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'Kein Maulkorb verpassen'

Victoria von Gottberg24. April 2008

Im Interview mit DW-WORLD.DE wendet sich der UN-Sonderberater für Sport Willi Lemke gegen eine Politisierung des Sports und einen Olympia-Boykott.

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Willi Lemke, UN-Sonderbeauftragter für Sport und Entwicklung (13.12.2007, Quelle: dpa)
Willi Lemke ist Sonderberater des UNO-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Entwicklung und FriedenBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Herr Lemke, sehen die Vereinten Nationen die Olympischen Spiele durch den Tibetkonflikt gefährdet?

Willi Lemke: Die Vereinten Nationen sind daran interessiert, dass die Olympischen Spiele in China im olympischen Geist und friedlich verlaufen. Wir wollen, dass die Spiele in einer völkerverbindenden Art und Weise stattfinden und dass die UN-Milleniums-Entwicklungsziele bei diesem riesigen Ereignis gefördert werden. Deshalb beobachten wir natürlich sehr genau, was in den nächsten Wochen und Monaten in China passieren wird.

Was wollen die Milleniums-Entwicklungsziele?

Bei den Milleniums-Entwicklungszielen handelt sich um acht Entwicklungsziele, die bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollen. Dazu gehören unter anderem, die Armut in der Welt zu bekämpfen. Es geht auch um Bildung für alle, Gleichberechtigung, um den Klima- und Umweltschutz und selbstverständlich sind die Menschenrechte darin auch enthalten. Die Menschenrechtsfrage ist also nicht nur in China, sondern in der ganzen Welt ein hochaktuelles Thema. Wegen der Olympischen Spiele steht China derzeit besonders im Fokus. Deshalb interessieren sich auch die Vereinten Nationen für die Fortschritte, die es dort in den letzten Monaten und Jahren gab. Durch die Entwicklung der letzten Monate haben sich aber auch viele neue Fragen ergeben.

Wie steht die UN zu der Diskussion zu einem möglichen Boykott der Olympischen Spiele?

Da gibt es eine eindeutige Position: Wir können den Boykott nicht gut heißen - da sind wir mit dem Internationalen Olympischen Komitee einer Meinung. Mit einem Boykott würde man vor allen Dingen die Sportler treffen, was für uns undenkbar wäre. Die Vereinten Nationen haben ein großes Interesse daran, dass es ein großes Fest für die Sportler wird. Aber Sport findet immer in einer Gesellschaft statt. Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland beispielsweise war nicht nur sportlich, sondern auch politisch ein grandioser Erfolg. Der Fußball hat die Bundesrepublik Deutschland wunderbar präsentiert - genauso ist es mit China. Die Staatsform Chinas war allen bekannt, als das IOC damals die Spiele nach China vergeben hat. Man hat auf eine Öffnung des Landes gehofft - und teilweise hat sie auch stattgefunden. Ein Boykott würde in erster Linie die Athleten aus der ganzen Welt treffen, die in den letzten Jahren darauf hintrainiert haben. Außerdem haben solche Boykotte rückblickend auch nie etwas Relevantes bewirkt. Es wird ganz sicher keine Mehrheit beim IOC und der UNO geben, die Spiele zu boykottieren.

Was können Sportler gegen die Verletzung von Menschenrechten tun?

Menschenrechtsverletzungen finden leider in vielen Staaten der Welt statt. Es ist falsch, dieses Problem jetzt allein auf das IOC abzuschieben. Es gibt politische Gremien, Menschrechtsorganisationen und die UNO, in denen man diese Fragen ansprechen muss. Ich halte es für den falschen Weg, wenige Wochen vor den Olympischen Spielen von den Sportorganisationen zu fordern, diese politischen Probleme zu klären. Aus Sicht des IOC haben die Sportler - als mündige Bürger - aber selbstverständlich das Recht, sich zu politischen Themen zu äußern. Wir wollen den Athleten keinen Maulkorb verpassen. Politische Themen sollen aber nicht im Rahmen der Wettkämpfe thematisiert werden. Internationale Regeln sehen vor, dass die Veranstaltungsorte frei von Demonstrationen bleiben. Schließlich soll es ein Fest der Sportler sein, nicht nur in Bezug auf den Sport, sondern auch im Zeichen der Völkerfreundschaft. Wenn 25.000 Journalisten und viele Sportler aus aller Welt in Peking aufeinander treffen, wird es viele Kommunikationsmöglichkeiten geben.

Was kann der UNO-Sonderberater für Sport tun, damit die Olympischen Spiele ein Erfolg werden?

Der Generalsekretär der UNO Ban Ki-moon hat mir drei Aufgaben gegeben. Erstens soll ich als Advokat des Sports als Instrument zur Förderung von Entwicklung und Frieden agieren und die Interessen des Sports gegenüber den Vereinten Nationen und vor allen Dingen des Generalsekretärs vertreten. Zweitens soll ich repräsentieren. Wenn Ban Ki-moon nicht in der Lage ist, an den großen Sportveranstaltungen teilzunehmen, werde ich ihn vertreten, begleiten oder fachlich und sportpolitisch beraten. Drittens soll ich als Vermittler zwischen den Medien, dem Internationalen Olympischen Komitee, den Vereinten Nationen und den Veranstaltern auftreten. Denn die Olympischen Spiele sollen für die Chinesen und die ganze Welt ein Erfolg werden. Allerdings sollen die Spiele keine Veranstaltung allein für die Chinesen, sondern für den Weltsport und das Internationale Olympische Komitee sein. Wir wollen die Menschen zusammen und nicht auseinander bringen.