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"Schreckensherrschaft muss aufhören"

Philipp Sandner8. Juni 2015

Überwachung, Zwangsarbeit, Folter: So bilanziert eine UN-Kommission die Menschenrechtslage in Eritrea. Die Verantwortlichen müssten vor Gericht, fordert Kommissionsmitglied Sheila Keetharuth im DW-Interview.

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Israel Flüchtlinge aus Eritrea protestieren gegen die eigene Regierung Foto: REUTERS/Baz Ratner
Im Mai 2015 protestierten eritreische Flüchtlinge in Israel gegen ihre RegierungBild: Reuters/B. Ratner

Deutsche Welle: Frau Keetharuth, Sie sind Mitglied der UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtssituation in Eritrea. In Ihrem Bericht, der nun vorliegt, wirft die Kommission der Regierung Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß vor: von der systematischen Überwachung und Einschränkung von Bürgerrechten bis hin zu außergerichtlichen Tötungen. Allerdings durften Sie das Land nicht betreten. Wie haben Sie trotzdem brauchbare Ergebnisse erzielen können?

Sheila Keetharuth: Wir wären gerne nach Eritrea gereist, um die Untersuchungen dort vorzunehmen. Aber die Regierung ist nicht auf unsere Anfrage eingegangen. Wir haben alle nötigen Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass die gesammelten Zeugenaussagen auch die tatsächliche Situation widerspiegeln. Wir haben Informationen von Menschen an verschiedenen Orten gesammelt, sodass geheime Absprachen unwahrscheinlich sind. Die Fälle decken den Zeitraum von der Unabhängigkeit des Landes bis heute ab. Wir haben mit mehr als 550 Zeugen gesprochen und 160 schriftliche Zusendungen bekommen. Menschen aus der ganzen Welt sind mit uns in Kontakt getreten.

Sie sprechen in dem Bericht davon, dass die eritreische Regierung systematisch ihre Bevölkerung ausspäht und überwacht. Wie geht sie dabei vor?

Zum einen spionieren sich Nachbarn gegenseitig aus. Zum anderen werden systematisch Spione angeworben. Auch innerhalb von Familien wissen die Menschen nicht mehr, wem sie vertrauen können. Überall herrscht Misstrauen. Die Eritreer wissen, dass Informationen gegen sie verwendet werden könnten, dass sie willkürlich verhaftet werden könnten. All das schafft ein Klima der Angst.

Willkürliche Verhaftungen und Folter gehören laut Ihrem Bericht zu den festen Methoden der Regierung. Wie viele Eritreer sind davon betroffen?

Die große Mehrheit der befragten Personen hat einige Zeit in Haft verbracht. Und wenn sie es nicht selber waren, haben sie Familienangehörige oder Bekannte, die schon in Haft waren.

UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtssituation in Eritrea
Die UN-Untersuchungskommission: Victor Dankwa, Mike Smith, Sheila Keetharuth (v.l.)Bild: OHCHR

Welche Empfehlungen haben Sie an die eritreische Regierung?

Die Regierung sollte selbst eine unabhängige Untersuchungskommission einrichten und die Verantwortlichen vor Gericht stellen. Die Opfer sollten Rechtshilfe erhalten. Wir fordern die Regierung auf, eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative sicherzustellen. Sie muss politische Parteien zulassen und faire und freie Wahlen abhalten. Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist die Wehrpflicht. Manche Menschen dienen auf unbegrenzte Zeit im Militär. Das muss auf 18 Monate reduziert werden.

Präsident Isayas Afewerki regiert das Land seit 1993. Sein autoritäres Regime lässt keine Opposition zu, Monat für Monat flüchten Tausende Eritreer ins Exil. Eine Verfassung von 1997, die Hoffnungen auf eine Demokratisierung weckte, ist nicht implementiert. Ist ein Wandel in Eritrea ohne äußeren Druck überhaupt möglich?

Wir haben unsere Empfehlungen abgegeben und werden sie am 23. Juni dem UN-Menschenrechtsrat vorlegen. Die Mitgliedsstaaten müssen dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Die Menschenrechtsverletzungen wiegen so schwer, dass ich auf ein verstärktes Engagement der Internationalen Gemeinschaft hoffe, um die Rechtsstaatlichkeit im Land wiederherzustellen. Die Schreckensherrschaft muss aufhören.

Sheila Keetharuth ist UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in Eritrea und Mitglied der dreiköpfigen UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtssituation im Land.

Das Interview führte Philipp Sandner.