1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Umstrittene Renaissance der Großwasserkraftwerke

Viktoria Kleber23. Dezember 2013

Der Bau von Großwasserkraftwerken nimmt weltweit zu. Sie werden gebraucht, um den wachsenden Energiedurst der Industriestaaten zu stillen. Doch nicht alle profitieren.

https://p.dw.com/p/1AJLe
Wasserkraftwerk Inga I am afrikanischen Fluss Kongo (Foto: picture alliance/dpa)
Das Wasserkraftwerk Inga I am Kongo. In dessen Nähe soll der Grand-Inga-Staudamm entstehen.Bild: picture-alliance/dpa

Noch fließt der Kongo in seinen natürlichen Bahnen. Doch damit soll 2015 Schluss sein, dann soll der Bau des Grand-Inga Staudamms beginnen. Der Fluss wird dann umgeleitet und aufgestaut, sein Wasser soll die Turbinen des Grand-Inga-Kraftwerks antreiben. Es ist ein gigantisches Projekt: Mit 40.000 Megawatt soll das Grand-Inga-Kraftwerk doppelt so leistungsfähig wie der Drei-Schluchten-Staudamm in China werden.

Die Kongolesen wollen damit Energie für den ganzen Kontinent liefern - in den Norden nach Ägypten ebenso wie nach Südafrika. Grand Inga könnte rund ein Drittel des derzeitigen afrikanischen Energiebedarfs decken. 60 Milliarden Euro soll das Projekt kosten. Die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank und die Europäische Investitionsbank finanzieren mit, ebenso Unternehmen aus Südafrika und China. Weitere Investoren werden noch gesucht.

Folgen für Mensch und Umwelt

Das Vorhaben stößt bei Menschenrechtlern und Umweltaktivisten auf Kritik. Auch Rudo Sanyanga von der Nichtregierungsorganisation International Rivers zweifelt am Erfolg. "Ich denke, es wird eine Katastrophe", sagt sie. "Dörfer müssen umgesiedelt werden und wir haben auch eine Reihe von Problemen mit der Umwelt." Sanyanga fürchtet, dass Moskitos und andere Schädlinge sich im gestauten Wasser schneller ausbreiten und sie sorgt sich um die Wälder, die abgeholzt werden müssen, um Stromleitungen bauen zu können.

In den 1980er und 1990er Jahren gibt es weltweit große Demonstrationen und Proteste gegen den Bau von Staudämmen. Die Weltbank, der bis dahin größte Mitfinanzierer, zieht Konsequenzen, gibt kein Geld mehr für neue Großstaudämme. Infolgedessen nimmt der Staudammbau Mitte der 1990er drastisch ab. Doch 15 Jahre später findet erneut ein Umdenken bei der Weltbank statt. Der Bedarf an Energie wächst weiter. Um die Erderwärmung - verursacht durch die Abgase aus fossilen Energiequellen - nicht zu beschleunigen, wird nun bewusst auf regenerative Energien gesetzt. Die Weltbank ist zurück, finanziert Staudammbauten wieder mit.

Investitionen mit Bedacht

Gebaut wird aber nur unter bestimmten Umständen: Aus den Fehlern, die man früher gemacht habe, wolle man lernen und bei neuen Projekten, auch in der Demokratischen Republik Kongo, soziale und ökologische Aspekte mit einbeziehen, erklärt Meike van Ginneken. Sie ist bei der Weltbank für den Bereich Energie in Westafrika verantwortlich. "Wir sind sehr vorsichtig, welche Wasserkraftprojekte wir unterstützen", sagt sie. "Einer der Vorteile des Grand-Inga-Damms ist, dass es nur sehr wenige Menschen sind, die umgesiedelt werden müssen, dagegen gewinnen wir eine riesige Menge an Energie."

Ein großer Teil der gewonnenen Energie aus dem Grand-Inga-Staudamm soll nach Südafrika fließen. Die Industriemacht ist treibende Kraft hinter dem Projekt. Ebenso wie die anderen aufstrebenden Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien und China versucht auch Südafrika seinen wachsenden Energiedurst durch Großwasserkraftwerke zu stillen - auch wenn das Kraftwerk nicht im eigenen Land steht. Max Elias ist Experte für Wasserkraftnutzung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag der Bundesregierung arbeitet. Er ist überzeugt, dass in naher Zukunft aufgrund des wachsenden Energiebedarfs noch viel mehr Staudämme gebaut werden. "Ich sehe großes Potenzial in Lateinamerika, genauso wie in Asien, aber das meiste noch nicht genutzte Potenzial liegt wirklich in Afrika." Denn der Kontinent hat große Flächen, die nicht besiedelt sind und große Flüsse, an denen Staudammbau möglich ist. Das wollen viele afrikanische Regierungen nutzen. Doch wer profitiert?

Ohne Kleinwasserkraft geht nichts

Laut einer Studie der Vereinten Nationen haben 75 Prozent der Bevölkerung in Afrika keinen Zugang zu Elektrizität. Um ein Großteil dieser Menschen mit Energie aus Wasser versorgen zu können, sei aber eine Kombination aus Großwasserkraft und Kleinwasserkraft nötig, sagt Andreas Michel, Berater für den Zugang zu Energie beim globalen Energieentwicklungs-Programm der GIZ. Zum einen könnenn durch Kleinwasserkraft bereits aus kleinen Wassermengen Energie gewonnen werden. "Zum anderen kommt man viel schneller in entlegene Gebiete, ohne eine Netzinfrastruktur aufbauen zu müssen", sagt Michel. Menschen in ländlichen Gebieten könnten so einfacher erreicht werden.

Auch Rudo Sanyanga von der NGO International Rivers glaubt, dass nur sehr wenige Kongolesen von der neuen Energie des Grand Inga profitieren. Ein Großteil der Bevölkerung wohnt in entlegenen Gebieten, Stromleitungen dorthin sind nicht geplant. Zudem soll fast die gesamte Energie exportiert werden. So könnte es sein, dass in dem Land, in dem bald das leistungsfähigste Wasserkraftwerk der Welt steht, ein Großteil der Bevölkerung weiterhin vom Strom abgeschnitten ist.