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AfD-Ziele: Parteitag soll entscheiden

Kay-Alexander Scholz, Berlin29. April 2016

Nun wird es ernst: Die "Alternative für Deutschland" will sich auf einem Parteitag ihr erstes Grundsatzprogramm geben. Danach wird zum Beispiel schwarz auf weiß zu lesen sein, wie das Verhältnis zum Islam aussehen soll.

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Symbolfoto AfD: Mann mit Aufkleber "Alternative für Deutschland" auf dem Rücken (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Die politischen Zeiten für die AfD in Deutschland scheinen gut. Mittlerweile ist die erst 2013 gegründete Partei in der Hälfte der Landesparlamente vertreten. Umfragen sehen die AfD im Osten der Republik bei inzwischen 20 Prozent. Die Partei macht dort, in der ehemaligen DDR den Sozialdemokraten hinter Merkels CDU sogar schon den zweiten Platz im Parteien-Ranking streitig. Als Grund für die seit Monaten steigenden Umfragewerte - bundesweit liegt die AfD jetzt bei rund 13 Prozent - nennt das Institut für Demoskopie in Allensbach das Verhalten der Parteien während der Flüchtlingswelle. "Die Besorgnis vieler Bürger hatte im Parlament keine echte Wahrnehmung", so Allensbach-Chefin Renate Köcher. Das sei die Basis für den derzeitigen Erfolg der AfD.

Wohl auch aus dieser Position der Stärke heraus hat die AfD inzwischen ihre Berührungsängste mit rechtspopulistischen Parteien in Europa aufgegeben. Nach dem Motto "Gemeinsam sind wir stark" pflegen AfD-Politiker Kontakte zur FPÖ in Österreich, zu Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden. Die AfD-Jugendorganisation hat sich sogar Verbündete bei Putin gesucht.

Eher wenig, zumindest wenig öffentlich zu hören war in jüngster Vergangenheit - anders als zuvor - vom Führungs- und Flügelstreit zwischen Liberalen, Neo-Konservativen und ganz Rechten in der AfD. Bei den Wählern kommt diese Geschlossenheit offensichtlich gut an.

"Buntes" Programm

Im Zentrum des kommenden Parteitags in Stuttgart steht jetzt das erste AfD-Grundsatzprogramm. Der Entwurf umfasst 74 Seiten.

Thematisch wird kaum ein Bereich ausgelassen: Europa ("Experiment Euro geordnet beenden!"), Innenpolitik ("Ausweisen krimineller Ausländer, Wehrpflicht wieder einführen!"), Außenpolitik ("Verhältnis zu Russland von maßgeblicher Bedeutung!"), Arbeitsmarkt ("Bundesagentur für Arbeit auflösen!"), Sozialpolitik ("Grundsicherung verdienen!"), Familie ("Gender-Mainstreaming untergräbt die Familie!"), Kultur ("Deutsche Leitkultur!"), Bildung ("Kein Sonderrecht für muslimische Schüler, keine Frauenquote!"), Einwanderung ("Asylanträge sind außerhalb des Schengen-Raums zu stellen!"), Steuern ("Steuer- und Abgabenbremse!"), Wirtschaft ("TTIP ist untauglich!"), Energie ("EEG-Subventionen abschaffen, Atomkraftwerke laufen lassen!"), Infrastruktur ("Freie Fahrt für freie Bürger!"), Landwirtschaft ("Mehr Achtung für die Bauern!") und Umwelt ("Dörfliches Leben fördern!").

Das Programm wurde in mehreren Arbeitsgruppen und unter Beteiligung von 1000 Mitgliedern geschrieben. Chefin der Programmkommission ist Alice Weidel. Die Frau ist ein neues Aushängeschild der Partei. Sie zeigte in ihrer akademischen Karriere eine Nähe zu libertären Ideen. In einem ersten Entwurf für das Grundsatzprogramm fanden sich dem entsprechende Vorschläge: Abschaffung der Unfallversicherung sowie der Gewerbe- und Erbschaftssteuer, Privatisierung der Arbeitslosenversicherung und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im finalen Entwurf für den Parteitag allerdings sind einige dieser Maßnahmen wieder gestrichen oder zumindest abgemildert worden. Eine mögliche Erklärung: Die AfD möchte Wähler aus den Arbeiter- und Angestelltenmilieus nicht verschrecken.

Chefin der Programmkommission Alice Weidel (Foto: dpa)
Chefin der Programmkommission Alice WeidelBild: picture-alliance/dpa/Eventpress MP

Entscheidende Diskussionen

Parteichefin Frauke Petry hatte die AfD im März als "Partei des sozialen Friedens" bezeichnet. Bundesvize Alexander Gauland sprach von der "Partei der kleinen Leute". In der Präambel steht: "Wir sind Liberale und Konservative". Ja, was denn nun? Politikwissenschaftler sehen keinen Widerspruch in diesen unterschiedlichen Aussagen. Grund: Die AfD sei derzeit eine "heterogene Protestpartei mit dem Charakter einer Sammlungsbewegung" (Hendrik Träger) beziehungsweise eine "Staubsaugerpartei" (Albrecht von Lucke). Eine mangelnde Profilschärfe schadet demzufolge nicht. Denn die Partei möchte viele Wählergruppen ansprechen. Mit dieser Strategie könnte es aber bald vorbei sein, wenn die Partei ein festes Programm hat.

Den 2000 angemeldeten AfD-Mitgliedern in Stuttgart wird ein dickes Antragsbuch mit mehr als 1400 Seiten Änderungsvorschlägen vorliegen. Wahrscheinlich werde ein Parteitag allein gar nicht ausreichen, um das alles zu diskutieren. So war es aus der Bundesgeschäftsstelle zu hören. Unter den Anträgen sind zum Beispiel viele vom nationalkonservativen Parteiflügel, der sicherlich versuchen wird, der AfD seinen Stempel aufzudrücken. Mit dem Burgfrieden könnte es also in Stuttgart schon wieder vorbei sein. "Die AfD wird sich entscheiden müssen, wo sie hin will", sagte Petry in einem "Stern"-Interview und fragt:. "Will sie eine konservativ-liberale oder eine nationalkonservativ-soziale Partei sein?" Latente Konfliktlinien zwischen führenden AfD-Politikern könnten bei der Suche nach einer Antwort aufbrechen. Petry gegen Gauland? Björn Höcke, der Thüringer AfD-Chef und die Gallionsfigur der Neu-Rechten, gegen Co-Chef Jörg Meuthen?

Portrait Frauke Petry Parteichefin der AfD? (Foto: Imago/Mauersberger)
Spannende Frage: Bleibt Frauke Petry Parteichefin?Bild: Imago/Mauersberger

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland"

Vor dem Parteitag haben führende AfD-Politiker das Thema Islam auf die mediale Agenda gesetzt. Neben dem Querschnittthema "Flüchtlinge" hat auch die Auseinandersetzung mit dem Islam das Potential, die deutsche Öffentlichkeit längerfristig zu beschäftigen - gut für Populisten wie die AfD. Wie stramm der sich andeutende Anti-Islam-Kurs letztendlich ausfällt, dürfte einer der spannendsten Punkte in Stuttgart werden.

Plakat der AfD zur Islam-Debatte - gesehen im Oktober 2015 in Hamburg (Foto: dpa)
Plakat der AfD zur Islam-Debatte - gesehen im Oktober 2015 in HamburgBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Im Programmentwurf steht: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." Das Minarett als "islamisches Herrschaftssymbol" wird abgelehnt, ebenso wie der Muezzin-Ruf. Weiter fordert die AfD ein Burka-Verbot und für Lehrerinnen und Schülerinnen in Schulen ein Kopftuch-Verbot. Ob und von wem Moscheen gebaut werden dürfen und wie die Imam-Ausbildung zu regeln ist, dazu gibt es nicht verschiedene Anträge. Wie AfD-Vize Beatrix von Storch sagte, wolle ihre Partei zwar nicht das Recht auf Religionsausübung beschneiden, aber eine Debatte über den "politischen Islam" und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz anstoßen.

Die Debatte darüber läuft bereits: Sogar der Bundespräsident mischte sich schon ein. An der Religionsfreiheit gebe es nichts "herumzukritteln", sagte Joachim Gauck. Ausdrücklich bejahte er den Satz seines Amtsvorgängers Christian Wulff aus dem Jahr 2010: "Der Islam gehört zu Deutschland".