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Ungarn will IWF hinauswerfen

15. Juli 2013

Ungarns Notenbankchef Matolcsy fordert den Internationalen Währungsfonds auf, seine Vertretung in Budapest zu schließen. Außerdem will das Land seine Schulden beim IWF vorzeitig zurückzahlen.

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Blick auf das Parlament in Budapest (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: THOMAS COEX/AFP/Getty Images

Es sei "nicht notwendig", das Büro des IWF-Repräsentanten in Budapest weiter zu unterhalten, so der Gouverneur der ungarischen Zentralbank, György Matolcsy, in einem Brief an IWF-Chefin Christine Lagarde, den die Zentralbank auch auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Genüsslich dankte Matolcsy dem IWF für seine "wertvolle Unterstützung" in Krisenzeiten.

Im Jahr 2008, nach Ausbruch der globalen Finanzkrise, war Ungarn mit einem Notkredit von IWF und Europäischer Union in Höhe von 20 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet worden. Dieser Kredit werde bis Ende das Jahres vollständig zurückgezahlt, schrieb Matolcsy weiter.

IWF verlängert Mandat nicht

Als Antwort auf das Schreiben teilte die IWF-Repräsentanz in Budapest mit, das Mandat der Büroleiterin Iryna Ivaschenko laufe Ende August ab, ein Nachfolger werde nicht entsandt. Der IWF sei stets auf Einladung der Gastländer in den Mitgliedsstaaten präsent.

Der IWF hatte sein Budapester Büro im Jahr 2009 eröffnet. Die Beziehungen zwischen IWF und Ungarn begannen sich mit der Wahl des rechtskonservativen Victor Orbán zum Ministerpräsidenten zu verschlechtern. Zwar verhandelte Orbáns Regierung ab 2011 mit dem IWF noch über einen zweiten Kredit in Höhe von 15 Milliarden Euro, doch die Gespräche endeten Anfang dieses Jahres ohne Ergebnis.

Streit über "unorthodoxe" Politik

Streitpunkt war vor allem die Wirtschaftspolitik der Regierung Orbán. Um der Bevölkerung keine Sparmaßnahmen aufbürden zu müssen, belastete sie vor allem Großunternehmen und Banken mit Sondersteuern und führte eine Transaktionssteuer auf sämtliche Geldbewegungen ein.

Als Architekt der von ihm selbst so genannten "unorthodoxen Wirtschaftspolitik" galt der frühere Wirtschaftsminister György Matolcsy. Er war erst im März dieses Jahres zum Gouverneur der ungarischen Zentralbank ernannt worden und schrieb jetzt in dieser Funktion den Brief an IWF-Chefin Lagarde.

Der Regierung war es zunächst gelungen, mit der "unorthodoxen Wirtschaftspolitik" die Staatsverschuldung beträchtlich zu senken. Der IWF jedoch hatte diese Politik mehrfach kritisiert, zuletzt in einem Bericht im Januar 2013.

Eine weitere Reduzierung der Schulden, die zurzeit rund 78 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmache, sei mit dieser Politik nicht möglich, so der IWF. "Zunehmende staatliche Eingriffe in die Volkswirtschaft sowie häufige und unberechenbare Änderungen in der Steuerpolitik (...) haben die Aktivitäten des Privatsektors beeinträchtigt", heißt es in dem Bericht.

Ungarn: Orban übt nun Macht über Notenbank

Anstehende Wahlen

Weil die Wirtschaft daher nur wenig wachse, werde sich die Neuverschuldung Ungarns in den kommenden Jahren nicht unter die Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken lassen, so der IWF weiter. Das steht im Gegensatz zu den Prognosen der Budapester Regierung, die ab 2015 mit Neuverschuldungsraten von unter drei Prozent rechnet.

Die ungarische Wirtschafts-Nachrichtenseite Portfolio.hu kommentierte die Aufforderung an den IWF, das Land zu verlassen, als Versuch der Regierung, sich als unabhängig von äußeren Einflüssen darzustellen: "Das kann die Regierung in ihrem Wahlkampf einsetzen". Die nächsten Parlamentswahlen finden im Frühjahr 2014 statt.

bea/sc (dpa, afp, reuters)