Myanmar: Wie frei ist die Presse? | Regionen | DW | 18.09.2013
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Regionen

Myanmar: Wie frei ist die Presse?

Die Zeitungsbranche boomt: Nach jahrzehntelanger Zensur dürfen jetzt private Tageszeitungen wieder erscheinen. Auf Einladung von DW Akademie und ARD debattierten Experten über die Lage der Medien in Myanmar.

Myanmar öffnet sich und hat im Zuge dessen vor knapp zwei Jahren die Zensur der Presse abgeschafft, private Tageszeitungen dürfen erscheinen. Ungewohnte, neue Rahmenbedingungen - wie weit können Journalisten dieser neuen Freiheit trauen? "Rein formal sind wir so frei wie die meisten Journalisten im Rest der Welt", sagte Pe Myint während des Expertengespräches "Medien International" im Hauptstadtstudio der ARD.

Expertengespräch zur Mediensituation in Myanmar: Sandar Lwin, Florian Meesmann, Pe Myint und Michael Lenz (Foto: Reiner Freese).

Expertengespräch: Sandar Lwin, Florian Meesmann, Pe Myint und Michael Lenz (v.r.n.l.)

Pe Myint ist Chefredakteur und Mitbegründer von "The People's Age Journal" in Myanmar und engagiert sich im neugegründeten Presserat. "Doch auch wenn unsere Berichte nicht mehr vorab von den Zensurbehörden bewilligt werden müssen, so besteht die Gefahr, dass wir im Nachhinein mit Konsequenzen rechnen müssen." Bisher sei es jedoch zu so einem Vorfall noch nicht gekommen.

Dennoch bleibe die Angst und Sorge vor den Behörden des Informationsministeriums, sagte auch Sandar Lwin. "Nach der Zensur führt nun die Selbstzensur dazu, dass wir die neuen Freiheiten nicht voll ausschöpfen", sagte Lwin, Redakteurin bei "Myanmar Times". Kein Wunder, sagte Michael Lenz, freier Südostasien-Korrespondent. "Der Reformprozess ist noch sehr jung. Und es hängt auch davon ab, welche Erfahrungen die Menschen mit dem Regime gemacht haben." Die jüngere Generation habe er gegenüber den Reformprozessen viel offener und positiver gestimmt erlebt als die ältere.

Mathis Winkler, DW Akademie, Leiter des Bereiches Eurasien während des Expertengespräches Medien International (Foto: Reiner Freese).

Mathis Winkler, DW Akademie, Leiter des Bereiches Eurasien

Mathis Winkler, Leiter des Bereiches Eurasien der DW Akademie, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Während einer seiner Reisen nach Myanmar habe er das Hauptquartier des staatlichen Fernsehens MRTV besucht, das viele Autostunden von Rangun entfernt in einem Niemandsland angesiedelt ist. Hier sollten die Journalisten ungestört unter Beobachtung des Regimes arbeiten, und vor allem sollte die Sendezentrale sicher vor Angriffen sein. "Das riesige Gebäude wirkte auf mich wie ein verlassenes Raumschiff. Die meisten qualifizierten Journalisten sind mittlerweile zurück nach Yangon, geblieben sind diejenigen, die mit den Veränderungen nicht mithalten können." Für ihn sei das ein klares Zeichen für die großen Herausforderungen, vor denen das Land auch im Medienbereich steht.

Auf dem Weg zu einer ausgewogenen Berichterstattung

Über Jahrzehnte seien Journalisten nicht professionell ausgebildet worden. Das führe jetzt zu einem regelrechten Vakuum. "In einer Zeitungsanzeige habe ich beispielsweise gelesen, dass für eine neugegründete Zeitung 50 Journalisten gesucht werden." Die DW Akademie unterstütze daher zusammen mit anderen nationalen und internationalen Akteuren die Gründung einer Journalistenschule.

Pe Myint pflichtete Winkler nur bedingt bei. "Sicherlich braucht es für Qualitätsjournalismus eine gute Ausbildung, doch um die Pressefreiheit auszufüllen - dafür braucht es kein Training." Ihm falle auf, dass er und seine Kollegen sich allmählich verändern. "Wir politischen Journalisten sind fast alle politische Aktivisten. Daher haben wir auch immer nur positiv über die Demokratiebewegung und Aung San Suu Kyi berichtet." Doch mit den neuen Freiheiten erlebe er einen journalistischen Reifeprozess. "Wir berichten jetzt differenzierter."

Sandar Lwin ist es zudem wichtig, dass über die ethnischen Konflikte in Myanmar sensibler und ausgewogener berichtet werde. "Als Journalisten tragen wir eine gewisse Verantwortung." Skeptisch sieht sie die vielen Einflüsse aus dem Ausland, mit denen ihr Land derzeit konfrontiert wird. So würden auch Chinesen Journalistentrainings anbieten, obwohl die Journalistenstandards in China ihrer Meinung nach nicht besonders liberal seien. "Die Chinesen haben ein großes geopolitisches Interesse an Myanmar. Diese Trainings sind aus meiner Sicht eng damit verbunden. Ich befürchte, gerade junge Journalisten könnten sich zu sehr beeinflussen lassen."

Sandar Lwin, Redakteurin bei Myanmar Times, während des Expertengesprächs Medien International (Foto: Reiner Freese).

Sandar Lwin, Redakteurin bei "Myanmar Times"

Auch wenn die Journalisten frei berichten können, so sei es dennoch nicht einfach, an Informationen zu kommen, sagte Pe Myint. "Die meisten Ministerien geben auf Anfragen keine Auskunft." Ähnliches gelte fürs Parlament. "Wir dürfen über die Sitzungen berichten, Fotos sind allerdings nicht erlaubt", sagte Sandar Lwin. Mathis Winkler pflichtete seinen Kollegen bei. "Auch von Seiten der Regierung gibt es aus meiner Sicht erheblichen Trainings-Bedarf. Bisher versucht der Präsidentensprecher, alle Anfragen über sein Facebook-Profil zu beantworten."

Pe Myint und Sandar Lwin waren anlässlich des Mediendialogs "Politische Berichterstattung" der DW Akademie gemeinsam mit acht weiteren Journalisten aus Myanmar für eine Woche in Berlin und Leipzig. Der Mediendialog wurde finanziert vom Auswärtigen Amt.

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  • Datum 18.09.2013
  • Autorin/Autor Nadine Wojcik
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  • Permalink https://p.dw.com/p/19k8I
  • Datum 18.09.2013
  • Autorin/Autor Nadine Wojcik
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