1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vor 50 Jahren gestorben: Gustaf Gründgens

Jochen Kürten25. September 2013

Jahrhundertschauspieler und Charismatiker auf der Bühne und vor den Kameras. Gustaf Gründgens Erfolgsgeschichte riss auch unter den Nazis nicht ab. Vor 50 Jahren starb der berühmteste aller Mephisto-Darsteller.

https://p.dw.com/p/19mDG
Gustaf Gründgens als Mephisto (Foto: Imago United Archives)
Bild: Imago/United Archives

Es ist auch eine deutsche Geschichte: die des Schauspielers Gustaf Gründgens, an die in diesen Tagen wieder einmal erinnert wird. Vor 50 Jahren (am 7. Oktober 1963) starb er unter bis heute nicht völlig geklärten Umständen in Manila, auf den Philippinen. Dort wollte er mit seinem jugendlichen Freund ausspannen, eine Überdosis an Schlaftabletten, ob absichtlich oder nicht eingenommen ist unklar, setzte seinem bewegten Leben damals ein Ende.

Vor kurzem sah man in Deutschland noch einen Film über den Schauspieler Heinrich George im Fernsehen und davor über den ersten deutschen Oscarpreisträger Emil Jannings. Nun also Gustaf Gründgens. Bei allen drei Schauspielerlegenden dreht sich im Rückblick vieles um deren Verhältnis zu den Nationalsozialisten und die Frage, ob sie von den braunen Machthabern profitiert haben.

Bei Gründgens, dem wohl größten Theatermimen seiner Zeit, war das keine Frage und Gründgens war von den Dreien auch derjenige, der nach Ende des Krieges die Laufbahn fortsetzen konnte, erneut die Bühnen der Republik eroberte. Unvergessen und tief im Bewusstsein der Westdeutschen in der Nachkriegszeit sein Auftritt als Mephisto im Goethe-Drama vor den Kameras und auf den Theaterbrettern.

Gruendgens, Gustaf und Hoppe, Marianne, (Foto: ullstein bild - Rosemarie Clause)
Eher eine tiefe Seelenfreundschaft: Gründgens mit seiner Frau Marianne HoppeBild: ullstein bild - Rosemarie Clause

Der Gründgens-Experte Thomas Blubacher hat die Biografie zum 50.Todestag geschrieben und in ihr kann man noch mal nachlesen, wie alles war: der Aufstieg zum Theaterstar Ende der 20er Jahre und die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. Es klingt nicht abwegig, wenn Blubacher Gründgens Aufstieg zum Vorzeigeschauspieler des NS-Regimes damit begründet, dass Hermann Göring Gründgens förderte, auch um den Rivalen Goebbels auszustechen. Göring, der sich gern in Phantasieuniformen zeigte, (gestohlene) Kunst bis zum Exzess sammelte und sich als exzentrischer Herrscher alter Prägung aufspielte, konnte dem Schauspieler wohl eher dessen divenhaftes Gehabe und die Homosexualität verzeihen. "Görings Luxuschampion gegen die engere Kulturpolitik der Partei" nannte ihn Carl Zuckmayer. "Das Theater war das Spielzeug seines Schutzherren Göring, und Gründgens hatte Narrenfreiheit", brachte es eine Kollegin auf den Punkt.

Denn erstaunlich ist es schon, wenn man sich heute vor Augen führt, dass dieser schillernde Mime, der sich mit jungen Männern umgab, bei den Nazis solch eine Karriere machen konnte. Gründgens war, und da glich er Heinrich George, Emil Jannings und einigen anderen mehr, in erster Linie Schauspieler, der spielen wollte. Gründgens suchte die Kunst, das Theater, das Spiel, nicht die Politik. Gründgens war kein Nazi, kein Ideologe, aber einer, der mitmachte, der im Lande bleib: "Sollte ich dieses Elend der Emigranten noch um einen unnützen Esser vermehren?", fragte Gründgens später, "Ich war weder Jude noch Kommunist. Wer hätte sich um mich gekümmert?" Andere haben diese Fragen nicht mit dem Daheimbleiben beantwortet und sind ins Exil gegangen. Gründgens nicht. Ihm ging es ja gut.

Gustaf Gründgens (Foto: Imago teutopress)
Gustaf Gründgens mit jungen JahrenBild: Imago/teutopress

Nach dem Krieg hat er schnell wieder in der BRD Fuß fassen können, inszenierte, spielte, war Intendant und einflussreicher Theaterguru. Bezahlt hat er das wohl auch mit zahlreichen psychischen und physischen Malaisen, die Thomas Blubacher in seiner Biografie eindrucksvoll auflistet. Gustaf Gründgens war auf der Bühne zweifellos ein Genie, ein Jahrhundertschauspieler - in seinen letzten Lebensjahren hat er viel gelitten, krank und einsam, hat er unaufhörlich gespielt. Als er dann Ruhe brauchte und kürzer treten wollte, war es zu spät. Vielleicht auch dies ein Preis für die Jahre zwischen 1933 und 1945.

Zum Weiterlesen: Thomas Blubacher: Gustaf Gründgens, Biografie, Henschel Verlag 2013, 432 Seiten, ISBN 978-3894877026.