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Politik

Berlins Rolle im Brexit-Chaos

Kay-Alexander Scholz | Christoph Hasselbach
22. Januar 2019

Berlin blickt zunehmend nervös und ein wenig desillusioniert auf London und die Brexit-Geschehnisse. Nun ist die Frage, ob Angela Merkel und die Bundesregierung stärker vermitteln. Noch ist das schwierig.

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Großbritannien EU-Westbalkangipfel in London
Bild: Reuters/L. Neal

Die deutsche Haltung zum Brexit war und ist noch immer von zwei Maximen geprägt: Zum einen soll Großbritannien möglichst nah an die Europäische Union (EU) gebunden bleiben. Denn das Land ist wichtiger Handelspartner und London ein außenpolitisch gesehen herausragender Akteur.

Zum anderen geht es aber auch darum, die Einheit der EU zu wahren. Die Vorteile der EU soll nur genießen, wer auch Mitglied ist. Deshalb prägte Kanzlerin Angela Merkel schon im Juni 2016 den plakativen Satz, es dürfe keine "Rosinenpickerei" geben. Schließlich sollen andere EU-Staaten, vor allem manche Osteuropäer, nicht ermutigt werden, es den Briten womöglich nach zu tun.

Auf das im Unterhaus in London gescheiterte Brexit-Abkommen hatte Berlin mit Enttäuschung reagiert. Auch auf deutsches Drängen hin war die EU an die Grenze dessen gegangen, was man zugestehen konnte. Über das Scheitern war man enttäuscht. Der Vertrag hätte die Einheit der EU gesichert und den Weg für weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit geebnet.

London soll erstmal klären, was es will

Weiteren Zugeständnissen gegenüber ist Berlin skeptisch. Auch weil man glaubt, dass die Brexit-Hardliner, egal welche Zugeständnisse es sein könnten, immer noch mehr fordern würden.

Außenminister Heiko Maas von Merkels Koalitionspartner SPD hatte bei seinem Besuch in Irland Anfang Januar gesagt: "Wer darauf setzt, die Abstimmung scheitern zu lassen, um anschließend möglicherweise bessere Verhandlungsgrundlagen zu haben, der geht ein außerordentlich hohes Risiko ein; darauf würde ich mich nicht verlassen."

Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, mögliche Nachfolgerin von Merkel als Bundeskanzlerin, bewertete den neuen Brexit-Vorstoß von Theresa May in dieser Haltung als "unzureichend". Mays Äußerungen entsprächen "sicherlich nicht dem, was wir, was in Europa unter dem Stichwort 'Großbritannien muss erklären, was es will' ,erwartet worden ist", sagte Kramp-Karrenbauer in Berlin. Die Premierministerin setze nochmals "auf Verhandlungen, die für uns abgeschlossen sind". Der Ball liege "nach wie vor im Feld der Briten", sagte Kramp-Karrenbauer. "Das britische Parlament muss erklären, was es will. Es hat bisher nur erklärt, was es nicht will."

Merkel selbst ließ über einen Regierungssprecher mitteilen: "Die Bundesregierung erwartet, dass die britische Regierung sich bald auf Vorschläge einigt, die von einer Mehrheit des Unterhauses unterstützt werden". Nach wie vor setze die Bundesregierung auf einen geordneten Brexit.

"Spiel mit dem Feuer"

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), ein enger Verbündeter Merkels, sagte in einem Radio-Interview nach der gescheiterten Abstimmung am 15. Januar, den Briten solle nun die Gelegenheit gegeben werden, die eigene Position zu "klären".

Deutschland SPD-Delegiertenkonferenz zur Europa-Wahl
SPD-Kandidatin Katarina Barley setzt auf Europa und zeigt sich von May enttäuschtBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Bundesjustizministerin Katarina Barley kritisierte die jüngsten Brexit -Vorschläge als "ziemliche Nullnummer". "Wenn man ankündigt, einen Plan B vorzulegen, dann sollte man es auch tun", sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl. Sie warf May vor, auf Zeit zu spielen. Das sei "ein Spiel mit dem Feuer".

Inhaltliche Korrekturen am Austrittsabkommen lehnte Barley ab. "Inhaltlich wird an dem Abkommen nichts geändert. Das ist ganz klar." Ein zweites Referendum sei eine Möglichkeit, die "verfahrene Situation aufzulösen", sagte Barley. In diesem Fall gäbe es auch "Spielräume" bei den zeitlichen Vorgaben zum Austritt.

Soll Berlin vermitteln?

Angesichts der herausragenden Rolle Deutschlands in der EU taucht immer wieder die Frage auf, ob die Deutschen nun bilateral vermitteln sollten. In der britischen Presse gab es Berichte über ein Telefonat zwischen May und Merkel, wobei es auch um "Zugeständnisse" gegangen sein soll. Ein Regierungssprecher dementierte das allerdings.

Merkels dritter Koalitionspartner, die CSU, sieht das ähnlich. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte, dass es nicht ganz ohne deutsche Initiative gehen werde. Um einen harten Brexit zu vermeiden, sollte Deutschland die Gespräche "nicht nur den offiziellen Kanälen" der EU überlassen.

Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) lehnte jedoch ein deutsches Vorpreschen ab. Doch es könnte in den kommenden Tagen noch einmal Bewegung geben. Schließlich seien EU-Verhandlungen dafür bekannt, dass immer bis zum Schluss gepokert würde und dann ein Kompromiss zustande komme. Merkel kenne das aus vielen nächtlichen Verhandlungsrunden auf EU-Ebene nur zu gut.

Was auch immer passiert: Die Bundesregierung will sich nicht überraschen lassen. Im Dezember wurden Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht, um sowohl auf einen geordneten als auch auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet zu sein. Vor einigen Tagen wurde bei der Regierungspressekonferenz in Berlin noch einmal betont, dass man "mit Hochdruck" daran arbeite, "auf alle Szenarien vorbereitet zu sein". Insbesondere auch mit der Wirtschaft stehe man in Kontakt.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik