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Ökonomen beurteilen Euro-Gipfel skeptisch

27. Oktober 2011

Schuldendrama in der Eurozone gelöst? Während sich die Politiker für ihre Tatkraft und Entschlossenheit loben, die Aktienmärkte und der Eurokurs nach oben zeigen, sehen Ökonomen die Ergebnisse des Euro-Gipfels kritisch.

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Die Flagge der Europaeischen Union (Foto: dapd)
Bild: dapd

Schuldenschnitt für Griechenland, Aufstockung des Rettungsfonds - was die Politiker am frühen Donnerstagmorgen in Brüssel als großen Durchbruch in der Schuldenkrise bezeichnen, ist für die meisten deutschen Ökonomen noch lange nicht der große Wurf - und vor allem nicht das Ende der Schuldenkrise. "Höchstens ein Zwischenschritt", meint Andreas Freytag, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Jena. "Das Ende der Schuldenkrise kommt, wenn es keinen Rettungsschirm mehr gibt. Der Rettungsschirm ist sozusagen der Treiber, der die Regierungen davon abhält zu reformieren. Das war keineswegs der Durchbruch."

Professor Andreas Freytag (Foto: Freytag)
Professor Andreas Freytag, Uni JenaBild: Andreas Freytag

Freytag hält die Brüsseler Beschlüsse für eine Einladung an die anderen Wackelkandidaten, es mit dem Sparen und den Strukturreformen nicht mehr so ernst zu nehmen - denn notfalls kommen ja die anderen Staaten der Eurozone zu Hilfe. "Die Schuldenkrise ist erst gelöst, wenn diese Co-Haftung beendet wird. Solange die europäischen Steuerzahler für griechische, portugiesische, italienische, irgendwann dann auch französische und deutsche Probleme haften, wird es keine Lösung geben."

Versteckte Drohungen

Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer (Foto: DB)
Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas MayerBild: DB

Auch Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält die Schuldenkrise trotz des neuen Pakets aus Brüssel noch lange nicht für gelöst: "Es ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer Stabilisierung der Europäischen Währungsunion. Aber sicherlich nicht die finale Lösung."

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank glaubt aber nicht, dass die Brüsseler Beschlüsse für die anderen Euroländer eine Einladung zum Schlendrian sind: "Im Schlussdokument des Gipfels gibt es ein paar versteckte Drohungen. Zum Beispiel die ganz genaue Überwachung vor Ort in Griechenland durch die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF."

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank (Foto: Commerzbank)
Jörg Krämer, Chefvolkswirt CommerzbankBild: Commerzbank AG

Die meisten deutschen Ökonomen stehen der wundersamen Aufstockung des Rettungsfonds EFSF von 440 Milliarden auf eine Billion Euro skeptisch gegenüber. "Mit dem Konzept einer Teilversicherung wäre der Rettungsfonds EFSF in der Lage, auch den Finanzbedarf der beiden großen Peripherieländer Spanien und Italien zu decken", meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank." Allerdings ist es fraglich, ob die Anleger die teilversicherten Staatsanleihen im großen Stil kaufen würden. Wir sind nach wie vor nicht davon überzeugt, bereits heute den Wendepunkt in der Staatsschuldenkrise zu sehen."

Strukturschwächen bleiben

Für viele Analysten liegen die Hauptprobleme nach wie vor in der Strukturschwäche der südlichen Länder der Eurozone - und die lassen sich nicht kurzfristig durch Gipfelbeschlüsse aus Brüssel lösen. "Griechenland bräuchte nicht nur einen Schuldenschnitt, sondern auch noch eine reale Abwertung", ist Andreas Freytag von der Universität Jena überzeugt. "Und die ist vermutlich ohne Ausstieg aus dem Euro nicht zu bekommen Aber das ist ja jetzt alles nicht beschlossen worden, und deswegen ist das ja nur eine halbe Geschichte."

Ins gleiche Horn stößt Thomas Mayer von der Deutschen Bank: "Das wichtigste ist, dass der Süden seine Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnt. Das geht weit über Griechenland und Portugal hinaus. Es betrifft vor allem Italien und Spanien. Ohne eine solche umfassende wirtschaftliche Restrukturierung, ohne eine Agenda 2020 für Italien und Spanien ist das Problem nicht gelöst."

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Klaus Ulrich