Frankreich überwindet Schock-Moment
22. November 2022
Paul Pogba, N'Golo Kanté und Presnel Kimpembe konnten wegen Verletzungen gar nicht erst mit zur Fußball-WM nach Katar fahren. Christopher Nkunku von RB Leipzig war dabei, verletzte sich aber im Training und sein WM-Traum platzte. Schließlich musste auch Ballon-d'Or-Gewinner Karim Benzema die Segel streichen, weil er sich nach gerade erst überstandener Blessur auf dem Trainingsplatz gleich wieder verletzte. Ein wahrer Fluch schien auf dem amtierenden Weltmeister zu liegen.
Und auch beim ersten WM-Auftritt der Equipe Tricolore in Katar dauerte es nicht lange bis zur nächsten Hiobsbotschaft: Nicht genug, dass Außenseiter Australien durch Craig Goodwin früh und überraschend in Führung ging (9. Minute). Verteidiger Lucas Hernandez verdrehte sich beim Versuch, die Flanke des Ex-Bundesliga-Stürmers Matthew Leckie noch zu verhindern, ohne Fremdeinwirkung das Knie. Mit offenbar großen Schmerzen blieb der Profi des FC Bayern liegen, kurz danach wurde er gestützt auf zwei Betreuer vom Feld geführt. Die Diagnose: Kreuzbandriss. Dies gab der französische Verband FFF am Mittwoch bekannt. Hernandez muss mit einem halben Jahr Pause rechnen.
"Wir haben sofort gemerkt, dass es etwas Schlimmeres ist", sagte Frankreichs Kapitän und Torwart Hugo Lloris nach dem Spiel: "Das ist natürlich ein Rückschlag, aber wir machen weiter und blicken nach vorne." Auch die Teamkollegen wirkten schockiert. Olivier Giroud hatte sich gerade in die Geschichtsbücher geschossen, doch überschwängliche Freude war dem Rekordtorschützen der Equipe Tricolore nicht anzumerken. "Wir sind traurig wegen Lucas, wir möchten ihm diesen Sieg widmen", sagte Giroud nach dem Erfolg gegen Australien." Trainer Didier Deschamps hatte nach dem sportlich gelungenen Einstand des Titelverteidigers bereits gemutmaßt, dass es Hernandez "sehr ernst" erwischt haben könnte.
Doppelschlag nach Doppel-Schock
Den doppelten Schock aus Gegentor und Hernandez-Verletzung mussten die Spieler von Deschamps auf dem Rasen erst einmal verdauen. Fast hätten die Australier die französische Verunsicherung sogar für ein zweites Tor genutzt, scheiterten aber knapp. Dann aber setzte sich die - trotz aller Ausfälle vorhandene - Klasse der Franzosen durch. Mit einem Doppelschlag durch Adrien Rabiot (27.) und Olivier Giroud (32.) drehte die Equipe Tricolore das Spiel noch vor der Pause. Nach dem Seitenwechsel nahmen die Franzosen den Gegner dann genüsslich auseinander. Kylian Mbappé (68.) und noch einmal Giroud (71.) machten den Deckel drauf und stellten den 4:1 (2:1)-Endstand her.
"Jetzt werdet mal richtig wach!", soll Deschamps in der Pause zu seinen Spielern gesagt haben, so erzählte es Olivier Giroud nach der Partie. "So wie es angefangen hat, kann man am Ende nur zufrieden sein", sagte der Stürmer. "Wir haben zügig reagiert und das Spiel umgedreht. Effizient waren wir auf alle Fälle. Es ist gut für die Dynamik und die Moral im Team."
Eine Schrecksekunde gab es allerdings noch zu überstehen: In der Nachspielzeit ließ Theo Hernandez, der in der ersten Halbzeit für seinen verletzten Bruder Lucas eingewechselt worden war, nach einem Zweikampf einen gellenden Schrei hören. Kurz musste Deschamps befürchten, dass es schon wieder eine Verletzung gegeben hatte, doch der jüngere der beiden Hernandez-Brüder stand wieder auf und konnte weiterspielen. Einige Augenblicke danach war Schluss.
"Das Auftaktspiel ist immer sehr wichtig und zugleich schwierig", sagte Deschamps anschließend. "Wir haben gut geantwortet auf den Rückstand, die Mannschaftsleistung war sehr gut. Bei Lucas Hernandez warten wir noch auf die Ergebnisse des Tests. Aber ich fürchte, es könnte sehr ernst sein. Das trübt diesen Abend natürlich."
Besiegt Frankreich den Weltmeisterfluch?
Dennoch könnte Frankreich dank des klaren Auftaktsiegs neben dem Verletzungsfluch auch den Weltmeisterfluch besiegen: Italien bei der WM 2010, Spanien 2014 und auch Deutschland 2018 - die letzten drei Teams, die vor Frankreich Fußball-Weltmeister wurden, scheiterten beim nächsten Turnier bereits in der Vorrunde.
Frankreich dürfte das diesmal wohl nicht passieren - es sei denn, auch in den kommenden beiden Vorrundenspielen gegen Dänemark (26.11.) und Tunesien (30.11.) verletzen sich weitere Leistungsträger.