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Wahlkampf gegen Muslime

Andreas Gorzewski18. April 2016

Mit einem neuen Parteiprogramm will die AfD verbreitete Ängste vor dem Islam ausnutzen. Sie entwirft das Bild einer pauschal bedrohlichen Religion. Islamverbände und andere Parteien sind beunruhigt - auch die Kanzlerin.

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Deutsche Flagge neben Minarett (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)
Bild: picture-alliance/Frank Rumpenhorst

Wenn es nach der rechtspopulistischen Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) ginge, dann würden Minarette und vollverschleierte Musliminnen hierzulande verschwinden. Auch der Muezzinruf, der in Deutschland ohnehin fast nirgends zu hören ist, sollte verboten werden. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", heißt es im Leitantrag für ein neues AfD-Grundsatzprogramm. Vize-Parteichefin Beatrix von Storch geht noch weiter: "Der Islam ist an sich eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist."

In einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" haben von Storch und der zweite stellvertretende Parteivorsitzende, Alexander Gauland, den Parteikurs vorgezeichnet. Der Islam sei ein "Fremdkörper" in der Bundesrepublik, betonte Gauland, der zugleich AfD-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag ist. Der Islam sei "intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden", fügte er hinzu, ohne sich um einen Beleg für diese Sichtweise zu kümmern. Anfang Mai wird in Stuttgart über den Programmentwurf abgestimmt. Auf zweieinhalb Seiten wird darin nicht nur einer Parallelgesellschaft mit Scharia-Richtern und gewaltbereitem Salafismus eine Absage erteilt. Darüber hinaus sollen Koranschulen schließen. Eine rechtliche Gleichstellung von islamischen Organisationen mit Kirchen wird ebenfalls ausgeschlossen.

Angepasst oder bedrohlich

Der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen AfD, Uwe Junge, sieht das im DLF-Interview ähnlich: "Der Islam ist eine politische Religion. Er hat nicht diese Zurückhaltung, den wir von Religion in der Regel erwarten, dass sie sich aus Politik zurückhält." Seine Partei richte sich nicht gegen alle Muslime. Diejenigen, die "ihren Platz in unserer Gesellschaft durch Anpassung, durch Integration erworben haben", sind laut dem Pfälzer AfD-Vertreter nicht gemeint.

Wahlplakat des AfD-Sptzenkandidaten im März 2016 in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge (Foto: dpa)
Die AfD hat mit Uwe Junge in Rheinland-Pfalz knapp 13 Prozent erreichtBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Aber es gebe schließlich auch noch einen anderen Islam. Der steht nach Ansicht von Junge gegen alles, was die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmache. Dieser Islam sei intolerant, gegen die freie Meinungsäußerung und lehne die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab. Was für ihn die Ausnahme und was die Regel ist, erläutert der Landespolitiker nicht. Damit verstärkt auch er das Bild einer angeblich insgesamt bedrohlichen Religion. Die anderen Parteien sind alarmiert.

Angela Merkel: Religionsfreiheit gilt auch für den Islam

Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Äußerungen von Storchs und Gaulands zurück. "Wir haben in Deutschland die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Religionsausübung, und das gilt natürlich auch für Muslime in unserem Land", sagte sie. Die Praxis habe gezeigt, dass die übergroße Mehrzahl der Muslime ihre Religion im Rahmen des Grundgesetzes ausübte. Wenn das nicht der Fall sei, würden die Sicherheitsbehörden über eine Beobachtung entscheiden.

Wahlkämpfe gegen Religionen seien eine neue Entwicklung, erklärte der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet in der "Rhein-Neckar-Zeitung". "Damit würde unser Land gespalten", warnte Laschet. Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz meinte, die AfD setze bewusst auf eine Spaltung der Gesellschaft. Indem der Islam als pauschales Feindbild präsentiert werde, gehe die AfD auf Wählerfang. Die SPD-Religionsbeauftragte Kerstin Griese betonte dagegen, dass weit mehr als 90 Prozent der Muslime in Deutschland sich an das Grundgesetz hielten. Von einigen extremistischen Gruppen dürfe nicht auf eine ganze Glaubensgemeinschaft geschlossen werden.

Doch die AfD setzt auf Pauschalisierungen. Bei den jüngsten Wahlen hatte die AfD wohl vor allem mit ihrer Kritik an der Haltung der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage gepunktet. Beunruhigt vom Zustrom Hunderttausender Flüchtlinge hatte viele Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht, die für eine rigorose Abschottung eintritt. Bei den Landtagswahlen im März erreichte die Partei in Baden-Württemberg 15 Prozent der Stimmen und in Rheinland-Pfalz knapp 13 Prozent. In Sachsen-Anhalt wurde sie mit 24 Prozent sogar zweitstärkste Kraft. Doch nun gehen die Flüchtlingszahlen stark zurück.

AfD-Plakat, unter dem in Karlsruhe ein Pegida-Demonstrationszug vorbeizieht (Foto: dpa)
Die islamfeindliche Pegida-Bewegung und die AfD vertreten in vielen Punkten ähnliche AnsichtenBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Der Pfälzer Landeschef Junge weist den Vorwurf zurück, die Partei entdecke den Islam nur deshalb als zentrales Thema, weil die Euro-Krise und die Geflüchteten immer weniger die Schlagzeilen beherrschen. "Der Islam ist ein ständiges Thema, das wir im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise natürlich thematisiert haben", sagt Junge.

Gesellschaftslichte Vorbehalte ausgenutzt

Nach Einschätzung von Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, greift die Partei die schon lange verbreiteten Vorbehalte nur auf. "Es ist nicht so, dass diese Partei diese Islamfeindlichkeit erst kreiert, sondern sie schwimmt auf dieser Welle, die ohnehin in unserer Gesellschaft schon vorhanden ist", sagt Mazyek dem NDR. "Es ist das erste Mal nach Hitler-Deutschland, dass es eine Partei gibt, die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und sie existenziell bedroht", schimpft der Zentralrats-Vertreter und zieht damit indirekt einen Vergleich zur NSDAP.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek (Foto: dpa)
Mazyek zufolge will die AfD eine andere RepublikBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Doch nach Einschätzung von Mazyek haben die AfD-Parteistrategen in erster Linie gar nicht die Muslime im Sinn. "Wir würden der Partei auf den Leim gehen, wenn wir ihr glaubten, es ginge wirklich um den Islam." Die Partei wolle vielmehr die freiheitlich-demokratische Grundordnung aushöhlen, wenn sie die Religionsfreiheit antaste. Damit kehrt Mazyek den AfD-Vorwurf am Islam um: "Nicht der Islam ist nicht grundgesetzkonform, sondern die AfD ist nicht grundgesetzkonform."