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Großdemo gegen Wehrpflicht

2. März 2014

Machtdemonstration gegen eine Wehrpflicht für strengreligiöse Männer in Israel: Hunderttausende ultraorthodoxe Demonstranten legen die Metropole Jerusalem lahm. Sie wollen ein neues Gesetz stoppen.

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Ultraorthodoxe Juden protestieren gegen Einzug zum Militärdienst in Israel (Foto: Thomas Coex/AFP/Getty Images)
Bild: Thomas Coex/AFP/Getty Images

Mehrere hunderttausend ultraorthodoxe Juden haben in Jerusalem gegen ihre geplante Einbeziehung in die Wehrpflicht protestiert. Mit Mahngebeten auf den Straßen demonstrierten sie gegen einen Gesetzentwurf, der in der Sitzungswoche ab dem 10. März im Parlament endgültig verabschiedet werden soll. Das neue Gesetz ermöglicht erstmals seit der israelischen Staatsgründung 1948 Strafmaßnahmen gegen junge ultraorthodoxe Männer, die einem Einberufungsbefehl nicht Folge leisten. Der Konflikt um die Wehrpflicht ist für die Regierung nicht einfach zu lösen: An dem Streit darüber war im Jahre 2012 bereits die große Koalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zerbrochen.

Massen gegen Gesetzesvorhaben

Aus dem ganzen Land waren Angehörige aller unterschiedlichen Strömungen des ultraorthodoxen Judentums nach Jerusalem gereist. Einheitlich gekleidet in schwarze Anzüge mit weißen Hemden und schwarzen Hüten bildeten sie ein unüberschaubares Menschenmeer auf den großen westlichen Zufahrtsstraßen der Stadt. Sie trugen Spruchbänder mit Aufschriften wie "Rette mich vor meinem Bruder". Nach Medienberichten verbrannten mehrere wütende Demonstranten Reifen. Der Verkehr kam großräumig zum Erliegen. Frauen durften auf Beschluss der ultraorthodoxen Rabbiner in getrennt zugewiesenen Straßen Mahngebete sprechen.

Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf mehrere Hunderttausend. Polizeisprecher Micky Rosenfeld sagte, es seien 3500 Beamte im Einsatz, um Ausschreitungen wie bei früheren Protesten zu unterbinden.

Ausnahme abschaffen

Die Ultraorthodoxen kämpfen insbesondere dagegen, dass die Verweigerung von Wehr- oder Ersatzdienst künftig auch für Tora-Schüler mit Haftstrafen geahndet werden kann. Die vor einem Jahr neu gebildete Regierungskoalition, an der erstmals seit langem keine Parteien der strenggläubigen Juden beteiligt sind, hatte zudem die Finanzmittel für die Religionsschulen dieser Bevölkerungsgruppe gekürzt. Ultraorthodoxe Männer gehen größtenteils keiner Erwerbstätigkeit nach, um sich ganz auf das Studium der ihnen heiligen Schriften zu konzentrieren. In der Armee gibt es außerdem keine Trennung zwischen Männern und Frauen, und es gibt häufig Einsätze am Samstag, für religiöse Juden ein heiliger Ruhetag. Mehrere tausend tiefreligiöser Männer dienen allerdings schon in speziellen Einheiten in der Armee.

Vor zwei Jahren hatte Israels höchstes Gericht entschieden, dass die Freistellung tiefreligiöser Juden vom Militärdienst verfassungswidrig ist. Die Regelung stammte aus der Zeit der Staatsgründung 1948. Damals gab es jedoch nur 400 solcher Fälle pro Jahr. Die Geburtenrate in ultraorthodoxen Familien liegt jedoch wesentlich höher als in westlich geprägten, weniger religiösen Teilen der Bevölkerung, so dass sie heute zehn Prozent der etwa acht Millionen Einwohner Israels stellen. Die Zahl der ultraorthodoxen Männer, die vom Wehrdienst befreit sind, liegt nach Angaben der Zeitung "Jediot Achronot" schätzungsweise schon bei 60.000 bis 70.000.

Der Gesetzesentwurf sieht jetzt vor, dass die Wehrpflicht schrittweise auch auf sie ausgeweitet wird, so dass bis 2016 5200 strengreligiöse Rekruten eingezogen werden. Ab Juli 2017 soll die Wehrpflicht für alle ultraorthodoxen Männer im wehrpflichtigen Alter gelten. Viele Ultraorthodoxe erkennen jedoch auch an, dass die bisherige Regelung ungerecht ist, und sprechen sich dafür aus, dass in Israel eine Berufsarmee nach europäischem Vorbild geschaffen wird.

nis/cw (dpa, afp)