"One Man Can"
19. Dezember 2012Trotz aller Unkenrufe - Südafrika hat sich in Sachen Kriminalitätsbekämpfung gut entwickelt. Es ist sicherer geworden im Land. Zwar werden laut Polizeistatistiken jeden Tag 42 Menschen ermordet, doch vor wenigen Jahren waren es noch mehr - nämlich über 50. Auch die Zahl der Überfälle, Einbrüche und Entführungen ist signifikant zurückgegangen. Nur bei der Gewalt gegen Frauen und Kinder sind die Zahlen erschreckend hoch geblieben, sagt Lungiswa Memela vom Netzwerk "Gewalt gegen Frauen". Alle sechs Stunden, so eine Studie des medizinischen Forschungsrates, wird in Südafrika eine Frau von ihrem Partner ermordet. Dazu kommen die Vergewaltigungen. Für eine in Südafrika geborene Frau ist die Wahrscheinlichkeit, sexuell missbraucht zu werden, höher als die, lesen und schreiben zu lernen.
"Kultur der Gewalt"
"Wir haben zwar im Vergleich auch zu einigen europäischen Ländern sehr fortschrittliche Gesetze, die Frauen schützen sollen. Allerdings werden sie nicht umgesetzt. Sie existieren nur auf dem Papier", sagt Memela. Und auch die Polizei wisse oft nicht um die frauenfreundliche Gesetzeslage oder aber sie sei ihr schlicht egal, so Memela. So würden Frauen beispielsweise nicht den Schutz erhalten, der ihnen laut Gesetz zustünde. Selbst die Möglichkeit, die Straftat einer Polizistin zu melden, werde ihnen oft verweigert. Hier sei die Gesellschaft gefragt, sagt Memela. Sie schaue weg und ließe damit zu, dass Männer auch weiterhin ihre Frauen und Kinder schlagen. Der Aktivist Patrick Godana spricht in diesem Zusammenhang von einer Kultur der Gewalt in Südafrika. "Unser Land wird bestimmt von Gewalt, in allen Bereichen. Von klein auf wurde mir vermittelt, dass sich ein Problem nur mit den Fäusten lösen lässt. Wenn ich früher weinend nach Hause gekommen bin, wurde ich wieder rausgeschickt: ich sollte zurückschlagen."
Diese Kultur der Gewalt versucht die Organisation Sonke Gender Justice Network , für die Patrick Godana arbeitet, zu verändern. Sonke hat eine Kampagne mit dem Namen "One Man Can" ins Leben gerufen und arbeitet mit denen zusammen, von denen die Gewalt ausgeht - mit Männern. Die Kampagne organisiert unter anderem Gesprächsrunden und Workshops. Das Konzept sei denkbar einfach, sagt Mzamo Sedelo, der für Sonke arbeitet: Männer gehen auf Männer zu, um die Gewalt gegen Frauen und Kinder zu beenden. "Wir schaffen Räume und Möglichkeiten für Männer, so dass sie über ihre Probleme reden können." Es gehe aber auch darum, ihnen zu vermitteln, wie wichtig ihre Rolle innerhalb ihrer Familie sei: Männer sollen sich an der Erziehung und am Leben ihrer Kinder beteiligen.
Erfolge auch im Ausland
Teil der Kampagne sind auch Gespräche mit Kirchenvertretern und traditionellen Führern, weil sie großen Einfluss haben - auf Männer und ihr Selbstverständnis. Lungiswa Memela vom Netzwerk "Gewalt gegen Frauen" bewertet die Kampagne, die es seit mittlerweile fünf Jahren gibt, als einen Schritt in die richtige Richtung: "Männer übernehmen Verantwortung. Das ist gut".
Die Männerkampagne "One Man Can" wurde mittlerweile auch in Burundi, Kenia, Mosambik und Namibia eingeführt. Das sei eine positive Entwicklung, sagt Patrick Godana von Sonke. Zugleich warnt er davor, zu schnell Ergebnisse zu erwarten. Gewalt gegen Frauen und Kinder sei ein erlerntes Verhalten, so der Aktivist. Das abzutrainieren werde dauern. "Sozialisation ist ein Prozess, kein Event. Ich arbeite mit einer Reihe von Männern zusammen und arbeite auch immer noch an mir selbst", sagt Godana. Er hätte sich früher nicht vorstellen können, im Haushalt mitzuhelfen oder mit seinem Kind Hausaufgaben zu machen. Heute genieße er das.