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Studium finanzieren - aber wie? So!

Klaus Deuse
20. Dezember 2019

Die gemeinwohlorientierte Bildungs-Genossenschaft Chancen eG bietet neue Wege zur Finanzierung des Studiums an privaten Hochschulen. Eine erste Bildungsanleihe bringt Anlegern eine Verzinsung von drei Prozent.

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Symbolbild - Studenten im Hörsaal
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Das Studium an einer privaten Hochschule in Deutschland kostet Geld, denn diese Hochschulen finanzieren sich durch Studiengebühren. Je nach Studiengang belaufen sich die Gebühren auf mehrere Tausend Euro im Jahr.  Geld, über das nicht jeder Interessent von Haus aus verfügt. Dennoch gibt es einen finanzierbaren Weg, der zu einem Studienplatz an einer privaten Hochschule führt. Und zwar über die Chancen eG, einer gemeinwohlorientierten Genossenschaft, die die Studiengebühren übernimmt, genauer gesagt vorstreckt. Denn im Gegenzug verpflichten sich die Studenten, ihre Gebühren nach dem Studium einkommensabhängig zurückzuzahlen. Das Kapital dafür stammt aus einer an den Finanzmärkten platzierten Bildungsanleihe, die in diesem Jahr fünf Millionen Euro einbrachte.

Partner der von der Bundesfinanzaufsicht (BaFin) abgesegneten Anleihe ist das größte sozial-ökologische Geldinstitut in der Bundesrepublik: die Gemeinschaftsbank GLS mit Hauptsitz in Bochum. Maßgeblich für diese Kooperation, sagt die Kreditspezialistin und Branchenkoordinatorin der GLS im Bereich Bildung Marion Amelung, sei für ihre Bank gewesen, "dass diese Genossenschaft jungen Menschen die Chance gibt, sich unabhängig von ihrem eigenen Einkommen oder dem ihrer Eltern frei für eine Universität oder Hochschule zu entscheiden". Aktuell arbeitet diese Bildungs-Genossenschaft mit 22 privaten Hochschulen zusammen, die 75 Ausbildungsgänge anbieten.

Attraktive Zinsen für private Anleger

Das Finanzierungsmodell von Chancen eG basiert auf dem Umgekehrten Generationen Vertrag (UVG), der an der Universität Witten/Herdecke entwickelt wurde und sich bewährt hat. Mittlerweile finanzieren zwei von drei Studenten der Uni Witten/Herdecke ihr Studium auf der Grundlage des UVG. Ein Modell, das auch Marion Amelung von der Gemeinschaftsbank GLS vor allem deshalb überzeugt hat, "da aus den Rückflüssen der Gelder langfristig ein Finanzierungstopf aufgebaut wird, aus dem heraus immer wieder junge Studierende unterstützt werden können".

Deutschland Universität Witten-Herdecke in Witten
Die Universität Witten/Herdecke - ruhigere Lernatmosphäre als bei staatlichen UnisBild: Imago Images/blickwinkel

Es lohnt sich, in Bildung zu investieren. Nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Zeichner der Anleihe. Im Tal der Niedrigzinsen erhalten sie bei einer Laufzeit von zwölf Jahren einen Zinssatz von drei Prozent. Unter diesem Aspekt haben neben Stiftungen vor allem Privatpersonen Anteile erworben. Auf diesen privaten Anlegerkreis entfallen gut 30 Prozent des Kapitals. Mit dem bislang geflossenen Geld erläutert Florian Kollewijn, Gründer und Vorstand von Chancen eG, ist die Genossenschaft in der Lage, die Studiengebühren von rund 650 jungen Menschen zu übernehmen. "Das kann von 1750 Euro bis zu 10.000 Euro pro Jahr reichen. Das liegt einfach daran, dass die Studiengebühren an verschiedenen Hochschulen und auch für verschiedene Fachrichtungen sehr unterschiedlich sein können."

Für Bewerber, die von ihrer Hochschule angenommen wurden, folgt danach ein Interview bei Chancen eG, bei dem es ausschließlich auf die Persönlichkeit ankommt, betont der 30-jährige Florian Kollewijn. "Uns geht es allein um den Menschen und dessen Qualifikation, nicht um finanzielle Vergangenheit, finanzielle Bonitäten." Ehrenamtliche Tätigkeiten im Lebenslauf können dabei durchaus Pluspunkte einbringen. Für die Mitgliedschaft in der Genossenschaft zahlen die Studierenden übrigens einen Eintrittsbetrag von 100 Euro.

Studiengebühren bis zu 12.000 Euro

Natürlich werden die Bewerber ausführlich über die verbindlichen Rückzahlungsmodalitäten informiert. Die Rückzahlungen, betont Florian Kollewijn, beginnen erst, wenn die Absolventen eines Studiums im Beruf netto jährlich mehr als 21.000 Euro verdienen. Und auch dann passe sich die Rückzahlung immer an das aktuelle Einkommen an. "Sinkt das Einkommen, dann sinkt auch die Rückzahlung. Steigt das Einkommen, dann steigt auch die Rückzahlung." Auf dieser Grundlage gehen die Studenten im Unterschied zu einem klassischen Studienkredit kein Überschuldungsrisiko ein.

Deutschland Zentrale der GLS Bank in Bochum
Das größte sozial-ökologische Geldinstitut in der Bundesrepublik - die GLS-Bank in Bochum Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Auch wenn Chancen eG die Studiengebühren finanziert, können Studenten unabhängig davon sowohl Studienunterstützung via BAföG als auch Stipendien beantragen und beziehen. Immerhin kommt knapp die Hälfte der derzeit Geförderten aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt. Die Genossenschaft fördert neuerdings auch deutsche Medizinstudierende im Ausland, da für 40.000 Bewerber hierzulande nur 10.000 Studienplätze zur Verfügung stehen. Darum weichen immer mehr junge Menschen an Universitäten im EU-Ausland aus, deren Abschlüsse in der gesamten Europäischen Union anerkannt sind. "Doch diese Universitäten", sagt Florian Kollewijn, "erheben hohe Studiengebühren. Da springen wir ein und wollen helfen."

An der Uni Kaunas in Litauen etwa betragen die jährlichen Studiengebühren für Medizin im Jahr 10.000 Euro, in Lettland sogar 12.000 Euro. Im Frühjahr 2020 platzieren Chancen eG und GLS Bank eine zweite Tranche in Höhe von acht Millionen Euro. Geld, das sich in Bildung auszahlt. Denn über eine Negativklausel und eine externe Kontrolle über die Verwendung der Mittel wird sichergestellt, dass Erlöse aus der Anleihe nur dann freigegeben werden, wenn die Genossenschaft die Verwendung für Studiengebühren belegen kann.