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US-Gas könnte so schädlich sein wie Kohle

10. Juli 2018

In den USA gelangt bei der Öl- und Gasförderung 60 Prozent mehr Methan in die Atmosphäre als angenommen. Laut einer Studie entweicht das klimaschädliche Treibhausgas durch Lecks bei der Brennstoffgewinnung.

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USA Fracking Bohrstelle Bohrung Colorado
Bild: picture-alliance/dpa/B. Linsley

Fracking boomt in den USA. Mit Hilfe von Chemikalien und hohem Druck wird Gestein unterirdisch aufgesprengt und dabei Öl und Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, freigesetzt. Ein großes Problem bei dieser Methode ist, dass das Gas nicht komplett aufgefangen wird und deshalb viel klimaschädliches Methan in die Atmosphäre entweicht.

Ein Team von US-Wissenschaftlern aus 16 Forschungseinrichtungen wiesen in einer Studie jetzt nach, dass bei der gesamten Öl- und Gasförderung in den USA 60 Prozent mehr Methan in die Atmosphäre gelangt, als von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA bisher angenommen. Das sind rund 2,3 Prozent der gesamten US-Gasproduktion. Fracking trägt einen besonders großen Teil dazu bei.

In der Fachzeitschrift Science präsentierten die Wissenschaftler ihre Ergebnisse. "Diese Studie liefert die bisher beste Schätzung der Klimawirkung von Öl- und Gasaktivitäten in den USA", sagte Co-Autor Jeff Peischl. "Es ist der Höhepunkt von 10 Jahren Studien von Wissenschaftlern im ganzen Land."

Mehr dazu: Hoher Methanausstoß gefährdet Klimaziele 

US-Gas nicht besser als Kohle

Methan (CH4) ist das zweitwichtigste menschengemachte Treibhausgas. Obwohl es im Vergleich zu CO2 viel weniger freigesetzt wird, ist es für rund ein Drittel der Erderwärmung verantwortlich. "Bei einem Zeithorizont von 20 Jahren ist die Klimawirkung von Methan 86-mal höher als der von Kohlendioxid", heißt es in der Analyse zu Erdgas vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IAAS).

Im Vergleich zur Kohle galt Erdgas bisher immer als klimafreundlichere Energie. Das Bundesumweltamt (UBA) geht davon aus, dass Kraftwerke in Europa, die mit Gas aus Russland, Norwegen oder den Niederlanden Strom produzieren, im Vergleich zur Kohlekraft rund 40 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre emittieren. Im UBA-Bericht flossen auch die gemeldeten Methan-Leckagen bei Erdgasgewinnung und Pipelinetransport in Europa und Russland ein.

Beim US-Fracking-Gas sieht die Klimabilanz im Vergleich zur Kohle nun allerdings nicht mehr positiv aus. Laut der gerade veröffentlichten US-Studie haben die erhöhten, unbeabsichtigten Methanemissionen zur Folge, dass die Nutzung des Gases etwa so klimaschädlich ist wie die Nutzung von Kohle. Der potentielle Klimaschutzvorteil durch die Umstellung von Kohle auf Erdgas werde somit in den USA untergraben, lautet das Fazit der Autoren.

Die Forscher plädieren deshalb für eine bessere US-Gasproduktion: "Bei richtiger Überwachung können die Emissionen von Erdgas tatsächlich deutlich reduziert werden", sagt Co-Autor Colm Sweeney, Atmosphärenwissenschaftler vom National Oceanic and Atmospheric Adminstration (NOAA). "Die Identifizierung der größten Leckagen könnte die Emissionen, die wir gemessen haben, erheblich reduzieren."

Infografik CO2 Emissionen müssen sinken (Sperrfrist: 28.06.2017 19:00:00) DEU
Klimagase müssen schnell sinken. Dies gilt auch für Methan

Umweltschützer mahnen zur Eile

Erdgas galt bislang als klimafreundliche Brückentechnologie. Umweltschützer aus der ganzen Welt warnen allerdings vor dem weiteren Ausbau der Förderung und der Gas-Infrastruktur. Selbst bei einem sofortigen Kohleausstieg würde die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad schon durch die Ausbeutung von bereits erschlossenen Öl- und Gasfelder möglicherweise überschritten werden, heißt es im Gas-Bericht von Oil Change international, der von 20 internationalen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen herausgegeben wurde.

„Die Welt hat weder Zeit noch Platz, um Gas als Übergangskraftstoff zu nutzen. Die Welt muss bis 2050 vollständig decarbonisiert sein, wenn wir gute Chancen haben wollen, eine Klimakrise mit katastrophale Ausmaßen zu verhindern", sagt Lidy Nacipil aus den Philippinen, Koordinatorin von Asian Peoples‘ Movement on Dept and Development.

Deswegen müsse die Nutzung aller fossilen Brennstoffe so schnell wie möglich eingestellt werden. "Diejenigen, die für eine Beschleunigung der Produktion und des Verbrauchs von Gas im Übergang eintreten, sind entweder unwissend gegenüber der Wissenschaft oder täuschen absichtlich", betont Nacipil.

Der Bericht warnt vor Investitionen in die fossile Infrastruktur, sieht die Konkurrenzfähigkeit der Erneuerbaren Energien bereits heute gegeben und große Chancen für den Durchbruch von Speichertechnologien im nächsten Jahrzehnt.

"Fossiles Gas ist die falsche Lösung. Es gibt Erneuerbare Energien. Sie sind nachhaltig, effektiv bei den Kosten und können vor Ort von den ärmsten Menschen genutzt werden. Warum brauchen wir dann noch Gas als 'Brückentechnologie', wenn man direkt zu den sauberen Energien springen kann?", sagt Klimaexpertin Katherine Kramer von der britischen Entwicklungsorganisation Christian Aid.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion