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Wen hat Fuentes gedopt?

Florian Bauer28. Januar 2013

Nach fast sieben Jahren beginnt der Prozess gegen den Dopingarzt Eufemiano Fuentes. Im wohl größten Dopingskandal der Sportgeschichte wurde bisher offenbar vieles vertuscht und nur wenig aufgeklärt.

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Die Videoaufnahme zeigt einen Beamten der spanischen Guardia Civil mit einer gefrorenen Blutkonserve bei einer Hausdurchsuchung im Rahmen der "Puerto-Operation" in Madrid (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist frostig in diesen Wochen in Madrid, als würde das Wetter einen Vorgeschmack geben auf diesen Prozess, der heute in der unscheinbaren Calle Julian Camarillo beginnt. Inmitten gesichtsloser Bürohäuser steht das Gerichtsgebäude Juzgado Penal Nº 5. Dort kommt es zu einem Prozess, auf den die Sportwelt seit fast sieben Jahren wartet. Ein Prozess in einem Dopingskandal, der als der größte der Sportgeschichte bezeichnet wird – und der am Ende doch nicht viel hergeben könnte.

Im Mai 2006 deckte die spanische Polizei Guardia Civil durch die Operación Puerto ein Dopingnetzwerk auf, fand Blutbeutel, EPO, Wachstumshormone, Steroide. Doktor Eufemiano Fuentes, eigentlich Frauenarzt, soll damit weltweit mehr als 200 Spitzensportler gedopt haben. Bekannt sind bisher aber nur an die 60 Radsportler.

Immer wieder wurde das Verfahren eingestellt

Eduardo Esteban ist der zuständige Oberstaatsanwalt für das Verfahren gegen Fuentes. Angeklagt sind auch seine Schwester Yolanda sowie Manolo Saiz und José Labarta, die früheren Chefs der Radsportteams Liberty Seguros und Comunidad Valencia. So kurz vor dem Prozess möchte Esteban eigentlich nicht mehr viel sagen. Und sagt dann doch scherzhaft, dass man zunächst einmal vom Prozess erwarten könne, "dass er jetzt endlich beginnt, nach knapp sieben Jahren. Die spanische Justiz ist nicht schnell, aber so lange hätte es natürlich nicht unbedingt dauern müssen."

Der spanische Arzt Eufemiano Fuentes, aufgenommen bei einer Pressekonferenz in Aranjuez bei Madrid (Foto: dpa)
Schweigt derzeit: Doping-Arzt Eufemiano FuentesBild: picture-alliance/dpa

Weil es in Spanien kein Anti-Doping-Gesetz gab, wurde das Verfahren immer wieder eingestellt. Angeklagt sind die vier jetzt wegen der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit. Die Staatsanwaltschaft stellt vor allem die Hygiene bei den Bluttransfusionen in Frage – eher ein juristischer Notbehelf: "Es geht hier nicht um die Sauberkeit des spanischen Sports oder des Sports generell", sagt Esteban. "Die müssen schon andere untersuchen, der Sport selbst oder die Medien, nicht aber die Justiz."

"Radsport nicht der einzige Sport, in dem gedopt wird"

Aber das wird sehr schwer werden, denn in den 7700 Seiten der Operación Puerto werden offensichtlich nur Radsportler als Kunden von Fuentes genannt, auch wenn es seit 2006 Hinweise auf andere Sportarten gibt. Er glaube, so Esteban, dass die Guardia Civil alle Beweise, die sie hatte, ins Verfahren eingebracht hat. "Und sie sagt ja auch nicht, dass es keine anderen Sportler bei Fuentes gab. In ihrem Bericht stehen aber eben nur die, die sie eindeutig identifizieren konnte, Radsportler eben. Und ich weiß nicht, ob es auch andere Kunden gab."

Die Bildkombînation zeigt den ehemaligen T-Mobile-Radprofi Jan Ulrich in Blaesheim (l, Archivfoto vom 30.06.2006) und den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes in Madrid (r, Archivfoto vom 20.07.2006). (Foto: dpa)
Kunde und Dienstleister: Ullrich (l.) gab Kontakt zu Fuentes (r.) zu. Er war nur einer von rund 200 KundenBild: picture-alliance/dpa

Dabei sprach Fuentes selbst kurz nach seiner Verhaftung 2006 in einem Radio-Interview mit dem spanischen Sender "Cadena Ser" davon, auch Sportler anderer Sportarten vor allem aus dem Fußball betreut zu haben. Damals sagte er ziemlich klar: "Mich hat überrascht, dass einige Namen herausgekommen sind und andere nicht. Ohne Grund. Ich bin hier, um zu sagen, dass der Radsport nicht der einzige Sport ist, in dem gedopt wird."

Blutbilder von Fußballspielern in Fuentes Wohnung?

Verschiedene Quellen haben zudem in den vergangenen Jahren auf Fuentes-Kunden aus anderen Sportarten hingewiesen. Darunter beispielsweise Jesus Manzano, ehemaliger Radfahrer und selbst Fuentes-Kunde. Der sagte 2010 in der ARD: "Fuentes hatte andere Sportler. Leichtathleten, Ruderer und er selbst sprach von Fußballern. Außerdem weiß ich, dass man bei den Durchsuchungen einer der Wohnungen von Fuentes in Madrid Blutbilder von Fußballspielern gefunden hat."

Oder Pat Mc Quaid, Präsident des Weltradsportverbandes UCI, der ebenfalls in der ARD sehr genau ein Treffen 2006 mit der Guardia Civil und dem spanischen Sportminister beschrieb. Der derzeit wegen einer zweifelhaften Anti-Doping-Politik unter Beschuss stehende UCI-Chef hatte allerdings auch ein Interesse daran, dass nicht nur der Radsport im Fokus steht. "Da wurde mir gesagt, die 200 Fuentes-Kunden seien nicht alles Radfahrer, sondern nur 50 bis 60 davon. Es seien nämlich auch andere Sportarten involviert. Und zwar hieß es: Fußball, Leichtathletik, Schwimmen und Tennis."

"Spieler von Sevilla, Valencia, Madrid und Barcelona"

Der Journalist Stéphane Mandard, Sportchef der renommierten Tageszeitung "Le Monde", stieß mit seinen Recherchen deutlich tiefer in den Doping-Sumpf. Mandard habe Fuentes Aufzeichnungen "mit eigenen Augen gesehen", sagte er dieser Tage dem Sportinformationsdienst und kritisierte: "Es war für alle Beteiligten besser, dass diese Geschichte sich auf den Radsport begrenzt. Der Wahrheit entspricht dies aber nicht." Im Interview mit dem ARD-Fernsehen wurde Mandard 2008 noch deutlicher: "Ich habe mich mit Fuentes in seinem Büro getroffen. Und er hat mir mehrere Dokumente gezeigt, die auf Spieler von Betis Sevilla, FC Valencia, Real Madrid und FC Barcelona verwiesen: Medikations-Pläne für eine ganze Saison". "Le Monde" wurde für ähnliche Behauptungen Mandards allerdings 2011 von einem Gericht zu jeweils 15.000 Euro Schadenersatz an Real Madrid und FC Barcelona verurteilt.

Lionel Messi (l.) im Duell mit Cristiano Ronaldo (Foto:Manu Fernandez/AP/dapd)
FC Barcelona und Real Madrid bei Fuentes? Ein französischer Journalist behauptete, Hinweise zu habenBild: dapd

Klare Hinweise oder doch nicht? Wie viele Sportler und welche dopte Fuentes wirklich? Einer weiß es: Eufemiano Fuentes selbst. Der ehemalige 400-Meter-Hürdenläufer, der Frauenarzt aus reichem Hause, der schon 1984 die spanische Olympiamannschaft betreute. Und später Sportler aus aller Welt dopte. Auf Gran Canaria lebt er, soll immer mal wieder in öffentlichen Einrichtungen als Arzt arbeiten, ist aber schwer zu greifen. Auf E-Mails antwortet er nicht mehr.

200 Fuentes-Kunden, 60 davon Radsportler - wer sind die anderen?

Im Gegensatz zu seinem Anwalt. Es sei das einzige Interview, das er vor dem Prozess gebe, sagt Julian Perez Templado. Das Wort Doping nimmt er dabei lange nicht in den Mund. Nach mehreren Rückfragen dann doch: "In diesem Prozess geht es nicht um den Tatbestand Doping. Es geht nicht darum, ob diese oder jene Menschen oder Sportler gedopt wurden, von diesen oder jenen Ärzten. Das spielt im Verfahren keine Rolle."

Deshalb wird der Prozess, so sagen neben ihm auch andere Experten, wohl kaum weitere Namen von Fuentes-Kunden enthüllen. 200 Sportler sollen es gewesen sein. Wenn das stimmt, wer war noch bei Fuentes außer den etwa 60 Radsportlern? Perez Templado antwortet etwas zögernd, das wisse er nicht. Und auf die Rückfrage, ob er es nicht wisse, oder ob er es einfach nicht sagen wolle, sagt er vieldeutig: "Ich weiß es nicht, und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen."

Frustrierte Ermittler

Die Operación Puerto, der Dopingskandal Fuentes, einer der größten der Welt, bleibt ein Mysterium. In der Calle Guzman el Bueno in Madrid bei der Guardia Civil wissen sie mehr, dürfen es aber nicht sagen - bisher. Aus Ermittlerkreisen heißt es mehrfach, wie frustriert man hier darüber ist. Ende Dezember wird erstmals nach jahrelangen Anfragen ein Interview zur Operación Puerto zugesagt. Im Januar wieder abgesagt - ohne Begründung.

Jörg Jaksche im Trikot von Team Liberty Seguros während der Deutschland Tour 2005 (Foto: Sandra Behne/Bongarts/Getty Images)
Bekennender Fuentes-Kunde: Jörg Jaksche berichtete ausführlich über das Doping-NetzwerkBild: Getty Images

Aber in Spanien gibt es noch eine zweite Polizei, die Policía Nacional, auch sie hat eine Dopingeinheit. Bernardo Gil leitet die Abteilung mit 19 Ermittlern, die es zufällig genau seit der Operación Puerto 2006 gibt. Und Gil macht eines klar: "Auch für uns, für die spanische Polizei insgesamt, ist der Prozess sehr wichtig. Weil es die ersten Ermittlungen waren, die in Spanien in Sachen Doping geführt wurden. Puerto war der Ausgangspunkt für alle weiteren Ermittlungen, deshalb ist es sehr wichtig, dass das Verfahren endlich zu einem Ende kommt."

Erst 2014 ein endgültiges Urteil?

In den letzten acht Jahren soll die spanische Polizei insgesamt an die 60 Dopingoperationen durchgeführt haben. Die letzte im März 2012 war die Operación Skype. Zuständig damals: Bernardo Gil. Erstmals kam dabei ein Arzt in Spanien wegen Dopings mehrere Monate ins Gefängnis. Der schon aus dem Radsport bekannte Dopingarzt Alberto Beltran nutzte für die Dopingmittelübergabe auch an Leichtathleten sogar das gleiche Hotel wie einst Eufemiano Fuentes. Die Frustration seiner Guardia Civil-Kollegen kann Bernardo Gil gut nachvollziehen. "Bei der ganzen Arbeit, die die Operación Puerto gemacht hat - wenn die Angeklagten dann freigesprochen würden, dann ist das natürlich frustrierend, auch für uns. Und nicht nur in Spanien, sondern weltweit."

Wenn selbst die Ermittler zweifeln, ist also nicht viel zu erwarten vom Prozess in der Calle Julián Camarillo von Madrid. Zwei Jahre Haft hat die Staatsanwaltschaft für Fuentes und die weiteren Angeklagten gefordert. Fuentes Anwalt geht von Freispruch aus. Die Verhandlung ist bis zum 21. März angesetzt. Von einer Revision ist auszugehen. Mitte 2014 könnte dann das endgültige Urteil feststehen. Das lange Warten auf die Wahrheit wird also weitergehen.