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PolitikSüdafrika

Wahlen in Südafrika - was steht auf dem Spiel?

Isaac Kaledzi
18. Mai 2024

Die Regierungspartei ANC steht bei den anstehenden Wahlen unter Druck. Viele Menschen in Südafrika haben das Vertrauen in Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung verloren. Können diese Wahlen das ändern?

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Wahlplakate in Pretoria, Südafrika
Am 29. Mai wählen die Südafrikaner ein neues ParlamentBild: Themba Hadebe/AP Photo/picture alliance

Seit dreißig Jahren leben die Südafrikaner in einer Demokratie, aber bei den Wahlen in diesem Jahr steht zum ersten Mal wirklich etwas auf dem Spiel. Mehreren Umfragen zufolge könnte die Partei des Präsidenten, der regierende African National Congress (ANC), am 29. Mai nach drei Jahrzehnten an der Macht ihre Mehrheit verlieren.

Steven Gruzd, der Leiter des African Governance and Diplomacy Programme am South African Institute of International Affairs, glaubt jedoch, dass der ANC sich noch immer eine knappe Mehrheit sichern könnte. "Mein Gefühl sagt mir, dass der ANC knapp über 50 Prozent der Stimmen bekommen wird, obwohl er sehr unbeliebt ist," sagt Steven Gruzd zur DW. Er ist aber der Meinung, dass die Wähler den ANC wegen der schlechten Regierungsbilanz während der langen Jahre an der Macht abstrafen werden.

Die Demokratie steht auf dem Spiel

Für Tessa Dooms, Soziologin und politische Analystin aus Südafrika, geht es bei diesen Wahlen nicht nur um die Zukunft des ANC, sondern um das gesamte demokratische Experiment des Landes. "Bei den Wahlen steht in diesem Jahr in Südafrika viel auf dem Spiel und das liegt daran, dass viele Menschen mittlerweile von der Demokratie enttäuscht sind", sagt sie.

Cyril Ramaphosa
Bei diesen Wahlen wird es knapp werden für Präsident Ramaphosa und den regierenden ANCBild: Denis Farrell/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Die Wahlen hätten für die Menschen nicht die Veränderung gebracht, die sie sich erhofften, so Dooms. Viele hätten daher die Hoffnung verloren, dass die Demokratie bei der gesellschaftlichen Entwicklung eine Rolle spielen könne. "Die Menschen wenden sich von den Wahlen ebenso wie von anderen demokratischen Institutionen ab" erklärt Dooms. Es herrsche das Gefühl vor, dass die Demokratie nicht funktioniere und nicht die erhofften Ergebnisse erziele.

Enttäuschte Wähler

Die Enttäuschung bei den Wählern sei groß, meint Dooms, doch viele setzten ihre Hoffnung darauf, am 29. Mai ihr Vertrauen in das Wahlsystem wieder zurückzugewinnen. Für sie lautet die Frage: "Kann das Vertrauen der Wähler, dass demokratische Prozesse tatsächlich zu Veränderungen und Ergebnissen führen können, die nicht nur einigen wenigen nutzen, wiederhergestellt werden?"

Enttäuschte Hoffnung - Südafrikas schwieriger Weg 

Die Ursachen für die dysfunktionale Demokratie sind in den Lebensbedingungen der normalen Bürger zu suchen. Südafrika mag die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents sein, doch viele seiner Bürger haben mit schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen.

In seiner Rede zur Lage der Nation betonte Präsident Ramaphosa im Februar, dass die Armut von 71 Prozent im Jahr 1993 auf 55 Prozent im Jahr 2020 gesunken sei. Zahlen der Weltbank zufolge liegt die Armutsquote seit 2008 bei etwa 62 bis 63 Prozent.

Bessere Lebensbedingungen für die Jugend

Die Wirtschaftslage dürfte bei den Wählern im Vordergrund stehen, meint Gruzd, denn viele möchten eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen sehen. "Die großen Themen im Land sind Energie, Korruption, fehlende Arbeitsplätze, die Ungleichheit und die Postdienste", erklärt er.

Dooms pflichtet ihm bei und fügt hinzu, dass diese Themen hauptsächlich die jungen Menschen beträfen, die sehr daran interessiert seien, ihre Lebensumstände zu verändern. "Ob Wasser, Strom oder Wohnraum, es gibt keinen Plan dafür wie diese Dienstleistungen bereitgestellt werden. Die Korruption ist ein Problem."

Im Jahr 2023 betrug die Arbeitslosigkeit 32,4 Prozent, doch mehr als die Hälfte davon sind junge Menschen. "Wichtig für die Wahlen und die Zeit danach wäre es nicht nur, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zu fördern, sondern mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und die Wirtschaft stärker zu diversifizieren."

Junge Südafrikaner kämpfen für ihre Demokratie

"Bei diesen Wahlen stellen die jungen Wähler den größten Wählerblock. 42 Prozent der registrierten Wähler sind jünger als 40 Jahre. Das macht 11 Millionen Wähler", fügt sie hinzu. Viele dieser jungen Wähler, die für den Ausgang der Wahlen entscheidend sein können, seien jedoch noch unentschieden, so Dooms. Verantwortlich dafür macht sie eine mangelnde Aufklärung der Wähler und die Gleichgültigkeit junger Wähler, die damit beschäftigt sind, ihre Alltagsprobleme zu lösen.

"Viele junge Menschen haben das Gefühl, Politik sei etwas für die Alten, obwohl die Jungen in der Mehrheit sind", bedauert sie.

Südafrikas Klage gegen Israel

Die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof könnte nach Einschätzung von Gruzd bei den Wahlen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Im Dezember 2023 reichte Südafrika Klage ein, mit dem Vorwurf, Israel verletze seine Verpflichtungen gemäß Völkermordskonvention. Südafrika forderte mit dem Antrag vorläufige Maßnahmen, um die Rechte der Palästinenser im Rahmen der Konvention zu schützen und die Einhaltung der Konvention durch Israel sicherzustellen.

Ägypten kündigte an, dass es den Fall unterstütze und sich der Klage anschließen wolle. "Südafrikas Auftreten am Internationalen Gerichtshof und die Völkermord-Klage wird von manchen als verzweifelter Versuch betrachtet, die Stimmen der muslimischen Wähler, die besonders am Westkap entscheidend sein können, zu gewinnen", erklärt Gruzd.

Der Faktor Zuma

Auch die Entscheidung des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, den ANC zu verlassen und eine neue Partei zu gründen, schmälern die Chancen des ANC auf einen Wahlsieg. "Das spielt eine große Rolle dabei, wie diese Wahlen ausgehen können", sagt Dooms. Die Kandidatur von Zuma habe den ANC stark verunsichert.

Jacob Zuma
Südafrikas Ex-Präsident Zuma hat sich von der Regierungspartei ANC abgewendetBild: AP/picture alliance

Gruzd ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Zuma-Faktor den ANC den Wahlsieg kosten könnte. Ein Koalitionspartner für die Regierungsbildung könnte jedoch notwendig werden. "In den ländlichen Regionen ist der ANC noch immer sehr populär. Manchmal neigen wir dazu, die Dinge zu sehr aus dem urbanen Blickwinkel zu betrachten", mahnt er. "Ich denke, der ANC befindet sich im langsamen Niedergang und daran wird sich nichts ändern, aber so einfach wird er die Macht nicht aufgeben."

Koalitionsgespräche werden nicht einfach

Gruzd geht davon aus, dass die Koalitionsgespräche schwierig werden, sollte der ANC die Regierung nicht alleine bilden können. "Wenn die Umfragen zutreffen und ich falsch liege, kommt der ANC vermutlich nicht darum herum, Koalitionspartner zu finden," sagt er und fügt hinzu, dass viele eine Koalition mit den Economic Freedom Fighters (EFF) fürchten würden, einer Partei, die von dem streitbaren Politiker Julius Malema angeführt wird.

"Für viele Menschen ist eine Koalitionsregierung von ANC und EFF ein Schreckensszenario, das den ANC nur noch weiter radikalisieren und politisch nach links drängen würde. Die Märkte würden darauf sehr schlecht reagieren", vermutet Gruzd. Er bezweifelt außerdem, dass der ANC eine effektive Koalition mit der Oppositionspartei Democratic Alliance bilden könnte.

Wie auch immer die Wahlen ausgingen, meint Dooms, die Südafrikaner hofften auf Veränderungen, die wirtschaftliche Entwicklungen und Sicherheit bringen und die große Ungleichheit, die im Land herrscht, in Angriff nimmt. "Die Menschen in die Wirtschaft einzugliedern ist sehr wichtig. Kriminalität und Sicherheit sowie das Gefühl der Menschen, in der Gesellschaft versorgt und sicher zu sein, ist für die Wähler enorm wichtig", bekräftigt sie.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.