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Überschüsse und Defizite

Christoph Hasselbach, Brüssel22. Oktober 2012

Die neuen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat haben Sprengkraft. Sie zeigen, dass es gerade in den Krisenländern weiter abwärts geht. Andere Länder dagegen haben es geschafft, Überschüsse zu erwirtschaften.

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Symbolbild: Kasse mit Euro-Scheinen und Münzen. (Foto: Martina Berg/Fotolia)
Bild: Martina Berg/Fotolia

Im Frühjahr hatte das Statistische Amt der EU, Eurostat, die vorläufigen Zahlen für 2011 herausgegeben. Jetzt gibt es die endgültigen Zahlen. Am Gesamtergebnis hat sich erwartungsgemäß kaum etwas verändert, bei einzelnen Ländern dagegen schon.

Das Gesamtergebnis enthält eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Die Haushaltsdefizite in der EU sind zum Teil deutlich zurückgegangen. Im Durchschnitt aller EU-Staaten ging das Defizit von 6,5 Prozent im Jahr 2010 auf 4,4 Prozent 2011 zurück. Im Durchschnitt der 17 Euro-Staaten fiel es von 6,2 auf 4,1 Prozent. Hier ist die EU also gut vorangekommen. Trotzdem liegen auch diese Werte noch deutlich über der Defizitgrenze von 3,0 Prozent, wie sie der Stabilitätspakt vorsieht.

Die schlechte Nachricht lautet, dass trotz der Konsolidierungsbemühungen die Gesamtverschuldung weiter gestiegen ist. Der Durchschnitt in der gesamten EU beträgt jetzt 82,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - 2010 waren es noch 80 Prozent. In der Eurozone ist die Gesamtverschuldung von 85,4 auf 87,3 Prozent gestiegen. Auch hier wird der vom Stabilitätspakt zulässige Wert von 60 Prozent deutlich überschritten.

Manche Länder haben sogar Überschüsse

Doch in den Durchschnittswerten stecken sehr verschiedene Einzelbeispiele. Spitzenreiter mit besonders geringer Gesamtverschuldung sind Luxemburg (0,3 Prozent), Finnland (0,6 Prozent) und an dritter Stelle Deutschland mit 0,8 Prozent. Die schlechtesten Werte verzeichneten Irland (13,4 Prozent), Griechenland und Spanien (jeweils 9,4 Prozent). Drei Länder waren bei der Defizitbekämpfung so erfolgreich, dass sie 2011 sogar Überschüsse erwirtschaftet haben: Ungarn (+4,3 Prozent), Estland (+1,1 Prozent) und Schweden (+0,4 Prozent).

Bundeskanzlerin Merkel (rechts) im Gespräch mit dem griechischen Premier Saramas (links). (Foto: Reuters)
Weitere Zugeständnisse? Bundeskanzlerin Merkel mit dem griechischen Premier SamarasBild: Reuters

Bei der Gesamtverschuldung sind die besten drei Länder Estland (6,1 Prozent), Bulgarien (16,3 Prozent) und Luxemburg (18,3 Prozent). Die schlechtesten sind - erwartungsgemäß - Griechenland mit 170,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Italien mit 120,7 Prozent, Portugal mit 108,1 und Irland mit 106,4 Prozent. Diese weit auseinanderliegenden Werte zeigen erneut, wie groß die Ungleichgewichte in Europa auch in Sachen Defizite und Verschuldung sind und dass sie zum Teil noch zunehmen.

Griechenlands Verschuldung steigt und steigt

Anlass zur größten Sorge geben die Veränderungen dieser endgültigen Zahlen gegenüber den vorläufigen Werten vom Frühjahr. Denn es gibt zwar das positive Beispiel Deutschland: Dort hatten die Statistiker im Frühjahr noch ein Defizit von 1,0 Prozent berechnet. Jetzt, nach Neuberechnungen, sind es nur noch 0,8 Prozent.

Doch ausgerechnet in den Krisenländern haben sich die Zahlen noch einmal verschlechtert. So hat die Gesamtverschuldung Griechenlands nach den bereinigten Zahlen noch einmal deutlich zugelegt: von 165,3 auf jetzt 170,6 Prozent. Auch beim Defizit hat sich Griechenland noch einmal um 0,3 Prozentpunkte verschlechtert. Spanien verzeichnet sogar ein Defizit von fast einem ganzen Prozentpunkt mehr als noch im Frühjahr verkündet. Laut Eurostat liegt das an der statistischen Neuzuordnung von Bankenhilfen. Auch die korrigierten Defizitwerte Portugals und Irlands sind noch einmal schlechter als im Frühjahr vorläufig veröffentlicht.

Es geht auch anders

Das sind ernüchternde Erkenntnisse, zeigen sie doch, dass die Krisenländer trotz der internationalen Hilfen kaum vorankommen und zum Teil sogar weiter zurückfallen. Griechenland soll eigentlich bis 2020 auf einen Verschuldungswert von höchstens 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommen. Bereits 80 Prozent gelten als problematisch - jetzt sind es also 170 Prozent mit zunehmender Tendenz. Gerade Griechenland dürfte es daher schwer fallen, zu begründen, warum es immer neue Zugeständnisse will, wenn es auf dem vereinbarten Konsolidierungskurs einfach nicht weiterkommt. Auf der anderen Seite haben Länder wie Estland bewiesen, dass sie sich mit einer eigenen Rosskur auch selbst helfen können.

Altstadtkulisse der estnischen Hauptstadt Tallinn (Foto: Christoph Kersting)
Konsolidierung aus eigener Kraft: estnische Hauptstadt TallinnBild: Christoph Kersting