1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

USA: Russland verstärkt Truppen an Grenze zur Ukraine

17. Februar 2022

In der Krise um einen möglichen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat die US-Regierung Moskau Falschinformationen vorgeworfen. Bundeskanzler Scholz telefoniert mit US-Präsident Biden.

https://p.dw.com/p/478r3
Konflikt I Belarus I Ukraine I Russland
Satellitenbild von militärischer Ausrüstung am Donuslaw-See auf der von Russland annektierten Halbinsel KrimBild: Maxar Technologies/AP/picture alliance

Die US-Regierung stuft den von Moskau angekündigten Teilabzug russischer Truppen zur Entspannung des Ukraine-Konflikts als Falschinformation ein und geht stattdessen von einem weiteren Ausbau der Militärpräsenz aus. In den "zurückliegenden Tagen" habe Russland rund 7000 zusätzliche Soldaten in die Nähe der ukrainischen Grenze gebracht, "und einige davon kamen erst heute an", sagte ein ranghoher Beamter des Weißen Hauses am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington.

Erkenntnisse der US-Regierung zeigten inzwischen, dass Russlands Ankündigung eines Teilabzugs"falsch" sei. "Russland sagt, es wolle eine diplomatische Lösung finden, aber seine Handlungen deuten auf das Gegenteil hin", erklärte der Beamte in einem Briefing für Journalisten. Zwar würde Moskau "Gespräche anbieten und Behauptungen zur Deeskalation" machen, doch "insgeheim für einen Krieg mobilisieren", so der Regierungsvertreter.

Die Angst in den Dörfern

Der Top-Beamte aus Präsident Joe Bidens Regierung durfte den Regeln der Unterrichtung zufolge nicht namentlich genannt werden. Zudem gebe es weiter Informationen, wonach Russland "jederzeit" Ereignisse inszenieren oder erfinden könnte, um eine "Ausrede" für einen Angriff auf die Ukraine zu schaffen, sagte der Beamte weiter. Es könnte zum Beispiel eine Provokation in der ostukrainischen Region Donbass geben. Es könnte auch vermehrt russische Falschinformationen geben, darunter grundlose Behauptungen, dass die USA und die Ukraine "biologische oder chemische Waffen" einsetzten, sagte der Beamte.

Scholz telefoniert mit Biden

Das Risiko einer Aggression Russlands gegen die Ukraine besteht auch nach Einschätzung von Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz weiter. Beide seien sich während eines Telefonats einig gewesen, dass die Situation in der Region angesichts des massiven russischen Truppenaufmarsches im Grenzgebiet zur Ukraine als überaus ernst einzuschätzen sei, erklärte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit.

Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz
Kanzler Scholz und US-Präsident Biden, hier Anfang Februar in Washington, fordern vom Kreml DeeskalationBild: Leigh Vogel/ZUMA/imago images

Beide Politiker begrüßten Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass diplomatische Bemühungen fortgesetzt werden sollten. Es gelte, sie nun mit Hochdruck weiterzuverfolgen. Es komme darauf an, in einen konstruktiven Dialog zu Fragen der europäischen Sicherheit einzusteigen, zur Umsetzung der Minsker Abkommen zu gelangen und mit Unterstützung Deutschlands und Frankreichs im Normandie-Format voranzukommen.

Mehr als 150.000 russische Soldaten?

Moskau hatte am Dienstag den Abzug eines Teils seiner Truppen von der ukrainischen Grenze angekündigt. US-Präsident Biden warnte anschließend dennoch von einem weiterhin möglichen russischen Einmarsch in das Nachbarland. An der russisch-ukrainischen Grenze befänden sich inzwischen "mehr als 150.000" russische Soldaten.

Belgien Brüssel | Pressekonferenz: Jens Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Stoltenberg glaubt nicht, dass Russland seine Truppen an der Grenze tatsächlich reduziertBild: Olivier Matthys/AP/picture alliance

Ähnlich äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch. Er sehe bisher keine Anzeichen für einen russischen Truppenabzug. "Im Gegenteil, Russland scheint seine Militärpräsenz weiter auszubauen."

Auch der Chef des britischen Militärnachrichtendienstes wirft Russland vor, seine Streitkräfte an der Grenzregion zur Ukraine zu verstärken. "Wir haben keine Beweise dafür gesehen, dass Russland seine Truppen von den Grenzen der Ukraine abgezogen hat. Im Gegensatz zu seinen Beteuerungen baut Russland seine militärischen Fähigkeiten in der Nähe der Ukraine weiter aus", sagte Generalleutnant Jim Hockenhull. Es seien Sichtungen zusätzlicher gepanzerter Fahrzeuge und Hubschrauber, die sich auf die Grenzen der Ukraine zubewegen, sowie eines Feldlazaretts gemeldet worden. "Russland verfügt über die militärische Stärke, um eine Invasion in der Ukraine durchzuführen."

NATO fordert "echten Truppenabzug"

Ukraine warnt vor "faulen Kompromissen"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russische Darstellung eines teilweisen Truppenanzugs von der ukrainischen Grenze ebenfalls zurückgewiesen. "Wir glauben nicht, was wir hören, sondern nur das, was wir sehen. Bislang gibt es für einen Truppen-Abzug keine Bestätigung", sagte der Staatschef der "Bild"-Zeitung.

Sein Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, warnte die Bundesregierung vor "faulen Kompromissen" im Ukraine-Konflikt. Die Ampel-Regierung dürfe keine Zugeständnisse an Putin machen, um einerseits eine freie Bündniswahl zu bekräftigen und gleichzeitig die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, so Melnyk in den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

USA I Janet Yellen
US-Finanzministerin Yellen rechnet mit weltweiten Folgen bei Sanktionen gegen RusslandBild: Patrick Semansky/AP/picture alliance

Yellen befürchtet weltweite Auswirkungen

US-Finanzministerin Janet Yellen zeigte sich besorgt über mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Ukraine-Krise. "Wir machen uns wegen der Bedeutung von Russland als Lieferant von Öl für den Weltmarkt und von Erdgas für Europa Sorgen über mögliche Auswirkungen auf die Energiemärkte", sagte Yellen der Nachrichtenagentur AFP.

Sie räumte ein, dass Sanktionen gegen Russland im Falle eines Einmarsches in die Ukraine auch Folgen für andere Länder haben würden. "Wenn Sanktionen verhängt werden, wollen wir natürlich, dass die größten Kosten auf Russland fallen", betonte Yellen. "Aber wir erkennen an, dass Sanktionen auch weltweite Auswirkungen haben werden."

mak/wa (afp, dpa, rtr)