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Politik

Aktuell: Westen will Kriegsverbrecher gemeinsam verfolgen

14. Juli 2022

Eine Konferenz in Den Haag soll den Opfern zeigen: Das Recht ist nicht machtlos. Die OSZE prangert die Misshandlung Zehntausender Ukrainer an. Ein Überblick.

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Niederlande Den Haag | Pressekonferenz über Kriegsverbrechen | Ukraine Accountability Conference
Pressekonferenz in Den Haag mit dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan (2. v. r.)Bild: Ramon van Flymen/ANP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Konferenz berät über Ahndung von Kriegsverbrechen in der Ukraine
  • Treffen zur Freigabe ukrainischer Getreideexporte brachte Fortschritte
  • Russische Truppen greifen Winnyzia, Kramatorsk und Mykolajiw an
  • Wasserversorgung in Mariupol soll bald wieder funktionieren
  • OSZE prangert Misshandlung Zehntausender Ukrainer an

 

Unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine haben westliche Staaten bekräftigt, sich für eine konsequente Strafverfolgung von Kriegsverbrechern einzusetzen. Sie verpflichteten sich zum Abschluss einer Konferenz in Den Haag, mehr Geld und Experten zur Verfügung zu stellen und bei den Ermittlungen enger zusammenzuarbeiten.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Karim Khan, sagte: "Ich hoffe, dass wir den Prozess beschleunigen und den Opfern zeigen können: Das Recht ist nicht machtlos." Das Weltstrafgericht hatte gemeinsam mit der EU-Kommission und den Niederlanden die Tagung einberufen, um die Strafverfolgung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern in der Ukraine zu koordinieren. Zu den 45 beteiligten Staaten gehörten auch Deutschland, die USA, Australien und Kanada.

Ermittlungen in mehr als 15.000 Fällen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die Einrichtung eines internationalen Tribunals zur Verfolgung der Kriegsverbrechen. Die verantwortlichen Politiker dürften ihrer Strafe nicht entkommen.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar ermittelt die Justiz in mehr als 15.000 Fällen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, darunter Morde und Vergewaltigungen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) prangert die mutmaßliche Misshandlung Zehntausender Ukrainer in russischen Einrichtungen in der selbsternannten Volksrepublik Donezk an. Demnach werden Zivilisten massenhaft in sogenannte Filterzentren gebracht, um herauszubekommen, ob sie mit den ukrainischen Behörden kooperieren.

Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Selenskyj hofft, dass die Getreideexporte bald wieder aufgenommen werden können (Archivbild)Bild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa/picture alliance

Fortschritte in Sachen Getreideexport

Selenskyj sieht unterdessen gute Chancen, dass die von Russland blockierten Getreideexporte demnächst freigegeben werden. "Die ukrainische Delegation hat mir mitgeteilt, dass es einige Fortschritte gibt", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Er bezog sich dabei auf die Verhandlungen in der Türkei über die Aufhebung der russischen Seeblockade ukrainischer Häfen.

In der kommenden Woche wollen sich die Delegationen der Ukraine und Russlands ein zweites Mal in Istanbul treffen. Das teilte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar nach dem ersten Gespräch in der Metropole am Bosporus mit. Er signalisierte, in der nächsten Woche könne eine Einigung über die Freigabe einer Menge zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen derzeit in ukrainischen Häfen gelagerten Getreides verkündet werden.

Die Delegationen hätten sich auf "gemeinsame Kontrollen" in den Häfen und auf Maßnahmen zur "Sicherung der Transportwege" über das Schwarze Meer geeinigt. UN-Generalsekretär António Guterres sprach in New York von einem "entscheidenden Schritt" in Richtung einer Lösung.

Die Gespräche unter Beteiligung der Türkei und der Vereinten Nationen waren die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit März. Die Ukraine war vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure weltweit. Die fehlenden Ausfuhren tragen weltweit zu einer Nahrungsmittelkrise bei.

Viele Tote bei Angriff auf Winnyzia

Bei einem russischen Raketenangriff sind im Zentrum der westukrainischen Großstadt Winnyzja nach ukrainischen Angaben mindestens 20 Menschen getötet worden. 90 Menschen seien verletzt worden, teilte der Vizechef des Präsidentenbüros in Kiew, Kyrylo Tymoschenko, am Donnerstag mit. Nach Angaben des Zivilschutzes schlugen drei Raketen in einem Bürozentrum ein. Danach sei ein Feuer ausgebrochen und habe etwa 50 parkende Autos erfasst.

Der ukrainische Präsident erklärte mit Blick auf die zivilen Opfer: "Was, wenn nicht dies, ist ein terroristischer Akt?" Russland töte jeden Tag Zivilisten und greife mit Raketen zivile Objekte an, in denen sich keine Soldaten aufhielten. Bislang war Winnyzia vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont geblieben. Vor Kriegsbeginn hatte die rund 250 Kilometer südöstlich von Kiew gelegene Stadt etwa 660.000 Einwohner.

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Russische Truppen greifen Kramatorsk an

In der Ostukraine attackierten russische Truppen offenbar die Stadt Kramatorsk im Donbass. Raketen seien im Industriegebiet der Stadt eingeschlagen, schrieb Bürgermeister Olexandr Hontscharenko auf Facebook. In einigen Teilen der Stadt sei der Strom ausgefallen. Kramatorsk liegt in der Region Donzek, die zusammen mit der Region Luhansk den von Industrie geprägten Donbass bildet. Nach der erklärten Einnahme von Luhansk konzentriert Russland seine Offensive nun auf Donezk.

Ukraine | Krieg | Raketenangriffe auf Slowjansk
Raketenangriff auf Slowjansk im Distrikt Kramatorsk am 13. JuliBild: Metin Aktas/AA/picture alliance

Auch die südukrainische Stadt Mykolajiw steht nach Angaben von Bürgermeister Olexandr Senkewytsch offenbar weiter unter russischem Beschuss. Mehrere zivile Gebäude seien getroffen worden, schrieb er auf Telegram. Rettungskräfte und Helfer seien bereits im Einsatz.

Die ukrainische Armee treibt nach eigenen Angaben ihre Offensive gegen die von Russland besetzten Gebiete im Süden des Landes voran. Zwei Straßenkontrollen und ein Landeplatz seien angriffen worden, teilten Regierungsvertreter mit. Bei den Vorstößen auf Nowa Kachowka in der Region Cherson seien 13 "Besatzer" getötet worden, zitierte der Sprecher der Regionalverwaltung Odessa, Serhij Bratschuk, den militärischen Stab im Süden der Ukraine.

Wasserversorgung in Mariupol

In der von russischen Truppen besetzten südukrainischen Hafenstadt Mariupol soll noch in diesem Monat die Wasserversorgung wieder funktionieren. Das sagte der von Russland eingesetzte Bürgermeister Konstantin Iwaschenko der Nachrichtenagentur TASS. Die Behörden planten zudem, den Passagierhafen der Stadt wieder in Betrieb zu nehmen, der mit Rostow am Don und weiteren russischen Städten verbunden ist, sagte Iwaschenko. Seine Ernennung zum Bürgermeister wird von der Ukraine nicht anerkannt.

Zerstörte Wälder, verminte Äcker, kontaminierte Flüsse

Der Krieg in der Ukraine hat nach Angaben von Umweltminister Ruslan Strilets massive Umweltschäden zur Folge. Drei Millionen Hektar Wald seien durch den russischen Angriffskrieg geschädigt worden, sagte Strilets in Prag bei einem informellen Treffen der EU-Umweltminister. Diese versprachen Hilfe beim Beheben der Schäden.

Brennende Ölraffinerie in Lysychansk
Russische Granaten schlugen am 22. Mai in der Ölraffinerie von Lysychansk in der Region Luhansk ein Bild: Rick Mave/SOPA Images/ZUMA/picture alliance

Bislang habe man mehr als 2000 Fälle von Umweltschäden gezählt, 20 Prozent der geschützten Gebiete in der Ukraine seien gefährdet, erläuterte der Minister. Die russische Armee habe zudem mehr als 40 Öllager zerstört, was zu starker Luftverschmutzung führe. "Trinkwasser ist auch ein Problem, die Russen zerstören Anlagen zur Wasseraufbereitung", sagte Strilets. Wasserleitungen seien nach Bombenangriffen verunreinigt. Dies stelle den Westen der Ukraine, der derzeit viele Flüchtlinge aus dem Osten des Landes aufnehme, vor Probleme mit der Wasserversorgung.

Nordkorea erkennt prorussische Separatistengebiete an

Nach Nordkoreas Anerkennung der zwei von prorussischen Separatisten ausgerufenen "Volksrepubliken" in der Ostukraine bricht die Regierung in Kiew ihre Beziehungen zu dem asiatischen Land ab. "Wir betrachten diese Entscheidung als einen Versuch von Pjöngjang, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu untergraben", erklärt das Außenministerium.

Nordkorea hat als drittes Land nach Russland und Syrien die selbsternannten sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk anerkannt.

nob/AR/se/ie/jj/kle (dpa, rtr, afp, ap) 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.