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100. Katholikentag: Jubiläum im Osten

Christoph Strack25. Mai 2016

Zum 100. Deutschen Katholikentag versammeln sich Zehntausende Gläubige fünf Tage lang in Leipzig. Die Dialoge bei dem Treffen werden spannend - angesichts der aufgeheizten Stimmung in Stadt und Bundesland.

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Die katholische Propstei-Kirche im Herzen Leipzigs (Foto: KNA)
Die katholische Propstei-Kirche im Herzen LeipzigsBild: Martin Geisler

Zum Jubiläum geht es in den Osten. An diesem Mittwoch beginnt der 100. Deutsche Katholikentag. Zehntausende versammeln sich zu dem fünftägigen Großtreffen - im sächsischen Leipzig. Damit geht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Ausrichter erstmals nach 22 Jahren in ein ostdeutsches Bundesland.

Nur 4,3 Prozent der 570.000 Leipziger sind katholisch - das sind nicht einmal 20.000 Gläubige. Knapp drei mal so viele Menschen in der sächsischen Messestadt sind evangelisch. Doch die ganz überwiegende Mehrheit - 80 Prozent - ist konfessionslos. Da ist so ein Christentreffen im großen Stil eine Herausforderung. Vermutlich für beide Seiten. Wenn Katholiken am Donnerstag auch mit einer Prozession auf der Straße das Fest Fronleichnam feiern, bei dem die Verehrung der Eucharistie im Mittelpunkt steht, wird sich mancher Leipziger wohl einfach nur wundern.

Von einem "Wagnis" spricht Leipzigs SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung. Der Katholikentag stelle die "großen Fragen des Menschseins", die alle angingen - ob gläubig oder nicht-gläubig. "Darüber mit Menschen in einem säkularisierten Umfeld ins Gespräch zu kommen, darin sehe ich eine große Chance dieser Veranstaltung." Beim Katholikentag 1994 in Dresden klappte längst nicht jeder Versuch eines Dialogs. In Leipzig 2016 wird die Herausforderung noch spannender angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Stadt und im Land Sachsen.

"Seht, da ist der Mensch"

Klar, auch nach Leipzig kommt große bundespolitische Prominenz, darunter Bundespräsident Joachim Gauck und eine Reihe von Bundesministern von CDU, SPD und CSU - auch mehrere Ministerpräsidenten bis hin zum katholischen Grünen Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg. Das gehört dazu. Aber vieles wird in Leipzig eher in kleinerem Rahmen oder bei Begegnungen am Rande passieren. Bei mehr als 1000 Veranstaltungen in einem 640 Seiten starken Programmheft bietet sich da ein kaum überschaubares Angebot.

Joachim Gauck (Foto: Getty Images)
Treuer Gast auf Katholiken- und Kirchentagen: Bundespräsident Joachim GauckBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Der Versuch einer religiösen und menschlichen Grundfrage steckt auch im Leitwort der Tage von Leipzig. "Seht, da ist der Mensch" lehnt sich an ein Wort von Pontius Pilatus aus der Leidensgeschichte Jesu ab, "Ecce homo". Damit soll die menschliche Würde und das Menschsein in Zeiten der Moderne im Mittelpunkt stehen.

Damit sollen die fünf Tage von Leipzig die Tradition der katholischen Laientreffen fortsetzen, auch gesellschaftlich mitzureden. Hundert Katholikentage stehen für 168 Jahre katholische Kirche in Deutschland und 168 Jahre Mit- und Gegeneinander von Staat und Kirche. Diese Geschichte begann in Mainz 1848, jenem Jahr, in dem die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche tagte und Karl Marx das Kommunistische Manifest veröffentlichte.

Kirchentag Leipzig: Der Mensch im Zentrum (Foto: Kirchentag)
Kirchentag Leipzig: Der Mensch im ZentrumBild: Katholikentag

Damals standen Katholiken im rauen Wind staatlicher Kontrolle. Zwischen 1932 und 1948 gab es dann überhaupt keinen großen Katholikentag mehr, weil die Nazis schon 1933 einen Treue-Eid auf Führer und Eid forderten. Erst seit 1950 hat sich, mit wenigen Ausnahmen, der Rhythmus von zwei Jahren im Wechsel mit Evangelischen Kirchentagen eingespielt.

Feste feiern und feste streiten

Die Treffen spiegeln eine Geschichte des politischen und sozialen Katholizismus: Identitätsfindung zu Beginn, dann soziale und gesellschaftspolitische Mitsprache, in den vergangenen Jahrzehnten auch kirchliche Flügelkämpfe. Bis heute gelten Katholikentage als "Fest der Begegnung" und als "Glaubenstage", aber auch als Momentaufnahme und Spiegelbild der Kirche in Deutschland. In den ersten Jahrzehnten waren die Veranstaltungen politisch ausschließlich Unions-geprägt. Mittlerweile ist das Klima entspannter. In Leipzig werden Politiker aus dem C-Lager so wie von den Grünen, der FDP und auch der Linken sein.

Aber nicht von der Alternative für Deutschland (AfD). Das Thema kam seit Monaten immer wieder auf. Die rechtspopulistische Partei scheint in Ostdeutschland verankert. Kein anderes Bundesland ist wegen der von Dresden ausgehenden fremdenfeindlichen Pegida-Demonstrationen, die auch Entscheider der Partei mit offenen Sympathien begleiten, so im Blick und in der Kritik wie Sachsen. Vor Monaten bereits entschied das ZdK, keine Spitzenvertreter der AfD zu Podien des Katholikentags einzuladen.

Die Kritik daran ist in den vergangenen Tagen angesichts der offenen Debatte über Religionsfeindlichkeit der Alternative für Deutschland leiser geworden. Die Frage der gesellschaftlichen Spaltung will man gleichwohl thematisieren.

Klar ist: Nach dem 100. Katholikentag soll es nicht einfach ein "weiter so" geben. Auch wenn gemeinsame Kirchentage von Katholiken und Protestanten wie 2003 und 2010 weiter die Ausnahme bleiben. Der Präsident des ZdK, Thomas Sternberg, wirbt indes in einem Buch zum Jubiläum des Katholikentags für ein Nachdenken und für Reformen. Gerade angesichts der sinkenden Zahl von Katholiken in Deutschland brauche es solche Foren. Aber es lohne sich, "an Reformen zu arbeiten, um die Katholikentage an die Zeit anzupassen".

Thomas Sternberg ist seit 2015 ZdK-Präsident (Foto: DPA)
Thomas Sternberg ist seit 2015 ZdK-PräsidentBild: picture-alliance/dpa/V. Lannert