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Libyen Staatsterrorismus

5. April 2011

Das Attentat auf die Berliner Diskothek "La Belle" am 5.4.1986 forderte drei Menschenleben. Im Prozess gegen die Angeklagten ging es auch darum, den Vorwurf des Staatsterrorismus zu belegen.

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Berliner Diskothek La Belle - nach dem Anschlag (Foto: AP)
Ort des Grauens: die Diskothek "La Belle" nach dem AttentatBild: AP

5. April 1986 - es ist eine Samstagnacht. Auf der Tanzfläche der Diskothek "La Belle" in Berlin-Friedenau tanzen die Partygäste zu heißen Funk-Rhythmen. Um 1:49 Uhr ist die Party jäh zu Ende. Es gibt eine laute Detonation. Der Boden des Clubs reißt auf, einige Gäste stürzen durch ein Loch hinab in den Keller. Drei Menschen kostet der Anschlag das Leben, 30 Menschen werden schwer verletzt, 250 Trommelfelle reißen. Unter den Toten sind auch zwei Angehörige der US-Armee. Die Diskothek wird vornehmlich von Angehörigen der amerikanischen Schutzmacht in Berlin besucht.

Tanz in den Tod

Berliner Diskothek La Belle - nach dem Anschlag (Foto: AP)
Die Berliner Diskothek wurde vor allem von US-Soldaten besuchtBild: AP

Der Club "La Belle" wurde von den Attentätern gerade wegen der amerikanischen Gäste ausgewählt. Neun Tage nach dem Anschlag auf die Berliner Diskothek schickt der damalige US-Präsident Ronald Reagan als Akt der Vergeltung Kampflugzeuge nach Tripolis und Bengasi. Beim Bombardement der beiden Städte sterben 39 Zivilisten, darunter auch eine angebliche Adoptivtochter Gaddafis.

Der Prozess gegen die mutmaßlichen Bombenleger in Berlin konnte jedoch erst nach dem Fall der Berliner Mauer beginnen. Die Öffnung der Stasi-Akten nämlich gab Aufschluss über Planung und Ausführung der Tat. Der Geheimdienst der DDR, so sollte sich herausstellen, war über das Attentat im Bilde.

Der DDR-Geheimdienst wusste Bescheid

Aus den Unterlagen ging hervor, dass die libysche Repräsentanz in Ost-Berlin die eigentliche Schaltzentrale für das Attentat war. Im Januar 1997 erhebt die Staatsanwaltschaft endlich Anklage gegen vier Verdächtige, doch der Prozess kommt nur schwer voran. Auslieferungsanträge werden gestellt, Teilgeständnisse abgelegt und wieder zurückgenommen.

Michael Steiner (Foto: AP)
Kanzlerberater Michael Steiner verhandelte in Tripolis mit GaddafiBild: AP

Im darauffolgenden Jahr gerät mit dem Anschlag auf ein amerikanisches Passagierflugzeug über dem schottischen Ort Lockerbie Libyen zum zweiten Male in den Verdacht des staatlich verordneten Terrors.

Im März 2001 führt der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Schröder, Michael Steiner, mit dem libyschen Staatschef Gaddafi in Tripolis ein Gespräch. Darin soll dieser die Verwicklung in terroristische Aktivitäten zugestanden haben. Über den Umweg der deutschen Botschaft in Washington und eine Protokollnotiz über eine Unterredung zwischen dem damaligen Bundeskanzler Schröder und US-Präsident George W. Bush gelangt das vermeintliche Geständnis Libyens an die Öffentlichkeit.

Geheimprotokoll aus Washington

Der deutsche Regierungssprecher Karsten Heye bestätigt wenig später das bis dahin geheim gehaltene Gespräch, bleibt aber vage: "Gaddafi hat sich in diesem Gespräch vom Terrorismus distanziert. Über Einzelfälle aus der Vergangenheit wurde nicht gesprochen." Ob es jemals ein rechtsgültiges Geständnis der libyschen Staatsführung gegenüber deutschen Regierungsvertretern gegeben hat, kann auch ein Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages nicht endgültig klären. Im November 2001 wird das Urteil im La Belle-Prozess verkündet. Der Vorsitzende Richter Peter sieht die Verwicklung des libyschen Staates nach vierjähriger Prozessdauer als "eindeutig erwiesen" an. Die 42-jährige Verena Chanaa wird wegen Mordes in drei Fällen zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen Depressionen entgeht sie der lebenslangen Strafe. Ihren früheren Ehemann Ali Chanaa, den Libyer Abulgasem Eter und den Palästinenser Yasser Chraidi spricht das Gericht nur wegen Beihilfe zum Mord und wegen versuchten Mordes schuldig. Chraidi erhält 14 Jahre Haft, Chanaa und Eter zwölf. Die Opfer und ihre Anwälte zeigen sich nach dem Urteilsspruch enttäuscht. Axel Schirmack, einer der beteiligten Anwälte der Nebenkläger, fordert die Bundesregierung zur Hilfe bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen auf.

Gerhard Schröder und Muammar Gaddafi (Foto AP)
Diplomatischer NeuanfangBild: AP

Libyen zahlt Entschädigung

Nach zähen Verhandlungen mit den Anwälten der Opfer erklärt sich die libysche Gaddafi-Stiftung im September 2004 bereit, 35 Millionen Dollar für die Opfer des Attentats zu zahlen – Tripolis feiert dies als "Initiative der Menschlichkeit". Diese Entschädigungszahlungen machen den Weg für die Normalisierung der deutsch-libyschen Beziehungen frei. Im Oktober 2004 reist sogar der damalige Kanzler Gerhard Schröder höchstpersönlich zum Besuch Gaddafis nach Tripolis - die Spannungen im deutsch-libyschen Verhältnis sind weitgehend ausgeräumt.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Thomas Latschan/Matthias von Hein