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Therapien bei Depressionen

Gudrun Heise
12. April 2023

Weltweit leiden rund 350 Millionen Menschen an Depressionen. O​​ft werden diese erst spät erkannt und laut WHO wird nur jede vierte Person behandelt. Hier einige der heute gängigen Therapien.

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Ein Spaziergänger geht durch einen Wald, Sonne scheint durch Nebelschwaden
Eine Depression kann jeden treffen - wichtig ist es, sie zu erkennen und zu behandelnBild: Jan Eifert/picture alliance

Nicht immer sind die Anzeichen einer Depression eindeutig, denn die Symptome sind vielfältig. Der Verlust von Freude, kein Interesse am Leben oder an Aktivitäten sind nur einige Symptome, die auf eine Depression hindeuten können.

Darüber hinaus sind Niedergeschlagenheit und Schwermut Zeichen für die Erkrankung, aber auch Probleme, ein- oder durchzuschlafen. Müdigkeit und viele weitere Symptome kommen hinzu, die alle sehr individuell in ihrer Art und Ausprägung sind, so wie etwa komplettes Desinteresse am Leben und Antriebslosigkeit.

Oft leiden die Betroffenen unter Suizidgedanken und -impulsen, daher handelt es sich um eine gefährliche Erkrankung, die allerdings gut behandelt werden kann und eine gute Prognose hat. Antidepressiva sind meist Mittel der Wahl, doch es gibt auch viele andere Behandlungsmöglichkeiten. 

Ketamin ist Medikament und Droge zugleich

Relativ neu ist die Therapie mit Ketamin. Ursprünglich ist es ein Narkosemittel, das vor allem in der Veterinärmedizin eingesetzt wurde. In der Humanmedizin wird es in Kombination mit Antidepressiva Patientinnen und Patienten gegeben, die unter einer schweren Form von Depression leiden und die auf Antidepressiva oder Psychotherapie kaum noch oder gar nicht reagieren.

Bei einer Behandlung mit Ketamin verändert sich eine bestimmte Art von Neuronen im Hippocampus. Dieser Teil unseres Gehirns ist der Arbeitsspeicher und die Schnittstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. In diesem Bereich können lebenslang neue Nervenzellen gebildet werden, und in dieser Region werden antidepressive Reaktionen gesteuert. Eine einzelne Dosis Ketamin kann innerhalb weniger Stunden eine positive Wirkung zeigen. Diese nimmt aber auch relativ rasch wieder ab.

"In den USA und in Europa ist mittlerweile ein Ketamin-haltiges Nasenspray zugelassen. Es soll Patienten mit therapieresistenten Depressionen helfen", erklärt Andreas Wahl-Kordon. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Schwarzwald.

In Europa und Deutschland ist Ketamin mittlerweile allerdings auch zu einer beliebten Partydroge avanciert, deren Konsum schlimme Folgen haben kann. Der Stoff kann nicht nur psychisch abhängig machen. Wird Ketamin dauerhaft konsumiert, kann er das Kurzzeitgedächtnis und das zentrale Nervensystem schädigen.

Auch andere Substanzen, wie LSD, MDMA oder Psilocybin, die für ihre halluzinogene Wirkung bekannt sind, sind als Mittel gegen schwere Depressionen teilweise bereits zugelassen bzw. in der Erprobung. 

Ketamin und LSD - Drogen gegen Depressionen

Stimulationsverfahren gegen Depression haben sich bewährt

Bei schweren Depressionen besteht die Therapie oft aus sogenannten Stimulationsverfahren. Dazu gehört die Elektrokrampftherapie (EKT), auch bekannt als Elektrokonvulsionstherapie. Sie ist für Menschen gedacht, die schon etliche andere Therapien durchgemacht haben, aber deren Zustand sich nicht gebessert hat.

"In der Regel wird die Elektrokrampftherapie unter Kurznarkose im Krankenhaus durchgeführt. Viele haben vielleicht Bilder aus dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" im Kopf. Da wurden der Hauptperson bei vollem Bewusstsein Elektroschocks ans Gehirn gegeben, die furchtbare Krämpfe auslösten. Aber so verläuft die EKT in der Realität nicht", erklärt Wahl-Kordon.

"Es ist ein Narkosearzt anwesend, der die Behandlung überwacht. Im Prinzip löst man dabei künstlich einen epileptischen Anfall im Gehirn aus. Man hatte festgestellt, dass bei Menschen, die unter Epilepsie und unter Depressionen leiden, die Depressionen nach einem Krampfanfall besser wurden." Das ahmt die Medizin bei der Elektrokrampftherapie nach. Sie stimuliert die Nervenzellen und auch das Netzwerk der Nerven im Hippocampus.

Die transkranielle Magnetstimulation (TMS)

"Bei der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) werden bestimmte Areale im Gehirn mithilfe von Magnetwellen stimuliert und Neuronen angesteuert", erläutert Wahl-Kordon. Magnetimpulse beeinflussen schonend die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde. Bei Menschen mit Depressionen ist die Aktivität in den Hirnbereichen verändert, die beispielsweise für unsere Gedanken und unsere Gefühle zuständig sind. Wahrnehmung und Gedächtnis sind bei Depressionen verzerrt. Das gilt auch für die Aufmerksamkeit. Mit der TMS werden Magnetimpulse von einer Spule über den Schädel abgegeben. So soll die Balance wiederhergestellt werden.

Bei dieser Therapie sind die Betroffenen bei Bewusstsein. Die Behandlung verursacht keine Schmerzen. Die Patientin oder der Patient merken die Stimulation eventuell in schwacher Form auf der Hautoberfläche. Es kommt jedoch nicht zu einem epileptischen Anfall. Dieses Verfahren ist nicht ganz so wirksam wie die Elektrokrampftherapie und wird beispielsweise bei Menschen eingesetzt, die keine medikamentöse Behandlung möchten oder aber sie nicht vertragen.

Illustration der Anatomie des Gehirns
Das Gehirn ist das zentrale Organ des menschlichen NervensystemsBild: magicmine/Zoonar/picture alliance

Einen Versuch wert: Hirnschrittmacher

Wenn alle gängigen Therapien versagen, kommt oftmals nur noch eine invasive Behandlung infrage, die sogenannte tiefe Hirnstimulation (THS), eine Art Hirnschrittmacher. Diese Art der Therapie wird aber nur selten und in Ausnahmefällen eingesetzt, denn es ist ein direkter Eingriff ins Gehirn. "Dabei werden ganz dünne Elektroden in bestimmte Areale im Gehirn implantiert. Dann beginnt man mit einer elektrischen Stimulation ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Dieser Hirnschrittmacher korrigiert und moduliert das neuronale Netzwerk", sagt Wahl-Kordon.

Die Therapie wirke sehr gut und werde bei Parkinson angewendet und bei psychischen Störungen, wie etwa Zwangserkrankungen. Auch mit dieser Methode wird versucht, das Gehirn wieder in Balance zu bringen, aber es ist eben ein invasives Verfahren und wird nur eingesetzt, wenn andere Therapien keine Aussicht auf Erfolg zeigen.

Therapeutischer Schlafentzug für Depressive

Viele Menschen, die mit Depressionen zu kämpfen haben, können nicht ein- oder durchschlafen. Während sie tagsüber ausgeprägte Stimmungsschwankungen haben, geht es ihnen am frühen Morgen und abends oft besser. Beim therapeutischen Schlafentzug werden die Patientinnen und Patienten eine komplette Nacht lang wachgehalten.

"Sie dürfen in dieser Zeit noch nicht mal kurz einnicken. Das würde den Effekt beeinflussen. Wird der Schlafentzug eingehalten, stellt sich am folgenden Tag eine Stimmungsaufhellung ein, für die meisten ein sehr positives Erlebnis", so Wahl-Kordon. "Sie erinnern sich daran, wie es ist, ohne Depressionen zu sein, auch wenn die Wirkung nicht lange anhält." Durch diese Form der Therapie sehen Betroffene plötzlich Licht am Ende des Tunnels. Das macht ihnen Hoffnung.

Die kognitive Verhaltenstherapie ist altbewährt

Jede Art von psycho-therapeutischer Behandlung fordert die Bereitschaft, sich darauf einzulassen und ein hohes Maß an Geduld, denn die Therapie ist oft langwierig. "Die  kognitive Verhaltenstherapie (KVT) steht bei den Psychotherapien an erster Stelle, denn sie ist am besten untersucht. Ein zentraler Punkt dabei ist, die Tage zu strukturieren und für die Betroffenen angenehme Aktivitäten zu planen", rät Wahl-Kordon.

Mit dem Therapeuten werden dabei in Gesprächen Gedanken und Gefühle erörtert, und Verhaltensweisen reflektiert, um so Alternativen zu finden, die depressive Empfindungen und Verhalten entgegenwirken. Gerade bei schwereren Depressionen, sei es wichtig, die Psychotherapie mit einer medikamentösen Therapie zu kombinieren", so Wahl-Kordon weiter.

Psychotherapie plus Antidepressiva

Dazu gehören beispielsweise sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie blockieren den Abtransport von Serotonin, das unter anderem unsere Stimmung und unseren Schlaf reguliert genauso wie unseren Appetit. Durch die Blockade erhöht sich die Konzentration von Serotonin in der Gewebsflüssigkeit des Gehirns und kann so die Stimmung aufhellen.

Darauf spricht etwa ein Drittel aller Menschen mit Depressionen an. Bei einem weiteren Drittel kommt es zumindest zu einer Linderung der Symptome, beim letzten Drittel aber kann diese Behandlung nicht helfen. 

Übergeordnetes Ziel dieser Therapie ist es, negative Denkmuster und entsprechende Verhaltensweisen herauszufiltern und diese dann entsprechend zu verändern.

Neurotransmitter - Schalter zum Glück

Sport wirkt unterstützend in der Depressionsbehandlung

Dass Sport bei vielen körperlichen Erkrankungen helfen kann, ist hinreichend bekannt. Aber auch bei psychischen Krankheiten sind Sport und Bewegung wichtige Faktoren. "Wir wissen, dass Sport erwiesenermaßen eine antidepressive Wirkung hat. Es ist wichtig, Menschen mit Depressionen dazu zu bewegen, sich sportlich zu betätigen", sagt Wahl-Kordon.

"Bei einer ambulanten Therapie kann das etwas schwierig sein, in einer Klinik ist es einfacher. Dort ist dann beispielsweise auch die Verbindlichkeit, aktiv teilzunehmen, wesentlich höher." Zusätzlich ist es gut, wenn diese Aktivitäten in einer Gruppe stattfinden, denn das motiviert die meisten.

Aber oft bedarf es großer Überwindung, sich die Krankheit überhaupt einzugestehen, sie als solche zu akzeptieren, darüber zu sprechen und Depressionen behandeln zu lassen, denn noch immer werden Depressionen von vielen auf die leichte Schulter genommen und nicht als ernsthafte Krankheit angesehen, die durchaus therapiert werden kann.

Ist Depression eine echte Krankheit?

 

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