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Wo Symbole versagen

29. Juli 2002

Das geplante Holocaust-Denkmal in Berlin bietet nach Ansicht seines Architekten Peter Eisenman für jeden Besucher die Chance auf eine ungewöhnliche Erfahrung. Mit dem Aufbau der 2700 Stelen wird im September begonnen.

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Eisenman vor einer riesigen Fotografie seines Mahnmal-ModellsBild: AP

Der Holocaust könne nicht symbolisiert werden. Es gehe daher um einen Ort, an dem Körper, Auge und Gehör zusammengehen können, sagte der US-Amerikaner auf dem XXI. Architektur-Weltkongress in Berlin. Für ihn sei das jeweilige Gelände, auf dem ein Museum entstehen soll, der Ausgangspunkt: "Ich möchte etwas schaffen, das so aussieht, als ob es sich aus dem Boden ergibt", betonte der Stararchitekt.

Tragödie in das eigene Bewusstsein integrieren

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in der Nähe des Brandenburger Tores setzt sich aus der Topografie der Bodenoberfläche und der Höhe der 2700 Beton-Stelen zusammen. Von der Straße aus werden nur die Oberflächen der größeren Stelen zu sehen sein. Manche der Stelen werden leicht geneigt zueinander stehen. Wer das Gelände betritt, wird beim Hindurchgehen den Eindruck bekommen, zwischen den bis zu fünf Meter hohen Stelen im Raum verloren zu sein. Diese Erfahrung soll es dem Betrachter ermöglichen, die geschichtliche Tragödie in sein eigenes Bewusstsein zu integrieren.

Der Baubeginn für das Mahnmal ist für die erste September-Woche geplant. Planungschef Günter Schlusche äußerte sich zuversichtlich zu dem Termin. Nach seinem Zeitplan soll das Mahnmal bis zum Jahr 2004 vollendet sein.

Das Mahnmal soll gemeinsam mit einem unterirdischen "Ort der Information" errichtet werden. Nach einem Beschluss des Bundestags vom Juni 1999 sind ein Museum, eine Forschungsstätte und eine Bibliothek darin eingeschlossen. Der erste Eisenman-Entwurf, gemeinsam mit Richard Serra, hatte dies nicht vorgesehen.

Kritik an den Plänen für Ground Zero

Eisenman sprach in seinem Vortrag auch von veränderten Bedingungen für die Architekten nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September vergangenen Jahres. Die Baupläne für Ground Zero kritisierte er scharf. Auf dem Gelände dürfe keine Gedenkstätte entstehen. Die Erinnerung an die Terroranschläge sei von den Medien vereinnahmt worden.

"Kein Projekt kann sich gegen die Bilder durchsetzen, die die Menschen live vor dem Fernseher mitbekommen haben", sagte der Architekt. Für Eisenman, dessen Büro einen Vorschlag zur Bebauung des Geländes in Manhattan vorgelegt hat, geht es vor allem darum, die Besucher durch abstrakte Mittel mit einem "körperlichen Raumgefühl" zu erschüttern – ähnlich wie in Berlin.

Für die Architekten komme es jetzt stärker als jemals zuvor darauf an, bei ihren Entwürfen Gedanken zu entfalten. Der Gedanke sei ihre wichtigste Ressource. Sein Entwurf für eine Gedenkstätte in Ground Zero gehe wie beim Holocaust-Mahnmal von der Geschichte des Bodens aus.

Verpasste Chance: der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses

Den vom Bundestag Anfang des Monats beschlossenen historischen Wiederaufbau der Fassade des Berliner Stadtschlosses, lehnt Eisenman strikt ab: "Mit dem Votum des Bundestages wurde eine gute Gelegenheit für eine zeitgemäße Gestaltung der Berliner Mitte verpasst. Berlin ist schließlich kein Museum, wie zum Beispiel Rom."

Außerdem sei das Berliner Stadtschloss nicht für die Ewigkeit errichtet worden. "Selbst meine Werke sollten eines Tages niedergerissen werden", sagte der Architekt. Es sei daher notwendig, sich immer wieder über die neue Sprache der Architektur zu vergewissern. (fro)