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Politik

Ukraine: Solidarität gegen russische Raketen

Daria Nynko
12. Oktober 2022

Für viele Ukrainer war der 10. Oktober eine Art Wiederholung des 24. Februar, als Russland seine Invasion mit dem Beschuss von Städten im ganzen Land begann. Aber diesmal haben sich die Ukrainer anders verhalten.

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Menschen stehen in der U-Bahn während des russischen Angriffs auf Charkiw am 10. Oktober
Luftalarm ernst nehmen: Menschen in Charkiw suchen Schutz in der U-BahnBild: Francisco Seco/AP/picture alliance

Panik gab es keine, als am Montagmorgen die Russische Föderation einen massiven Raketenangriff auf die gesamte Ukraine durchführte. Viele Ukrainer fühlten sich zwar an den Tag im Februar erinnert, als Russlands Armee am frühen Morgen mit Raketenangriffen seine Invasion begann, doch eine Fluchtbewegung gab es diesmal nicht. "Die Ukraine kann nicht eingeschüchtert, sondern nur noch stärker geeint werden", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montagabend in einer Videobotschaft.

Ukraine | Kiew nach Angriff Video mit Wolodymyr Selenskyj
"Nicht eingeschüchtert, sondern stärker": Präsident Selenskyjs Botschaft die ukrainische Bevölkerung und den KremlBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/picture alliance/dpa

Ein deutliches Zeichen für starken Zusammenhalt setzten der Fernsehmoderator Serhij Prytula und der Aktivist Serhij Sternenko. Unter dem Slogan "Ihr habt die Ukrainer verärgert" riefen sie nur wenige Stunden nach Beginn des massiven Beschusses dazu auf, Geld für Waffen für die ukrainische Armee zu sammeln. Auch der bekannte ukrainische Blogger Ihor Latschenkow schloss sich ihnen an. Das Ergebnis der Aktion übertraf alle Erwartungen. Wie Sternenko berichtete, überwiesen die Ukrainer innerhalb von nur sieben Minuten bereits die erste Million Hrywnja (rund 27.000 Euro) auf das angegebene Konto. Insgesamt kamen laut Sternenko an nur einem Tag über 350 Millionen Hrywnja (9,7 Millionen Euro) zusammen. Das Geld soll unter anderem für den Kauf ukrainischer Kamikaze-Drohnen vom Typ RAM II UAV verwendet werden.

Beschädigte Stromnetze

Auch den Aufrufen der Behörden, Strom zu sparen, folgten die Ukrainer. Dies wurde notwendig, weil durch den massiven russischen Raketenangriff Infrastruktur in elf Regionen der Ukraine und in Kiew getroffen wurde. Beschädigte Objekte wurden zwar umgehend repariert, doch die Behörden riefen die Ukrainer auf, die Verwendung von Haushaltsgeräten in der Spitzenlastzeit zwischen 17 und 23 Uhr zu minimieren. Wie der Energieversorger Ukrenergo am Abend des 10. Oktober berichtete, haben die Menschen in Kiew und rund um die Hauptstadt den Rat beherzigt. Der Stromverbrauch war an diesem Tag um mehr als ein Viertel geringer als an einem gewöhnlichen Herbsttag.

Laut Ukrenergo entspricht die Gesamtkapazität der Elektrogeräte, die die Verbraucher in diesem Zeitraum freiwillig nicht eingeschaltet haben, der Kapazität von mehr als 93.000 Wasserkochern oder 46.000 Waschmaschinen. "Dies half, die funktionierenden Stromnetze nicht zu überlasten, und ermöglichte es dem Kontrollzentrum, das Stromnetz in der schwierigsten Zeit des Tages auszugleichen." Die Menschen werden weiterhin dazu angehalten, den Verbrauch am Abend zu reduzieren und stromfressende Elektrogeräte nur tagsüber oder nachts zu verwenden. 

Schnelle Instandsetzung

Trotz der ständigen Gefahr neuer Raketenangriffe wird dort, wo es möglich ist, die Instandsetzung so schnell wie möglich durchgeführt. So berichtete der Bürgermeister der Stadt Dnipro, Borys Filatow, dass ein wichtiger zerstörter Straßenabschnitt in der Stadt über Nacht repariert wurde: "Gestern und heute. Wir haben die Zähne zusammengebissen und die ganze Nacht gearbeitet. Leitungen, Straßenbelag und Schilder, Kommunikationsnetz und Bäume. Sollen die Bastarde doch verrecken. Wir werden alles reparieren und wieder aufbauen. Aber unser Hass wird Jahrhunderte lang weiterleben. Ich verneige mich zutiefst vor meinen Mitarbeitern und den Arbeitern der kommunalen Versorgungsunternehmen", schrieb Filatow auf Telegram und fügte zwei Fotos bei: Der Einschlagskrater in der Mitte der Straße und das Ergebnis der Instandsetzung.

Am Morgen des 11. Oktober wurde auch in Kiew der zentrale Taras-Schewtschenko-Boulevard für den Verkehr wieder freigegeben. Das berichtete Kyrylo Tymoschenko, stellvertretender Leiter des ukrainischen Präsidialamts, auf Telegram. In wenigen Stunden sei die Straßenoberfläche komplett wiederhergestellt worden. Die wichtige Kreuzung des Boulevards war am Vortag von einer russischen Rakete getroffen worden.

Verbrannte Autos auf dem Taras-Schewtschenko-Boulevard in Kiew nach dem Anschlag am 10. Oktober
Schäden über Nacht repariert: Taras-Schewtschenko-Boulevard in Kiew nach dem RaketenangriffBild: Adam Schreck/AP Photo/picture alliance

Lieder und Memes

Wegen des massiven Beschusses dauerte der Luftalarm in Kiew am 10. Oktober erstmals seit Monaten mehr als fünfeinhalb Stunden. Viele Bürger verbrachten diese Zeit in U-Bahn-Stationen. Ein Video, das Menschen zeigt, die in der Kiewer Metro vor russischen Raketen Schutz suchen und sich gegenseitig mit ukrainischen Liedern Mut machen, ging im Internet schnell viral.

Auch nach dem Raketenbeschuss verloren die Menschen nicht ihren Humor. Die meisten Witze bezogen sich auf die russische Bombardierung einer beliebten Fußgänger- und Fahrradbrücke in Kiew, die im Volksmund Klitschko-Brücke genannt wird, da sie ein Projekt des jetzigen Bürgermeisters Vitali Klitschko ist. Die Ukrainer verspotteten die Tatsache, dass die Brücke, die auch als Aussichtsplattform dient, Ziel des Angriffs war. Noch mehr Spaß machte ihnen die Tatsache, dass die Brücke, die teilweise aus Glasplatten besteht, standhielt - im Gegensatz zur Krimbrücke, die am 8. Oktober durch eine Explosion beschädigt wurde.

Gleichzeitig machten die massiven Raketenangriffe Russlands, die auch am 11. Oktober andauerten, den Menschen noch einmal bewusst, dass sie Luftalarm ernst nehmen, Bunker aufsuchen oder sich in sicheren Bereichen von Gebäuden aufhalten müssen.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Ukraine: Angriffe und Luftalarm