-Gurken und sächsisches Bier - der Osten präsentiert seine Küche. Diana und ihre Mitsängerinnen in der Tracht bleiben nicht mehr allzu lang. "Wir müssen noch heim", sagt sie. "Viele von uns ziehen doch im Brautjungfern-Kleid jedes Jahr im Ort bei der Fronleichnam-Prozession mit." Aber am Freitag wollen sie wieder da sein, im derzeit gar nicht religionsfreien Leipzig.

100. Deutscher Katholikentag in Leipzig (Foto: dpa)
Gut gefüllt: der Leipziger MarktplatzBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt