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Klimawandel

Sabine Kinkartz21. November 2007

Jede Minute sterben 15 Kinder und 15 Erwachsene an Hunger. Jedes Jahr gehen Millionen Hektar Land durch Wüstenbildung und Versalzung verloren. Wie verändert der Klimawandel die Welternährungslage und die Landwirtschaft?

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Zartes Grün wächst auf einem trockenen Acker in Frankfurt am Main, Foto: AP
Wie anpassungsfähig sind Nutzpflanzen?Bild: AP

Das Klima wandelt sich, es wird wärmer und es wird viel mehr extreme Wettersituationen geben, da sind sich die Wissenschaftler sicher. Doch auch wenn die Temperaturen steigen, heißt das nicht, dass es in fünfzig Jahren im nördlichen Teil Europas keine Minusgrade mehr geben wird. Orangen, Zitronen und Oliven werden dort auch in Zukunft nicht angebaut werden können. Doch was werden die Landwirte stattdessen ernten?

An einer Antwort auf diese Frage arbeitet das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg. Grundlagenforschung wird hier betrieben, unter anderem auf einem sauber parzellierten Feld, auf dem eine Reihe grauer Kästen stehen, jeder ungefähr ein Meter hoch. In ihnen sind Sensoren eingebaut, die drei bis fünf Meter in den Boden hineingehen. Sie messen kontinuierlich, wie sich die Bodentemperatur verändert und wie sie verläuft, wie viele Mineralien aus bestimmten Bodenzonen in Wasser gelöst ins Grundwasser eingehen, wie feucht der Boden ist, wie viel Stickstoff er enthält und wie alle diese Parameter von den landwirtschaftlichen Anbauweisen beeinflusst werden.

Wie viel Klimawandel ertragen Pflanzen?

Karl-Otto Wenkel, Professor am ZALF, gewinnt aus den Messungen Erkenntnisse über neue und innovative Anbausysteme und veränderte Düngungsstrategien. Doch das ist nur ein Baustein in einer Reihe von Analysen, mit denen mögliche Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft abgeschätzt werden sollen. Weitere Hinweise finden sich in den geschlossenen Gewächshäusern auf dem Institutsgelände, in denen in grossen begehbaren Klimakammern heimische Pflanzen extremen Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Zusammen mit dem Institut für Argrarökologie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig hat das ZALF ausserdem erforscht, wie Getreidepflanzen auf mehr Kohlendioxid in der Luft reagieren.

Ein Landarbeiter bearbeitet in der Nähe von Brasilia die Felder ohne maschinelle Hilfe (Archiv), Foto: dpa
Lateinamerika wird nach Expertenmeinungen besonders unter der Erderwärmung leidenBild: dpa - Bildfunk

Auf den ersten Blick, so berichtet Professor Wenkel, habe das gut funktioniert, Roggen und Weizen wuchsen zum Teil besser als gewöhnlich. Doch bei der Analyse des Getreides mussten die Wissenschaftler feststellen, dass sich Inhaltsstoffe des Kornes verändert hatten und das aus dem Getreide gewonnene Mehl eine dramatisch schlechtere Backqualität hatte. Noch wissen die Forscher nicht, wie dieser Negativtrend aufgehalten werden kann, so dass auch in fünfzig Jahren noch Brot, Pizza und Kuchen gebacken werden können, aber Karl-Otto Wenkel arbeitet im ZALF in seinem mit Büchern, Ordnern und Papieren vollgestopften Büro auch an diesem Problem.

Die Landwirtschaft kann sich anpassen

Im Computer bringt er die praktischen Ergebnisse aus den Gewächshaus- und Freilandexperimenten mit den Vorhersagen der Klimaforscher zusammen und entwickelt mathematische Modelle, die Aufschluss über die zu erwartenden komplexen Wirkungen des Klimawandels geben sollen. Gelingt es der Menschheit, den Temperaturanstieg in Grenzen zu halten, dann wird sich die Landwirtschaft im nödlichen Mitteleuropa durch eine veränderte Bodenbearbeitung, mit züchterisch veränderten Pflanzen und einer Erweiterung der Fruchtfolgen anpassen können, da ist sich Professor Wenkel sicher.

Landwirt Georg Glup aus Niedersachsen mit verdorrten Winterroggen, Foto: AP
Auch die deutsche Landwirtschaft leidet unter dem KlimaBild: AP

Eine Chance sieht er im Anbau von Energiepflanzen mit einem tiefen Wurzelwachstum. Dazu gehören beispielsweise Luzerne und Steinklee, die in früheren Jahrhunderten als Futterpflanzen angebaut wurden. Sie erschliessen den Unterboden besser und bringen dadurch mehr Humus in die Böden. Es wird mehr CO2 gebunden und der Ackerboden kann mehr Wasser speichern. In Gesprächen mit Landwirten drängt Wenkel aber auch darauf, von den üblichen Monokulturen abzurücken und verschiedene Feldfrüchte mit zeitlich gestaffelten Reifezeiten anzubauen. Denn extreme Wetterbedingungen sind zeitlich begrenzt und wer vielfältig anbaut, kann Verluste besser ausgleichen. Doch alle Lösungsvorschläge können nur dann etwas bewirken, wenn der Ausstoss der klimaschädlichen Treibhausgase begrenzt wird. Wenn nicht, da ist sich der Professor aus Brandenburg sicher, wird das Klimasystem in einer Art und Weise umkippen, dass sich auch die robustesten Pflanzenarten nicht mehr rechtzeitig anpassen können.