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Wagner: "Wir werden Liverpool fordern"

Matt Pearson
27. Oktober 2017

Aufsteiger Huddersfield Town sorgt in der Premier League für Furore. Im DW-Interview spricht Hudderfields deutscher Trainer David Wagner über die Stimmung im Klub und das Duell gegen Jürgen Klopps FC Liverpool.

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David Wagner, Trainer des Premier-League-Aufsteigers Huddersfield Town, in Siegerpose. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/Sportimage/S. Sells

DW: Vor fünf Monaten sind Sie mit Huddersfield überraschend aus der Championship [2. englische Liga] aufgestiegen. Was hat sich seitdem für Sie und den Verein verändert?

Wagner: Die Premier League ist einfach nicht mit der Championship vergleichbar. Es ist ein völlig anderes Geschäft, ein völlig anderes Umfeld, eine völlig andere Liga. Und auch der Fußball unterscheidet sich sehr. Jeder Gegner in der Premier League ist besser als die Mannschaften, auf die wir in der vergangenen Saison getroffen sind. Wir befinden uns nun in jeder Beziehung auf einer anderen Ebene und spüren das auch jeden Tag. Wir passen uns permanent an - natürlich auch an den ganzen kommerziellen Medienzirkus. Die Premier League ist ein weltweites Produkt. Wir spielen am Wochenende Partien, die in mehr als 150 Länder übertragen werden. Wir sind jetzt Teil dieses gewaltigen Geschäfts.

David Wagner, Trainer Huddersfield
Geschafft! Aufstieg in die Premier League Bild: Getty Images/AFP/G. Kirk

Sie haben in der Premier League mit 20 Mannschaften weniger Spiele als in der Championship mit 24 Teams. Wie nutzen Sie die zusätzliche Zeit?

Wir profitieren davon, dass wir weniger Partien haben. Wenn ein Spiel das nächste jagt, schaust du nur noch auf die nächste Partie, die vor der Tür steht. Es fehlt dann die Zeit, das letzte Spiel zu analysieren, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und dich weiterzuentwickeln. Sieg, Niederlage oder Unentschieden - man versucht immer, aus der letzten Partie das Gute herauszunehmen und das weniger Gute wegzulassen. Man darf sich aber nicht hineinsteigern, wenn es mal besonders erfolgreich oder weniger erfolgreich läuft, sondern muss Tag für Tag auf die Arbeit im Training fokussiert bleiben.

Nach einem beeindruckenden Saisonstart mit zwei Siegen und einem Unentschieden folgte eine schwierigere Phase, die in der 0:4-Niederlage gegen Tottenham gipfelte.

Wir müssen realistisch bleiben. Es kann immer wieder Perioden geben, in denen wir acht, neun oder zehn Spiele nicht gewinnen, vielleicht sogar fünf oder sechs in Serie verlieren. Diese Möglichkeit wird für Fußballvereine wie uns immer bestehen. Genau genommen wäre es doch mehr als überraschend, wenn wir nicht in diese Situationen gerieten. Es kommt dann darauf an, fokussiert zu bleiben, den Zusammenhalt nicht zu verlieren, und alles daran zu setzen, die Lage zu ändern. Man muss stark genug sein, um sich nicht unterkriegen zu lassen und sich auf das nächste Spiel zu konzentrieren, statt auf die Vergangenheit, die man sowieso nicht ändern kann. Unsere einzige Überlebenschance besteht darin, ruhig und bescheiden zu bleiben. Wir haben es bisher gut hinbekommen, ehrgeizig zu sein, aber auch realistisch zu bleiben. Wir dürfen das Außergewöhnliche nicht für selbstverständlich nehmen, sondern müssen stetig dafür arbeiten, dass diese außerordentliche Situation eines Tages für uns normal wird.

Spieler von Huddersfield Town bejubeln einen Treffer gegen Manchester United. Foto: dpa-pa
Feiertag in Huddersfield: 2:1-Sieg am vergangenen Wochenende gegen Manchester UnitedBild: picture-alliance/Actionplus

Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass der 2:1-Sieg gegen Manchester United am vergangenen Wochenende einer der stolzesten Momente ihres Lebens gewesen sei. Haben Sie auf diese Leistung hingearbeitet?

Das war das perfekte Beispiel dafür, dass etwas Außergewöhnliches passiert. Wir haben gut gespielt, waren sehr, sehr aggressiv, haben nicht einen einzigen individuellen Fehler gemacht und waren richtig abgezockt. Okay, Manchester United hatte nicht seinen besten Tag. Aber wir hatten diese unglaubliche Unterstützung der Fans, das Stadion vibrierte förmlich, und es konnte nur ein Ergebnis geben: drei Punkte für uns. Das war für mich als Trainer dieses Fußballvereins etwas ganz Besonderes. Jeder von uns spürte den Glauben an und das Vertrauen in unsere Arbeit. Wir haben uns das in den vergangenen Jahren aufgebaut. Aber so ein Ergebnis gegen einen solchen Gegner hilft dir einfach in der Umkleidekabine, weil der Verein und du selbst nun weißt, dass in jedem einzelnen Spiel alles möglich ist - auch wenn du vielleicht nicht immer alle Punkte holst, du hast die Chance. Deshalb wird uns dieses Ergebnis für den Rest der Saison helfen.

An diesem Samstag gegen den FC Liverpool bietet sich Ihnen die nächste Chance …

Gegen Liverpool muss es genauso laufen wie am vergangenen Samstag, wirklich alles muss bei uns passen, um erfolgreich zu sein. Ich sagte es vor dem Spiel gegen Manchester United, und ich sage es jetzt noch einmal: Ich erwarte von uns kein bestimmtes Resultat, aber ich hoffe und glaube auch, dass wir eine Chance haben. Wir wissen, dass wir mithalten können. Aber damit es auch so kommt, müssen wir alles richtig machen, und die Liverpooler einen schlechten Tag erwischen. Alles was ich von uns erwarte, ist, dass wir sie richtig fordern. Das werden wir versuchen.

Werden Sie Ihr Team gegen Liverpool anders spielen lassen?

Wir werden gegen Liverpool ganz sicher weniger Ballbesitz haben als gegen andere Mannschaften, aber wir werden genauso energisch und aggressiv wie immer verteidigen. Ob wir nun ein bisschen höher oder tiefer stehen, weniger oder mehr Ballbesitz haben - der Charakter unseres Spiels sollte sich niemals ändern.

Jürgen Klopp und David Wagner. Foto: dpa-pa
Beste Freunde: Klopp (l.) und Wagner waren Trauzeugen beim jeweils anderenBild: picture-alliance/dpa/D. Howarth

Sie sind eng mit Liverpools Trainer Jürgen Klopp befreundet. Verschafft das einem von Ihnen einen taktischen Vorteil?

Nein, keiner von uns hat einen Vorteil, nur weil er so viel vom jeweils anderen weiß. Wir kennen die individuellen Stärken, Schwächen, die Gegenspieler, die Jugendakademien, die Vorstände, die Besitzer - alles was er in Liverpool hat und ich hier in Huddersfield.

Apropos Jugendakademien. Unterscheidet sich die Entwicklung der jungen Talente in England von der in Deutschland?

Die britische Jugendarbeit bringt viele 17, 18, 19 Jahre alte Talente hervor, viele sehr gute Spieler, mindestens so gut wie ihre Gegenüber in Deutschland. Aber warum auch immer, sie halten oder verbessern ihr Niveau nicht, bis sie 21,22 oder 23 Jahre alt sind. Ich bin mir nicht sicher, woran das liegt. Vielleicht geben wir in Deutschland jüngeren Spielern häufiger als in England die Chance, in der ersten Mannschaft Wettkampferfahrung zu sammeln. Vielleicht liegt es daran, dass in Deutschland auch die zweiten Mannschaften der Vereine Ligaspiele austragen. In England gibt es traditionell eine Trennung zwischen Wettbewerbsfußball einerseits und Jugend- oder Akademiefußball andererseits. Und die unter 23-Jährigen gehören in der Regel zum Akademie- und nicht zum Wettbewerbsfußball.

Borussia Dortmund ist ein gutes Beispiel für einen Klub, der jungen Spielern eine Chance gibt. Beobachten Sie diesen Verein? Verfolgen Sie noch die Bundesliga?

Selbstverständlich. In England werden viele Bundesliga-Spiele übertragen. Wenn ich Zeit habe, sehe ich mir die Partien live an, oder ich halte mich mittels Internet auf dem neuesten Stand. Dortmund macht das im Augenblick richtig gut und ist deshalb Spitzenreiter. Der BVB hat davon profitiert, dass Bayern München Probleme hatte. Es ist noch früh in der Saison, aber ich denke schon, dass Dortmund eine starke, junge, talentierte Mannschaft beisammen hat.

David Wagner trainiert seit 2015 Huddersfield Town. Der 46 Jahre alte Deutsche führte den englischen Verein in diesem Jahr aus der zweiten englischen Liga in die Premier League. Huddersfield hat rund 150.000 Einwohner und liegt zwischen Manchester und Leeds. Von 2011 bis 2015 hatte Wagner vier Jahre lang die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund trainiert und mit Jürgen Klopp zusammengearbeitet, der in dieser Zeit BVB-Cheftrainer war. Beide sind seit ihrer gemeinsamen Zeit als Spieler des FSV Mainz 05 in den 1990er Jahren eng befreundet.

Das Interview führte Matt Pearson.