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Zum 50. Todestag: Premiere gerettet

Linda Csapo11. August 2006

Für den Auftakt des Brecht-Jubiläums könnte es kaum einen besseren Schauplatz geben, als den historischen Berliner Admiralspalast. Dennoch hing die Premiere der Dreigroschenoper bis zuletzt am seidenen Faden.

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Stars der Dreigroschenoper: Campino und Birgit MinichmayrBild: AP
Ein Aufführungsort, der Brecht gefallen hätte: Der Berliner Admiralspalast, Friedrichstraße 101, vis-à-vis vom Bahnhof. In fußläufiger Nachbarschaft der Sitz des Souveräns, die Edelboutiquen, der Straßenstrich. Auch wenn die Dreigroschenoper ursprünglich im Londoner Vergnügungsviertel Soho in den "roaring twenties" angesiedelt war – gemeint war eben dieses, Brechts ureigenstes Territorium, die "Sauf-, Kauf- und Laufstraße" im Herzen Berlins. Hier im Admiralspalast schließt sich der Kreis, wenn am Freitagabend (11.8.2006), drei Tage vor Brechts 50. Todestag, auf der Bühne gebettelt, gestohlen und herumgehurt wird. Eine besondere Aufführung an einem besonderen Spielort – und umgekehrt – die allerdings fast nicht statt gefunden hätte: Ungenügende Brandschutzvorkehrungen hätten die Wiedereröffnung des Admiralspalastes beinahe platzen lassen.

Baustelle Admiralspalast
Baustelle Admiralspalast wenige Tage vor der PremiereBild: Michael Bienert
Doch genau einen Tag vor Spielbeginn konnte die Bauaufsichtsbehörde doch noch zufrieden gestellt und somit die Blamage abgewendet werden - die Premierengäste dürfen kommen. "Auch wenn ich persönlich diese Baustelle nicht gerade im Abendkleid betreten würde", wie die zuständige Stadträtin Dorothee Dubrau verkündete. Das bisschen Hämmern und Bohren wird aber auch noch rechtzeitig verstummt sein.

Wechselvolle Geschichte

Der Admiralspalast blickt ohnehin auf eine derart wechselvolle Geschichte zurück, dass dieses bisschen Aufregung um fehlende Notlämpchen und –beschilderungen als Lappalie erscheinen mag. 1910 auf dem Gelände des Admiral-Gartenbades erbaut, diente er zunächst als Vergnügungszentrum, Eislaufhalle, Kino und römisches Bad. In den 1920er Jahren wurde er zu einem Revuetheater umgebaut. Nach dem zweiten Weltkrieg war er Schauplatz des Vereinigungsparteitages der Sozialistischen Einheitspartei, und diente anschließend bis 1955 als Staatsoper. Ab da quartierte sich das Ensemble des zerstörten Metropol-Theaters ein, das bis zur Wende mit DDR-typischer Musical- und Operettenseligkeit lockte.

Berlin, Admiralspalast / Foto 1940
Der Admiralspalast um 1940Bild: picture alliance /dpa
Der Verfall kam ironischer Weise mit dem Fall der Mauer. Im neuen Berlin ließ man das historische Gebäude vermodern. Viele hochfliegende Pläne um eine Wiederbelebung wurden zwar geschmiedet, doch scheiterten diese - wie so oft in Berlin - allesamt an der Finanzierung. Auch als 2003 der erfolgsverwöhnte Kultur-Unternehmer Falk Walter das Haus übernahm, ließen seine vollmundigen Ankündigungen zunächst eher eine gigantische Baupleite befürchten. Mehrmals musste er die ursprünglich bereits für 2004 geplante Wiedereröffnung verschieben. Den Renovierungsaufwand des fast 90-jährigen und denkmalgeschützten Gebäudes hatte er offenbar unterschätzt: Die Kosten schnellten in die Höhe, lange und kalte Winter sorgten für weitere Bauverzögerungen. Doch ausgerechnet diesen ist nun der große Glücksfall zu verdanken: Dass eine der legendärsten Hauptstadtbühnen just zum Brecht-Sommer seine Wiedereröffnung feiert – wenn auch mit Ach und Krach.

Schlechte Vorzeichen und Erfolgsgeschichten

Anzeige für die Dreigroschenoper
Anzeige für die Dreigroschenoper im Berliner Tageblatt (1928)
Ärger um die Dreigroschenoper ist eigentlich ohnehin schon Tradition. Auch ihre Uraufführung im Jahre 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm - nur wenige hundert Meter vom Admiralspalast entfernt - stand schon unter einem schlechten Stern: Zahlreiche Schauspieler waren kurzfristig abgesprungen, in der Stadt machten Gerüchte über ein "völlig unzugängliches Stück" die Runde. All dies konnte dennoch nicht verhindern, dass die Geschichte über das Gossenpack rund um Hauptfigur Macky Messer zum größten Theatererfolg der zwanziger Jahre, zu einem der meistgespielten Stücke der Welt werden sollte.

Punk-Rocker als Straßengauner

Admiralspalast in Berlin Brandauer Campino
Theaterveteran Brandauer mit Schauspielneuling CampinoBild: Daniel Biskup
Auch in Klaus Maria Brandauers Inszenierung lungert und gaunert so viel geballte Bühnenpräsenz herum, dass seine Dreigroschenoper durchaus das Potential zum Glanzlicht des Theatersommers besitzt: Schauspielneuling Campino von der Punkrockband "Die Toten Hosen" scheint alleine schon vom äußeren Erscheinungsbild her als Macky Messer optimal besetzt. Auch das übrige Ensemble konnte prominent, wenn auch außergewöhnlich, besetzt werden: Gottfried John spielt Mr. Peachum, seine Bühnenfrau wird von DDR-Ikone und "Good bye, Lenin!"-Star Katrin Sass verkörpert, die Spelunken-Jenny von Maria Happel und Tiger Brown von und TV-Krimi-Gesicht Michael Kind. Allesamt Künstler, die laut Produzent Lukas Leuenberger "niemals überredet, sondern allein begeistert werden konnten – ebenso wie Brandauer."

Von der kurzen Wut zur langen Geduld

Für diesen ist Brecht selbstverständlich kein Unbekannter. Die allererste Rolle, die er selbst als junger Theaterschauspieler spielte, war der "Soldat mit der kurzen Wut" in Brechts "Mutter Courage und Ihre Kinder". Mit dieser kurzen Wut kam er bei seiner Dreigroschenoper-Inszenierung allerdings nicht weit: "Ich habe mich stattdessen in langer Geduld üben müssen."

Die wohl längste Geduld hat jedoch ein ganz besonderer Premierengast aufbringen müssen: Der 102jährige Johannes Heesters singt zu Ehren Brechts bei der anschließenden Premierenfeier im Admiralspalast. Zuletzt stand er hier vor über 80 Jahren auf der Bühne.