Gruß aus Yangon, Myanmar | Asien | DW | 21.09.2016
  1. Inhalt
  2. Navigation
  3. Weitere Inhalte
  4. Metanavigation
  5. Suche
  6. Choose from 30 Languages

Asien

Gruß aus Yangon, Myanmar

Zeitenwechsel nach Jahrzehnten Diktatur: In Myanmar sorgt die neue zivile Regierung für Euphorie. Doch wird sie auch für Meinungsfreiheit einstehen? Eine Einordnung von Patrick Benning, Projektmanager der DW Akademie.

Myanmar Yangon

Seit mehreren Jahren lebt Patrick Benning (rechts) in Yangon. Er erlebt rapide Veränderungen, politisch wie kulturell

Eine Erkenntnis vorweg: Myanmar ist nicht mehr das Land, in das ich vor vier Jahren 2012 das erste Mal reiste. Damals tauschten wir auf dem Schwarzmarkt druckfrische Hundert-Dollar-Noten gegen lokale Währung in braunen Papiertüten. Die Zensoren des Informationsministers sichteten die Druckfahnen der Privatpresse in einem Büro des Staatsfernsehens - Tür an Tür mit unserem Trainingsraum. Und dass die amtierende Regierung sich zwar "zivil" nannte, jedoch alle Mitglieder - vom Präsidenten abwärts - die Militäruniform noch im Kleiderschrank hatten, war damals ein offenes Geheimnis.

Dieser Tage lese ich in der Zeitung, dass sich Präsident Thein Sein als buddhistischer Mönch habe ordinieren lassen - nach Übergabe seines Postens an die neue Regierung unter Führung von Aung San Suu Kyi und ihrer National League for Democracy (NLD). Ähnlich charmant wirkt die Nachricht, dass einer der bekanntesten journalistischen Querdenker des Landes Informationsminister werden soll. U Pe Myint ist Dichter, Zeitungsbesitzer, Mitglied des ständigen Presserates und einer der besten und ältesten Freunde der DW Akademie in Myanmar. Es ist fast zu schön, um wahr zu sein.

Myanmar Yangon

Große Gefolgschaft für die Lady beim Wahkampfauftritt Aung San Suu Kyis am 1. November 2015 in Yangon

Freiraum für Medien?

Eine Zensurbehörde gibt es übrigens schon seit 2012 nicht mehr, dafür kann man Geld heute selbst in buddhistischen Tempeln aus dem Automaten ziehen. Alles gut also in Myanmar? Oder anders gefragt: Ist nach der friedlichen Machtübergabe auch die demokratische Wende und - nach fünfzig Jahren Zensur - die Befreiung der Medien und Meinungen besiegelt?

Ich möchte es gern glauben, aber ich bin (noch) nicht sicher. Tatsache ist: Die alte Regierung rieb sich an den Journalisten und ließ zu, dass einige aus abwegigen Gründen ins Gefängnis gerieten. Zugleich machte sie Mediengesetze, die heute - nach Ansicht der meisten Fachleute - zu den besseren ihrer Art in Südostasien zählen. Eine unabhängige private Journalistenschule, ein Presserat unter dem Schutz des Gesetzgebers, redaktionelle Freiheit für die ehemaligen Staatsmedien, Bürgerradios selbst in den Konfliktgebieten des Vielvölkerstaats - für all das standen die Vorgänger Aung San Suu Kyis ein. Die Projekte der DW Akademie haben davon profitiert.

Auch Skepsis macht sicht breit

Myanmar Yangon

Große Hoffnung, klare Ansagen: Reformen müssen her

Wie die "Lady" Aung San Suu Kyi es selbst mit den Medien hält, ob sie die "vierte Gewalt", die sie in der Theorie beschwört, in der Praxis erträgt, muss sich noch zeigen. Noch im Wahlkampf verbot sie den Parlamentskandidaten ihrer Partei öffentliche Kommentare und reglementierte - kaum dass die Macht gewonnen war - den Zugang der Medien zum Parlament.

Von einer durch das Militär diktierten Verfassungsklausel an der Präsidentschaft gehindert, erklärte Aung San Suu Kyi außerdem, sie werde "über dem Präsidenten" stehen. Für gleich vier Ministerposten und ein Sonderprivileg als "Staatsberaterin" schickte sie die NLD-Mehrheit im Parlament ins Rennen. Für mich - wie für die meisten Freunde, die ich unter Myanmars Journalisten habe - sind das keine guten Signale.

Schwer zu sagen zu diesem Zeitpunkt, ob die neue Regierung nur mit Startschwierigkeiten kämpft, oder - wie die Generäle in den dunklen Jahren - ihren Machterhalt auf Dauer über das Wohl des Landes stellen wird. Ich vertraue aber darauf, dass unsere Freunde und Partner sich dieselbe Frage stellen und als Journalisten ihre eigenen Antworten geben. Allein aus diesem Grund bleibe ich - wie sie - begeistert darüber, dass Myanmar nicht mehr das Land ist, in das ich damals gekommen bin.

Die Redaktion empfiehlt