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Zoran Drvenkar: Du

Udo Marquardt5. Januar 2011

Er war der deutsche Krimiautor des Jahres 2009: Zoran Drvenkar. Sein Roman 'Sorry' hat begeisterte Kritiken bekommen und wurde mit dem renommierten Glauser-Preis ausgezeichnet. Jetzt liegt sein zweiter Krimi vor.

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Um es gleich zu sagen: Du hast keine Chance, diesem Buch zu entkommen. Wenn du es einmal aufgeschlagen hast, springt es dir an die Kehle und lässt dich bis zur letzten Seite nicht mehr los. Das liegt erst einmal daran, dass Drvenkar dir eine absolut irre Geschichte erzählt. Da ist "der Reisende". Ein Massenmörder, der sporadisch zuschlägt und buchstäblich Hunderte von Leichen zurücklässt. Auf den ersten 15 Seiten sind es 26 Tote. "Der Reisende" wird in der Presse zum Mythos. Denn es lässt sich kein Muster erkennen. Die Profiler tappen im Dunkeln.

Buchcover Du von Zoran Drvenkar
Bild: Ullstein Hc

Die süßen Schlampen

Dann sind da fünf Mädchen. Teenager, 15, 16 Jahre alt. Das sind "die süßen Schlampen". Girlies, die einem Quickie auf dem Schulklo ebensowenig abgeneigt sind, wie ein paar Joints oder Pillen. Mädchen, die dem Chaos Tür und Tor öffnen. Für sie beginnen die Probleme an dem Tag, an dem Taja ihren Vater umbringt. Papa hat fünf Kilo reinstes Heroin im Haus. Und Stinke findet, die könne man doch prima zu Geld machen. Und dann ist da noch "der Logist". Ein Mann der organisierten Kriminalität. Einer, der über Leichen geht, wenn jemand seine Geschäfte bedroht. Leider ist er der Onkel von Taja. Das Heroin gehört ihm. Und er will es unbedingt zurückhaben.

Und jetzt stell dir vor, dass diese drei Kräfte sich aufeinander zu bewegen. Sie sind wütend. Sie wollen sich rächen. In einem alten Hotel in Norwegen stehen sich schließlich alle gegenüber.

Subjektive Perspektive

Die Geschichte selbst zieht einen schon in seinen Bann. Noch erstaunlicher ist allerdings der Stil, in dem Drvenkar schreibt. Er erzählt konsequent aus der Du-Perspektive. Jedes Kapitel führt die Geschichte aus dem Blickwinkel einer anderen Figur vor. Insgesamt sind es ein gutes Dutzend unterschiedlicher Sichtweisen. Und immer wird dabei die Figur als Du angesprochen. Das hat den erstaunlichen Effekt, dass man sich immer auch als Leser angesprochen fühlt. Man wird zum Massenmörder, zu einem der Mädchen oder zum Hardcore-Dealer. Man teilt deren Sicht der Dinge, ihre Gefühle, ihre Schmerzen, ihre Erinnerungen. Wie ein Film, der nur aus subjektiven Kameraperspektiven besteht. Die Figuren umkreisen einander, sie quälen und sie lieben sich, sie suchen einander und fliehen einander. Immer mehr wird dabei klar, dass niemand die ganze Geschichte kennt. Erst in Norwegen, als alle Protagonisten aufeinander treffen, kommt heraus, dass am Anfang der Geschichte eine Lüge steht.

Der Schriftsteller Zoran Drvenkar
Zoran DrvenkarBild: Corinna Bernburg

Drvenkar wollte schon als Kind nur eins: Schreiben und davon leben. Für das Kind eines serbisch-kroatischen Gastarbeiterpaares, das in Berlin-Kreuzberg lebt, kein ganz einfacher Berufswunsch. Aber er hat es geschafft. Mit "Du" legt er jetzt einen Thriller vor, der alle Eigenschaften einer guten Hardrock-Platte hat. Laut, hart, schnell.

Du wirst "Du" lieben.


Zoran Drvenkar
Du
Ullstein 2010
ISBN 978-3-550-08773-8
EUR 19,95