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Politik

Aktuell: Unklare Lage in Saporischschja

26. August 2022

Das AKW Saporischschja soll wieder am Netz sein - und Strom in die Ukraine liefern. Derweil muss Russland ungenutztes Erdgas verfeuern. Und Kiew tilgt russische Namen aus dem Straßenbild. Der Überblick.

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Blick auf ein Strahlenmessegerät in den Händen eines Soldaten
Mit dem Strahlenmessgerät in Saporischschja unterwegsBild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

Sorgen nach Notabschaltung von AKW Saporischschja

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wie ist die Lage in Saporischschja?
  • Russland stockt seine Truppen auf
  • Russland verbrennt riesige Mengen an Erdgas
  • Kiew ändert Straßennamen
     

Das von russischen Truppen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist nach einem Tag Unterbrechung wieder ans Stromnetz angeschlossen. Einer der zwischenzeitlich gestoppten Reaktorblöcke sei wieder am Netz und "die Kapazität wird erhöht", gab die staatliche Betreibergesellschaft Energoatom bekannt. Laut Kiew war das Atomkraftwerk infolge russischer Angriffe zuvor erstmals in seiner Geschichte vollständig vom Stromnetz getrennt worden.

Das Kraftwerk sei seit 13.04 Uhr MESZ "wieder ans Netz angeschlossen" und produziere wieder "Strom für den ukrainischen Bedarf", erklärte Energoatom. Nach der beispiellosen Notabschaltung war das AKW nur noch über eine Notleitung mit Elektrizität versorgt worden.

Die Blöcke vier und fünf des Atomkraftwerks Saporischschja
Die Blöcke vier und fünf des Atomkraftwerks SaporischschjaBild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht davon aus, dass nach der Trennung vom Stromnetz im Atomkraftwerk Saporischschja nur knapp ein GAU verhindert werden konnte. Notstromdieselgeneratoren hätten für die nötige Stromversorgung und die Sicherheit der Anlage gesorgt. Russland hatte stets erklärt, das AKW laufe ohne Ausfälle. 

Kiew drängt auf schnelle Expertenmission

Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und der Vereinten Nationen sollten die nuklearen Sicherheitsstandards untersuchen, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Er forderte zudem den kompletten Rückzug der russischen Truppen von dem AKW-Gelände.

IAEA-Direktor Rafael Grossi bekräftigte seine Bereitschaft, in den kommenden Tagen mit Experten nach Saporischschja zu fahren. Bislang ist eine solche Mission wegen Uneinigkeiten über die genauen Reisemodalitäten nicht zustande gekommen.

Mehr Soldaten für Russland

Ein halbes Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine stockt Russland seine Truppen auf. Auf Befehl von Kremlchef Wladimir Putin soll die Zahl der Soldaten im kommenden Jahr um 137.000 auf rund 1,15 Millionen wachsen. 

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Sie sind nach Ansicht von Präsident Putin zu wenige - die russischen SoldatenBild: Sputnik/imago images

Bill Roggio von der Foundation for the Defense of Democracies, einem amerikanischen Think Tank, wertet dies als Zeichen dafür, dass Putin sich in einem langen Kampf mit der Ukraine sieht. Der russische Präsident erwarte "nicht den schnellen Sieg", sagte Roggio im DW-Gespräch und erläutert, Putin sei nicht bereit, einen nationalen Notstand auszurufen, um die Größe des Militärs zu stärken. "Er will dem russischen Volk nicht eingestehen, dass dies ein ausgewachsener Krieg ist." Also gebe er dies nur als eine normale oder friedensähnliche Aufstockung des Militärs heraus. "Das wird ihm nicht schnell Truppen an die Front bringen, aber im Laufe der Zeit wird das russische Militär größer und es wird ihm ermöglichen, mehr Ressourcen in die Ukraine zu bringen", so Roggio.

Russland fackelt große Mengen an ungenutztem Erdgas ab

Nahe der im Moment kaum noch befüllten Ostseepipeline Nord Stream 1 verbrennt Russland riesige Mengen an Erdgas. Die Flamme bei der Kompressorstation Portowaja nordwestlich von Sankt Petersburg ist bis ins benachbarte Finnland und deutlich auf Satellitenbildern zu sehen. Experten und Wissenschaftler sagen, es handele sich um Gas, das für den Export nach Deutschland bestimmt war, aber wegen der geringeren Auslastung der Leitung im Moment nicht anderweitig abgeführt werden könne.

Ein Satellitenbild von Copernicus zeigt die orangefarbene Gasfackel in Portowaja
Ein Satellitenbild von Copernicus zeigt die orangefarbene Gasfackel in Portowaja Bild: COPERNICUS SENTINEL/REUTERS

Das norwegische Energieberatungsunternehmen Rystad spricht von einer Umweltkatastrophe, bei der täglich rund 9000 Tonnen CO2 freigesetzt würden. Es schätzt die in der Atmosphäre abgefackelte Gasmenge auf etwa 0,5 Prozent des Tagesbedarfs der EU. Täglich gingen 4,34 Millionen Kubikmeter Gas in Rauch auf, heißt es, das entspreche einem Wert von rund zehn Millionen Euro am Tag. Professor Esa Vakkilainen von der LUT-Universität in Lappeenranta verweist auf die Nordpolregion, "wo dieser Ruß definitiv einen Einfluss auf die globale Erwärmung hat". Deutschlands Botschafter in London, Miguel Berger, sagte der BBC, man beobachte das Abfackeln bereits seit einiger Zeit. Er fügte hinzu: "Weil sie ihr Gas nirgendwo anders verkaufen können, müssen sie es verbrennen."

Kiew ändert Straßennamen

Kiew hat die Namen von 95 Straßen geändert, die bislang einen russischen oder sowjetischen Bezug hatten. Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, kündigt an, dass weitere Schritte folgen sollen. So verschwinden von Straßenschildern neben den Namen der deutschen kommunistischen Vordenker Karl Marx und Friedrich Engels auch die der russischen Schriftsteller, Alexander Puschkin, Lew Tolstoi, Anton Tschechow, Iwan Turgenjew und Michail Lermontow. Entfernt werden die Namen sowjetischer Marschälle des Zweiten Weltkriegs und Bezeichnungen mit Bezügen zu russischen Städten wie Moskau, Rostow am Don oder Magnitogorsk.

Als ein neuer Straßenname wurde etwa "London" gewählt - zu Ehren des engen Verbündeten Großbritannien. Eine weitere Straße, die bislang den Namen eines sowjetischen Verteidigungsministers trug, ist jetzt nach dem Asow-Regiment benannt. Russland hat die Einheit der ukrainischen Armee als Terrororganisation eingestuft. Der Umbenennung ging ein Abstimmungsprozess in der ganzen Ukraine voraus, an dem sich über 6,5 Millionen Menschen über eine staatliche Smartphone-App beteiligten.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

AR/fab/cw/rb/qu (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)