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Warum dauert die Impfstoff-Zulassung in der EU länger?

Alexander Freund | Michael Hartlep
18. Dezember 2020

Die Zulassung der Corona-Impfstoffe durch die EMA dauert zwar länger, ist aber gründlicher und entlässt die Hersteller nicht aus der Haftung.

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Schwarzmündige Bänderschnecke
Bild: picture-alliance/blickwinkel/fotototo

In Großbritannien und den USA sind die Impfungen mit BNT162b2, so der offizielle Name des Corona-Impfstoffs von BioNTech und Pfizer, bereits in vollem Gange, nachdem beide Länder eine Notfallzulassung erteilt haben.

Diese Entscheidung löste eine Debatte aus, warum die Europäische Union so viel länger braucht, um den Impfstoff zuzulassen.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte daraufhin ihre Zulassungsentscheidungen vorgezogen - beim Impfstoff-Kandidaten von BioNTech-Pfizer vom 29. auf den 21. Dezember und beim Impfstoff des US-Herstellers Moderna vom 12. auf den 06. Januar. Für die Moderna-Vakzine hatte die US-Arzneimittelbehörde FDA bereits am 18.12. eine Notfallzulassung empfohlen. 

Gleiches Ziel, unterschiedliche Wege

Die Europäische Union will keine Notfallzulassung für die Impfstoffe, sondern eine "bedingte Marktzulassung" nach einem "beschleunigten Verfahren". Hinter diesen Fachbegriffen verbirgt sich auch ein unterschiedliche Philosophie.

Niederlande l European Medicines Agency (EMA) in Amsterdam
In der EU entscheidet die EMA über eine Zulassung von Corona-ImpfstoffenBild: Robin Utrecht/picture alliance

Eine "bedingte Marktzulassung" nach einem "beschleunigten Verfahren" dauert zwar länger, ist aber sorgfältiger, weil mehr Daten vor und auch nach der Zulassung überprüft werden, weil die Herstellungsverfahren überwacht werden, weil die Marktzulassung länger gilt und auch weil die Hersteller nicht aus der Haftung entlassen werden.

Auch ein "beschleunigtes Verfahren" dauert

Um den Prozess in der Corona-Pandemie zu beschleunigen, wurden beim BioNTech-Pfizer-Impfstoff die drei klinischen Studien parallel durchgeführt, was Zeit sparte. Außerdem begann die EMA mit der Daten-Prüfung in einem so genannten Rolling-Review-Verfahren, sobald sie eintrafen. 

Bei aller Eile haben die EU-Beamten aber keine Abkürzungen genommen. Wie bei jedem anderen Impfstoff sind alle drei Phasen der klinischen Prüfung abgeschlossen, alle Daten wurden ausgewertet. 

Nachteile einer Notfallzulassung

Die USA, Großbritannien und eine Reihe anderer Länder haben einen anderen Ansatz gewählt. Deren Gesundheitsbehörden haben vor Wochen eine Notfallzulassung für den BioNTech-Pfizer-Impfstoff erteilt. Das heißt, noch bevor die Sicherheitsdaten vollständig ausgewertet sind, dürfen Ärzte den Impfstoff einsetzen. Das ist eine Abkürzung, die Zeit spart, aber auch Risiken birgt.

Deutschland Probelauf Impfzentrum in Ulm
Vielerorts stehen die Impfzentren bereit, fehlt nur noch der ImpfstoffBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Außerdem gilt eine Notfallzulassung nur, solange die Notsituation anhält, sie kann jederzeit aufgehoben werden. Das heißt: Jede neue Impfstoff-Charge muss erneut begutachtet und freigegeben werden.

Eine bedingte Marktzulassung wie jetzt durch die EMA bedeutet zudem, dass BioNTech-Pfizer haftbar bleiben, falls jemand eine ernsthafte Nebenwirkung durch die Impfung erleidet oder wenn Schäden erst nach der Zulassung auftreten.

Allerdings sah auch der Vorvertrag der Europäischen Union vor, die beiden Pharmakonzerne Biontech und Pfizer unter "bestimmten und strengen Bedingungen" für bestimmte Verbindlichkeiten zu entschädigen, falls einer der Hersteller für schadensersatzpflichtig befunden wird.

Durch Notfallzulassung keine Haftung

Bei einer Notzulassung (Emergency Use Authorization) ist der Hersteller grundsätzlich von der Haftung ausgenommen. Es ist dann Sache des Staates, für eventuelle Schäden aufzukommen.

Corona Impfstoff Pfizer
Schnelligkeit geht bei Impfungen nicht vor Sicherheit Bild: Robin Utrecht/picture alliance

Die USA sollen allen potentiellen Impfstoff-Herstellern eine Haftungsfreistellung im Falle unvorhergesehener Nebenwirkungen garantiert haben. Dieses sogenannte "No-Fault System", das bereits 2005 mit dem "Public Readiness and Emergency Preparedness Act" (PREP) eingeführt wurde, gewährleiste den Herstellern Planungs- und Kostensicherheit und ermögliche auch betroffenen Bürgern schnelle Entschädigungen im Schadensfall. Allerdings sind mögliche Entschädigungen gedeckelt und liegen deutlich unter den sonst möglichen Entschädigungen. 

Die EU-Behörden haben diesen Weg abgelehnt und sich für den etwas aufwendigeren Weg einer bedingten EU-Marktzulassung entschieden, den sie für sicherer hielten. Umso erfreulicher, dass die "beschleunigte Zulassung" trotzdem nicht wesentlich länger als die Notfallzulassung gedauert hat. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund