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Was darf Wissenschaft?

13. Februar 2008

Zukunftsorientierte Beraterriege für die Bundesregierung oder ethisches Feigenblatt für forschungsfreundlichere Politik? Der neue Deutsche Ethikrat tritt ein nicht unumstrittenen Erbe an.

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Eine Ärztin bei der Arbeit mit Eizellen für eine künstliche Befruchtung, Foto: dpa (Archiv)
Wie weit darf Wissenschaft gehen?Bild: picture-alliance/dpa

Der Vorgänger war umstritten, sein Erbe ist nicht leicht: Am Mittwoch (13.2.2007) bestimmen die Bundestagsfraktionen die 26 Mitglieder des neuen Deutschen Ethikrates, die dann zügig durch Bundestagspräsident Norbert Lammert offiziell ernannt werden sollen. Das Gremium folgt dem Nationalen Ethikrat, der im Herbst 2007 seine Arbeit offiziell einstellte und hat - anders als der erste Rat - eine gesetzliche Grundlage: Regierung und Bundestagsfraktionen nominieren je 13 Mitglieder, dabei die Koalitionsfraktionen je fünf, die kleineren Fraktionen je einen.

Entnahme einer einzelnen Zelle aus einem Embryo im Frühstadium, Foto: dpa (Archiv)
Forschung mit embryonalen Stammzellen: Gibt der neue Ethikrat Antworten?Bild: Picture-Alliance /dpa

Der vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einberufene Nationale Ethikrat war am 8. Juni 2001 erstmals zusammengetreten und sollte die Bundesregierung in Fragen der Gentechnologie und Biomedizin beraten. Er sollte die "ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft verfolgen, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben".

Berater oder Abnicker?

Seine Einsetzung war vor allem eine Reaktion auf die Diskussion um die Embryonenforschung und den Import menschlicher embryonaler Stammzellen. Dem Ethikrat gehörten zunächst 25, später 24 Sachverständige aus Wissenschaft, Politik, Industrie, Gewerkschaften, Philosophie und Theologie an, darunter je zwei Vertreter der beiden großen Kirchen. Er legte insgesamt zwölf Stellungnahmen zu bioethischen Themen vor, die vor allem durch den wissenschaftlichen Fortschritt besondere Brisanz erlangten, wie etwa die Frage nach der Selbstbestimmung am Lebensende, des Klonens von Menschen, die Anwendbarkeit von Stammzellen oder Organspenden.

Die Mitglieder des Nationalen Ethikrates, Horst Dreier, Eberhard Schockenhoff und Richard Schröder (v.l.), Foto: dpa (Archiv 2006)
Nur ein Abnickgremium? - Der ehemalige Nationale EthikratBild: Picture-Alliance /dpa

Kritiker sprachen dem Rat jedoch seine Rechtmäßigkeit als unabhängiges Gremium ab, weil er direkt vom Kanzler einberufen worden war und keine Repräsentativität der Gesellschaft vorwies. Sie bezeichneten ihn als "Abnickgremium der Bundesregierung" und ein Instrument Schröders zur Stärkung einer forschungsfreundlichen Linie.

Das war allerdings nicht immer so: Als sich der Nationale Ethikrat zuletzt mit dem Thema Stammzellen befasste, sprach sich mit 14 Mitgliedern eine nicht eben überwältigende Mehrheit für eine Liberalisierung aus. Neun stimmten dagegen, einer wählte einen ganz anderen Weg und plädierte für eine einmalige Stichtagsverschiebung. Wie die meisten der anderen Stellungnahmen des mit 2,14 Millionen Euro jährlich finanzierten Rates war das Ergebnis ein umfassendes Papier, das sich jedoch nicht als schnelle Argumentationshilfe im Parlaments-Alltag eignete.

Mitglieder stehen schon fest

Mitunter traf der Ethikrat auch kontroverse Entscheidungen: Etwa mit seiner Stellungnahme zu Organspenden im April 2007: Da schlug das Gremium vor, die Entnahme von Organen nach dem Tod gesetzlich zu erlauben, wenn der Verstorbene sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. Der Vorstoß wurde von Politikern aller Fraktionen kritisiert.

Die ehemalige Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, Kristiane Weber- Hassemer, Foto: dpa (Archiv)
Die ehemalige Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, Kristiane Weber- HassemerBild: Picture-Alliance /dpa

Seit dem 1. August 2007 ist das Ethikratgesetz Grundlage für den neuen Deutschen Ethikrat, der einmal monatlich tagen wird. Die Bestimmung seiner Mitglieder gilt als reine Formsache, denn schon im Vorfeld haben sich alle Fraktionen auf ihre Kandidaten geeinigt: Unter ihnen sind zahlreiche Philosophen, Ethiker und Mediziner, aber auch Kirchenvertreter, wie etwa der Weihbischof der Diözese Augsburg, Anton Losinger oder Eckhard Nagel, der Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2005 in Hannover. Zu den Mitgliedern zählt auch der promovierte Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Schauspieler Peter Radtke, der seit seiner Geburt an der Glasknochenkrankheit leidet, oder auch der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident und CDU-Politiker Erwin Teufel.

13 der 26 Mitglieder des neuen Gremiums waren bereits im Nationalen Ethikrat vertreten. Kritiker befürchten daher bereits jetzt, dass vieles so weitergehen könnte wie bisher. Einen ersten offiziellen Termin wird der Ethikrat wegen der langwierigen Diskussion um seine Besetzung kaum vorbereitet wahrnehmen können: In einer Woche steht in Slowenien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ein europäisches Treffen von

Ethikgremien an. (ina)

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